Thrash-Sause im Bambi, und das auch noch auf ‘nem Samstag, also Erkältung ignoriert und sämtliche Bedenken in Bezug auf den tags zuvor frisch tätowierten Fußrücken über Bord geworfen und nix wie hin! Man hatte gut daran getan, sich Karten im Vorverkauf zu sichern, denn im Laufe des Abends musste die Abendkasse tatsächlich „Ausverkauft!“ vermelden. Ähnlich sah es kurioserweise offenbar im angrenzen Kulturpalast aus, in dem irgendeine Rockband, die eigentlich niemandem geläufig ist (jemals von TAKIDA gehört?), bereits im Vorverkauf 750 Tickets abgesetzt hatte. Scheint sich um den jüngsten Hype der Musikindustrie zu handeln. Gänzlich ungehypt sind FIRST AID, jene seit Ende des vergangenen Jahrtausends aktiven Berliner Thrasher, die kurzfristig ins Aufgebot gerutscht waren und pünktlich den Abend vor beachtlicher Zuschauerzahl eröffneten. Geboten wurde, um diesen Begriff einmal auf dieses Subgenre auszudehnen, flotter Kumpel-Thrash mit zwei Klampfen, der nicht nur aufgrund des T-Shirts des Bassmanns an alte TANKARD erinnerte: Punkiger Touch, paar Sauflieder dazwischen, an der Flasche hängender Sänger. Dieser hatte anfänglich Probleme, sich stimmlich gegen das Geschrote der Saiten- und das Geboller der Drum-Fraktion durchzusetzen, was die Mischer aber im Laufe des Sets in den Griff bekamen. Idealer Opener, der in die richtige Stimmung versetzte und entsprechend goutiert wurde!

Den Merch-Tresen hatte man in den Restaurantbereich verlagert, dessen Theke ebenfalls geöffnet war und Gezapftes anbot, die Terrasse war mit regengeschützten Sitzmöglichkeiten ausgestattet worden und lud auch dank eines warmen Feuerchens zum Verweilen ein. Zwischen den Räumen trieb sich Traummann Freddy Krueger höchstpersönlich herum. Hielten wir ihn zunächst für einen Show-Act des schwedischen Headliners, dessen Name ein Akronym für „Freddy Kruegers Ünderwear“ ist, entpuppte er sich als eigens vom Veranstalter gebuchter Darsteller Sven Martensen, der sich bereitwillig mit einem fotografieren ließ und im Gegenzug lediglich darum gab, ihm ein Facebook-Like dazulassen, um seine Popularität zu steigern. Er ist auch als Fantomas, Stormtrooper, Spiderman etc. zu haben. Ein schöner Spaß!

SPACE CHASER, ebenfalls aus Berlin, erfreuen sich einiger Beliebtheit und stechen seit jeher aus dem Wust aktueller Thrasher hervor. Zwar ist der AGENT-STEEL-beeinflusste Speed-Thrash der Ufo-Paranoiker und „Skate Metal Punks“ mit Bruce-Dickinson-Gesang nicht hundertprozentig mein Fall, aber mit der Split-LP mit DISTILLATOR hatten sie auch mich und live knallt das sowieso alles gut. Den Gesangsstil empfand ich zu Beginn wieder als gewöhnungsbedürftig, aber das legte sich schnell und war spätestens mit dem äußerst gelungenen NEGATIVE-APPROACH-Cover „Tied Down“, das bereits als dritter Song von der Bühne schepperte, komplett vergessen. Die Band spielte sich in einen einzigen Rausch, steigerte das Aggressionslevel und nahm das Publikum mit. Sänger Siggi ging voll und ganz in seiner Performance auf, lieferte ein irres Mienenspiel, gestikulierte aufgekratzt und sang, was die Kehle hergab. Auch seine Bandkollegen waren echte Aktivposten, Gitarrist Leo machte den Propeller und crowdsurfte gegen Ende gar durchs Publikum, das seinerseits ausgelassen zappelte und moshte. ‘ne Zugabe war Pflicht und als die Stimmung auf dem Siedepunkt war, war Schluss. Pause, Bierchen, Kippchen.

Das schwedische Quartett F.K.Ü. gründete sich anscheinend bereits 1987, existierte aber zunächst nur für eine kurze Zeit und wurde erst ab 1997 wirklich aktiv. Mittlerweile hat man bereits fünf Alben veröffentlicht, die sich vornehmlich mit Horrorfilmen auseinandersetzen. Mit der jüngsten Langrille „1981“ widmet man sich gar ausschließlich Horrorfilmen aus eben jenem Jahr, das, wie ein Blick auf die Titel zeigt, ein für das Genre gutes war. Seltsamerweise wurde ich erst mit „1981“ auf die Schweden mit dem albernen Namen aufmerksam, zu unterrepräsentiert waren sie in der hiesigen Fachpresse. Ich frohlockte angesichts des nerdigen Konzepts sowie des zu erwartenden Oldschool-Thrashs irgendwo zwischen EXODUS und BLOOD FEAST sowie etwas ‘80er-Crossover und wollte außerdem die Gelegenheit nutzen, mir endlich das „1981“-Vinyl einzutüten. Die Vier schienen bis kurz vorm Gig noch im Kohlenkeller des Bambis geschuftet oder sich als Schornsteinfeger verdingt zu haben, denn völlig verrußt betraten sie die Bühne. Dazu erklang ein an ‘80er-Genrefilm-Soundtracks gemahnendes Synthie-Intro – und kurz nachdem ich dachte, dass es in diesem Stil eigentlich auch gern weitergehen könnte, ritten die Unterhosenfetischisten ihre erste Thrash-Attacke. Auch nicht verkehrt, ganz im Gegenteil. Der Sänger in seiner Vestron-Video-Kutte stellte seine Band als „Eff! Käi! You!“ vor, woraufhin Teile des Publikums widersprachen, doch das „Ü“ konnte der Gute offenbar nicht aussprechen. Dafür verstand man es aber perfekt, einen Kracher nach dem anderen herauszubrettern, aufgrund der würzigen Kürze vieler Songs in beträchtlicher Quantität. Die meisten Songs handelten erwartungsgemäß von Horrorfilmen und stammten vom aktuellen Album, ein paar kündeten aber originellerweise auch vom Moshen und von Metal. Ob „Nightmare in a Damaged Brain“, „The Funhouse“ oder die Abrissbirne „The Prowler“ über den unterbewerteten gleichnamigen Slasher – das lief alles genauso gut rein wie ein B-Movie-Videoabend. Zwischendurch zitierte man Freddy (s.o.) auf die Bühne oder machte ein paar prägnante Ansagen, ansonsten gab’s permanent gut auf die Zwölf. Vor der Bühne war ordentlich Bewegung, fußbedingt zog ich es aber vor, mich weiter hinten aufzuhalten – was indes auch nicht verhinderte, dass mir zumindest einmal jemand voll draufstolperte. Egal, ich erfreute mich am grandiosen DEATH-Cover „Evil Dead“ und beteiligte mich am Ende bei den erfolgreichen Forderungen nach einer Zugabe. Anschließend sackte ich das Vinyl ein, genehmigte mir zusammen mit meiner ebenfalls sehr angetanen Freundin ‘nen Absacker und wunderte mich darüber, dass eine Band dieser Qualität und mit dieser langen Historie, die mal eben das Bambi ausverkauft, sich tatsächlich erstmals nach Deutschland begeben hat. Tags zuvor hatten F.K.Ü. in Rostock gezockt, einen Tag später ging’s nach Berlin – das waren die ersten drei Deutschland-Gigs überhaupt! WTF?! Umso schöner, dabeigewesen zu sein; ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen! (Oder ein Konzeptalbum über 1982…)