„I used to trust the media to tell me the truth, tell us the truth. But now I’ve seen the payoffs everywhere I look – who do you trust when everyone’s a crook?“ („Revolution Calling“)

Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Zehn-Punkte-Prog-US-Metal-Meisterwerks, dem QUEENSRŸCHE-Konzeptalbum “Operation: Mindcrime” über politische Verführung durch sinistre Demagogen, tourt der ehemalige Frontmann der Band, Geoff Tate, durch die Welt und führt es in kompletter Länge auf. An einem Dienstagabend im Dezember machte der ehemalige Frontmann der Band, der sich vor geraumer Zeit von QUEENSRŸCHE getrennt hat und mit seiner passenderweise „OPERATION: MINDCRIME“ betitelten eigenen Combo unterwegs ist, Halt im Hamburger Gruenspan. Da kribbelte es in mir, denn wenngleich Prog-Zeug eigentlich nicht mein Ding ist und ich mit vielen QUEENSRŸCHE-Songs nicht so ganz warm werde, habe ich an „Operation: Mindcrime“ doch einen Narren gefressen und halte den Langdreher für eine der besten Metal-Platten aller Zeiten. Das Ticket schlug mit unter 30 EUR zubuche, also gab’s da nicht mehr viel abzuwägen, „Shut up and take my money!“.

Nach dieser Devise hatten offenbar auch viele andere gehandelt, denn das Gruenspan war bereits zur Vorband mehr als ordentlich gefüllt: TILL DEATH DO US PART zocken Gothic-Metal, Geoffs Tochter Emily singt. Tjoa, dascha nu ma gaanich meine Baustelle, dementsprechend wenig konnte ich mit der Darbietung anfangen. Emilys Choreographien, in denen sie über die Bühne tippelt, pathetisch mit den Armen fuchtelt oder die Wahnsinnige mimt, muteten eher kurios denn showdienlich an und generell möchte ich tendenziell Reißaus nehmen, wenn ich eine Trällerelse im mittelalterlichen Rüschenrock auf der Bühne sehe. Nun ist Emily aber natürlich immerhin Geoff Tates Leibesfrucht, da gibt man der Band schon mal ’ne Chance. Singen kann sie nämlich durchaus und, siehe bzw. höre da, der letzte Song, bei dem bischn aufs Gas getreten wurde, lief mir dann doch ganz gut rein.

In der Umbaupause wurd’s dann richtig drängelig, zumindest im vorderen Bereich. Dichtgedrängt wartete man auf die „I Remember Now“-Introklänge aus dem Off, die dann endlich auch irgendwann durch die Halle schallten, gefolgt vom „Anarchy-X“-Live-Intro und dem ersten Song „Revolution Calling“. Zu diesem betrat Geoff die Bühne, augenscheinlich erstaunlich gut im Saft stehend und adrett gekleidet, nach wie vor oder mehr denn je das Charisma in Person. Und gut bei Stimme war er auch, wenngleich der Mischer insbesondere mit den nicht ganz so hohen Frequenzen offenbar noch zu kämpfen hatte und große Teile der Stimme Geoffs noch zu leise waren. Der Refrain wurde ungehindert davon aus hunderten Kehlen kräftig mitgesungen. Später ging ich mir noch ’n Bier holen und positionierte mich danach eher am Rand, wo der Sound deutlich besser klang. Entweder wurde noch mal kräftig nachgeregelt oder ausgerechnet mittig vor der Bühne war eigenartigerweise eine Art Soundloch (ich tippe aber eher auf letzteres). Geoffs Band ist übrigens an mehreren Positionen deckungsgleich mit der seiner Tochter; die Vorstellung der Mitglieder offenbarte, dass es sich um brasilianische und schottische Musiker handelt. Das Spektrum reichte dabei vom bleichgeschminkten tätowierten Goth bis zum klassischen Metal-Zottel, der das Keyboard und zeitweise die dritte (!) Gitarre übernahm. Was auf mich anfangs noch wie ein zusammengewürfelter Haufen posender Mietmusiker wirkte, wuchs im Laufe der perfekten musikalischen Darbietung für mich zu einer festen Einheit zusammen, die durchaus sympathisch mit dem Publikum kommunizierte und der Geoff bereitwillig die Bühne während ihrer Soloparts überließ. Die erste Ansage des mimisch und gestisch stets das gesamte Publikum ansprechenden, einbeziehenden Sängers gab’s erst nach „Suite Sister Mary“, für den Emily die weiblichen Gesangsparts übernahm. Im Anschluss folgte mein persönlicher Höhepunkt des Abends, „The Needle Lies“, erneut kräftig vom Publikum mitgesungen. „Eyes of a Stranger“ setzte schließlich den Schlusspunkt hinter den „Operation: Mindcrime“-Teil des Abends. Doch nach kurzer Zeit ertönte das Elektro-Intro des Nachfolgealbums „Empire“ aus der P.A. und die Band machte mit „Best I Can“ weiter, gefolgt von der Erfolgsballade „Silent Lucidity“ inkl. amüsanter Ansage, dass zu diesem Song schon Menschen beerdigt, Menschen getraut und Menschen gezeugt worden seien. Während des Songs wechselte der Lead-Gitarrist von Akustik- zu E-Klampfe und manch mittlerweile graumeliertes Pärchen im Publikum kuschelte sich eng aneinander. „Empire“, ergänzt um Geoffs Kommentar, die Revolution beginne mit gelben Westen, und „Jet City Woman“ besiegelten den Ausflug in „Empire“-Album, der live wesentlich druckvoller als die für meinen Geschmack zu glatte Albumproduktion klang, und damit nach ca. 95 Minuten den Auftritt, gegen dessen Ende Geoff die vorderen Reihen noch mit Wasser gesegnet hatte. Wie viele andere auch war ich tief beeindruckt und zehre noch immer von diesem Konzerterlebnis. Dem „Operation: Mindcrime“-Geniestreich hatte man tatsächlich alle Ehre erwiesen und Gentleman Geoff ist noch immer das gewohnte Goldkehlchen – von etwaigen Alterserscheinungen keine Spur. Das war nicht nur ganz großes Kino, sondern auch tatsächlich das erste Mal, dass ich Geoff Tate live gesehen habe – das schreit nach Wiederholung!

„I used to think that only America’s way, way was right. But now the holy dollar rules everybody’s lives – gotta make a million, doesn’t matter who dies…”  („Revolution Calling“)