Ost-Punk-Abend in der Rodenbarg’schen Dröhnbude, u.a. mit den Mädels von TORTENSCHLACHT – das versprach, ein Spaß zu werden, also schleppte ich mich nach einer anstrengenden Woche mit letzter Kraft dorthin (ok, ganz so schlimm war’s auch nicht). Leider war ich alles andere als pünktlich, sodass ich verpasste, wie Robotta höchstpersönlich aus dem SCHLEIMKEIM-Buch „Satan, kannst du mir noch mal verzeihen“ vorlas. Um die Platzkneipe herum hatte man ein paar Stände aufgebaut, u. a. einen mit Ossi-Leckereien wie Sternburg Export für 1,20 den Halben – geile Scheiße. Dem Lockruf des Ostens waren trotz des üblichen Hamburger Überangebots an Ausgehmöglichkeiten erfreulich viele erlebnisorientierte Subkulturanhänger gefolgt und tummelten sich bei gutem Wetter zwischen den Ständen sowie an und in der Kneipe. Was die Live-Musik betrifft, hieß es diesmal nicht „Ladies first“, sondern die Gentlemen von AMOKDRANG aus Leipzig alias Hypezig brachten ab kurz nach 22:00 Uhr Soljanka und Sterni zum Schäumen. Das derbe Organ des Shouters und Rhythmusgitarristen röhrte durch deutschsprachige, räudige Oi!- und Ska-Punk-Songs, wie sie derart dreckig und authentisch irgendwo auf Sachsens Straßen zwischen Mülltonnen und Erbrochenem gezeugt wurden. Das gute Sterni wurde gleich mehrfach besungen (u.a. in der TERRORGRUPPE-Interpretation „Mein Sternburg ist wichtiger als Deutschland“), Leipzig in „Hypezig“ umbenannt und per „Asoziale Druckbetankung“ Lust auf dieselbe gemacht. Der Leadgitarrist und auch der Bassist hatten’s technisch überraschend gut drauf, wobei nicht immer beide Gitarren zum Einsatz kamen; bei manch Ska-Punk-Nummer legte der Sänger seine Klampfe beiseite.  Derer waren’s für meinen Geschmack dann auch ein paar zu viel, nicht alle davon gingen mir so glatt in Bein. Als besonderen Trumpf hatte man aber einen Song im Gepäck, der sich den jüngst verstorbenen GUNTER GABRIEL vorknöpfte, genauer: sein sozialchauvinistisches Anti-Hartz-IV-Empfänger-Gepöbel irgendwann Ende des letzten Jahrzehnts in Eisleben, als es hieß: „Ihr habt ja so viel Zeit, sonst wärt ihr nicht am Nachmittag schon hier! Ich hab‘ leider keine Zeit, ich muss meinen Arsch immer in Bewegung halten!“ Ähnlich wie unter ADOLF NOISE wurde daraus ein Song, diesmal jedoch im angenehmeren Punk-Gewand. Je länger AMOKDRANG zockten, desto mehr ging’s vor der Bühne bei allgemein guter Stimmung rund und zu Zugaben nötigte man sie auch. Drückt euch AMOKDRANG ruhig mal unter https://amokdrang.bandcamp.com/, wobei dort seltsamerweise die Songs der Split-Scheibe wesentlich besser in der (dort ebenfalls hörbaren) Tape-Version klingen.

Mit Rostocks vielleicht femininster Band, dem Trio TORTENSCHLACHT, verbindet mich seit unserem gemeinsamen Gig im Bagehl ‘ne freundschaftliche Bekanntschaft, sodass jedes Wiedersehen eine Freude ist, doch auch ohne könnte ich nichts Negatives berichten. Deutschsprachiges hanseatisches Liedgut über Dinge, die nicht nur Mädels Spaß machen sowie über weniger Erfreuliches, erweitert um wohlgewählte Coverversionen von SCHLEIMKEIM („In der Kneipe zur trockenen Kehle“), INA DETER („Neue Männer braucht das Land“) und, schelmisch augenzwinkernd, den DIMPLE MINDS („Durstige Männer“) – dann auch inkl. Publikumsmikro, wodurch die drei sich den Gesang teilenden Kodderschnauzen Unterstützung aus vollen Kehlen bekamen. Die Instrumentierung schrammelte, zupfte und schlagklopfte dazu, was Material und Kondition hergaben und Dank des Ausbleibens technischer Probleme flutschte das alles flüssiger und souveräner als beim vorherigen HH-Gig. Dabei rappelt es immer noch überaus charmant in der Kiste, weshalb mir Vergleiche mit SMEGMA und einst ähnlich unbefangen aufspielenden Kapellen in den Sinn kommen, als man frei von der Leber weg sang und spielte, was man wollte und der Spaß an erster Stelle stand. Den hatten auch alle Anwesenden und feierten inkl. meiner Wenigkeit eine zünftige Party vor und auf der Bühne, weshalb dieser mein bisher östrogenialster ToSchla-Gig wurde.

Fazit: Perfekter Abend für Freunde der rustikalen Rutsche und ein Leckerbissen für Ostzonen-Gourmets.