Zum vierten Mal in Folge veranstalteten die Jungs von NEUE KATASTROPHEN respektive RESTMENSCH das ELB-TSUNAMI-Open-Air-Festival an der Veddeler Peutebahn auf der Elbinsel Wilhelmsburg, wobei man sich diesmal auf einen Tag beschränkte. Das Konzept, nur Bands aus Hamburg oder unmittelbarer Umgebung auftreten zu lassen, musste diesmal leicht aufgeweicht werden, da die britischen Thrash-Metal-Veteranen VIRUS ins Billing rutschten. Dafür nimmt man so’ne kleine Kursabweichung doch gern in Kauf! Nach wie vor ist das Festival für Besucher komplett gratis und Verpflegung gibt’s zu überaus fairen Preisen – besser geht’s eigentlich gar nicht. Umso geiler, dass wir diesmal mit den DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS selbst nicht nur als Gäste dabei waren, sondern auch auf der Bühne standen! Den Opener KOUKOULOFORI verpasste ich zeitbedingt und von PARADOCKS bekam ich nur noch den Schluss mit, der u.a. aus ‘nem kompetent dargebotenen SCHLEIMKEIM-Cover bestand. Die TRÜMMERRATTEN folgten, anscheinend handelt es sich um eine noch junge Nachwuchsband. Die Jungs und das Mädel an den Drums begannen etwas holprig, steigerten sich jedoch schnell und zockten prima deutschsprachigen Punk, textlich am Puls der Zeit mit Bezügen zur momentanen Situation in Hamburg und dementsprechend angebrachtem Gewettere gegen Scholz und Konsorten. Der Hit allerdings war für mich der Song übers Schwarzfahren mit dem HVV. Jemand im Rattenkostüm tanzte ausgelassen bei herrlichstem Kaiserwetter vor der Bühne und kam bestimmt gut ins Schwitzen. Generell mangelte es nicht an interessiertem Publikum und ich hatte schon zu diesem frühen Zeitpunkt so richtig Spaß inne Backen! Nach den TRÜMMERRATTEN sollten wir ran, 18:15 Uhr war unsere Zeit, ‘ne Viertelstunde Umbauzeit war vorgesehen, die dank der perfekten Organisation mit stets bereitstehender zweiter Backline hinter der Bühne dicke ausreichte – und weil die vorherigen Bands anscheinend recht schnell ihre Sets durchgezockt und ihre halbstündigen Spielzeiten gar nicht ausgenutzt hatten, konnten wir’s sowohl locker angehen lassen als auch schon um 18:00 Uhr beginnen. Ein kurzer Soundcheck erwies sich als völlig ausreichend auf der großen, professionellen Bühne. Die Mikros waren allesamt kabellose Funkmikros, vornehm geht die Welt zugrunde! Ein Novum für mich, noch nie so’n Dingen vorher inner Hand gehabt – aber ist schon geil… Von Anfang an schien man Bock auf unsere Mucke zu haben, wenn auch viele ob der gleißenden Sonne lieber vom Schatten aus etwas entfernt von der Bühne ihren Blick auf selbige richteten. Ein paar Leute fanden sich dennoch vorne ein, schwangen die Gliedmaßen und grölten mit. Die Resonanz nach jedem Song war klasse und unser Sound dank des fähigen Verantwortlichen anscheinend auch sehr ordentlich. Großer Wermutstropfen indes, dass wir ohne Mike an der zweiten Gitarre auftreten mussten, dem die aktuellen privaten Umstände leider, aber verständlicherweise keine Teilnahme ermöglichten. Wo die zweite Klampfe überall fehlt, hören wir selbst aber vermutlich wesentlich stärker als der Pöbel heraus und wir haben letztlich das Beste draus gemacht. „Victim of Socialisation“ flog aus diversen Gründen – einer davon war die vermutete knappe Spielzeit – diesmal aus dem Set, dafür forderten die Pulvertoasties ihr „Waffelvibe“ und der Rest noch einmal „Elbdisharmonie“ als Zugabe. Damit endete unser Gig, mit dem wir zufrieden sein konnten. Der eine oder andere Verhacker war zwar wieder dabei, die groben Klöpse aber blieben aus. Trotzdem kann ich’s kaum erwarten, wieder in kompletter Besetzung zu spielen! Die LOSER YOUTH nach uns machte ihrem Namen keinerlei Ehre und bescherte der Veddel schnörkellosen, angepissten, aggressiven Hardcore-Punk mit deutschen Texten, vorgetragen von hysterischem Gesang. Gefällt! Dass es der Prophet im eigenen Lande nicht immer leicht hat, bewiesen danach ARRESTED DENIAL, jene Hamburger Streetpunk-Combo um Ex-THIS-BELIEF-Shouter Valentin, die nach allgemein abgefeiertem (und ja wirklich geilem) zweiten Album und erfolgreicher Balkan-Tour eigentlich das heimische Publikum zum Ausrasten bringen müsste, jedoch eher aus sicherer Entfernung beäugt wurde – trotz fähigem neuen Bassisten (nach SMALL-TOWN-RIOT-Timos mehrmonatigem Gastspiel) und einen makellosen Gig inkl. SMEGMA-Cover und manch anderer Auflockerung. Nicht falsch verstehen, der Mob war ja trotzdem da und es hat ihm ganz bestimmt auch gefallen, nur hätte man das auch gern der Band gegenüber stärker zum Ausdruck bringen dürfen. Und wo war eigentlich das rotbärtige Groupie? CONTRA REAL übernahmen und die mag ich ja, weil ich es zum einen immer faszinierend finde, wenn jemand Schlagzeug spielt und gleichzeitig singt und mir zum anderen die Kombination aus Hektik und eingängigen, fast hymnischen Refrains zusagt. Das Trio mit weiblicher Röhre und deutschen Kampftexten geht immer gut in Arme und Beine und ich sach mal: Wenn heutzutage Antifa-Parolen-Punk, dann so! Dann wurd’s ein bisschen traurig, weil der letzte Auftritt der Hamburger/Holsteiner Oldschool-Hardcore-Genialisten INSIDE JOB anstand. Da hat man doch tatsächlich wegen irgendwelcher Nebensächlichkeiten wie musikalischem Talent beschlossen, sich einfach so aufzulösen, glücklicherweise weder sang- noch klanglos, sondern mit einem krachenden Gewitter auf dem Elb-Tsunami! Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sah ich demnach ein letztes Mal die Herren mit vollem Körpereinsatz kurzknackige HC-Eruptionen raushämmern, was der Pöbel ihnen mit Mehreinsatz dankte. Mit INSIDE JOB hatte Hamburg ganz sicher eine der besten Bands dieser Subsubgattung anzubieten und es ist ein Jammer, dass es das gewesen sein soll. Auch mit PROBLEM KID soll schon wieder Schluss sein, jenem vielversprechenden Seitenprojekt mit Shouterin und INSIDE-JOBbern. Wie ich die Leute kenne bzw. einschätze, wird man sich aber schnell wieder zur einen oder anderen Krawallcombo zusammenfinden und ordentlich auf die Kacke hauen. Gut so! Meine Freundin hat mir netterweise noch ‘ne 7“ und das Fanzine vom Sänger besorgt, denn „niemals geht man so ganz, irgendwas von euch bleibt hier“, wusste seinerzeit so ähnlich schon Schlager-Shouterin Gitte. Bevor’s jetzt aber pathetisch wird, schnell ein paar Worte zu den RAZORS. Wenn mir meine Erinnerung keinen Streich spielt, war während INSIDE JOB so’n bischn Regen ausgebrochen, wie in Hamburg üblich, doch ein Großteil des Publikums erwies sich als Süßwassermatrosen und floh in die Trinkhalle (nenn‘ ich jetzt einfach mal so). Die HH-Altpunks RAZORS traten dann im Strömenden auf, erfreuten sich jedoch ungebrochener Beliebtheit und legten auch eine wirklich mitreißende Nummer aufs Parkett. So mancher aus der Band ist immer noch verdammt, ja, fast beneidenswert fit und vor allem – und das ist das Wichtigste – immer noch mit vollem Eifer bei der Sache, so dass man anscheinend sehr gerne mal auch solche Gigs einfach aus Spaß am Punkrock spielt, statt größere Gagen abzugreifen oder sich auf seinen Pionierstatus einen runterzuholen. Das Wetter trieb diverse Leute zusätzlich auf die Bühne und irgendwie hatte das alles den Anschein eines großen Familien- oder Freundestreffens, pünktlich zur untergehenden Sonne. Geil! THE ELIMINATORS sind nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Surfband, heißen (oder hießen?) eigentlich JOHNNY BLACKHEART & THE ELIMINATORS und bestehen aus einem in Deutschland gestrandeten Ex-GENERATOR(S) sowie dem umtriebigen Rolf (YARD BOMB, THRASHING PUMPGUNS, ex-SMALL-TOWN-RIOT), der sich extra etwas Haupthaar wachsen lief, um nicht mehr mit mir verwechselt zu werden (und natürlich weiteren Leuten). Ich glaub, die Band liegt immer mal auf Eis und wird dann zwischenzeitlich wieder reaktiviert und so anscheinend auch diesmal. Ferner glaub ich, die diesmal – weiß der Geier, warum – erst zum allerersten Mal live gesehen zu haben und was ich zu sehen und hören bekam, kickte mich hart, denn das war richtig geiler Oldschool-Rotz-HC-Punk US-amerikanischer Prägung. Auch deren 7“ wanderte dank der Lady in meinen Besitz über und, verdammt, das würd ich gern noch mal sehen, wenn ich nüchterner und fitter bin! Beides war ich erst recht nicht mehr bei VIRUS und der enorme Publikumszuspruch hat mich dann doch überrascht. Die Alben „Pray For War“ und „Force Recon“ hatte ich zwar irgendwann mal gehört, zu Begeisterungsstürmen konnte mich aber allgemein kein britischer Thrash Metal so richtig hinreißen – da hatten seinerzeit die Deutschen und die Amis einfach die Nase vorn. Als alter Thrasher hatte ich nach Punk in seinen unterschiedlichsten Variationen jetzt aber auch so richtig Bock auf ‘ne ordentliche Dosis fiesen Geriffes und da kamen mir Virus gerade recht. Und ich war nicht der einzige, der so dachte, denn es wurde richtiggehend voll und eng da vorne. VIRUS begrüßten ihr Publikum mit der Information, keine Punk- oder HC-Band zu sein, sondern Thrash zu zelebrieren, und ab ging’s. Der bärtige Glatzkopf an Leadklampfe und Gesang blickte grimmig drein und entfachte als einziges Urmitglied mit seinen drei neuen Mitstreitern ein wahres Thrash-Feuerwerk mit aggressivem Riffing, donnernden Drums, wütendem Gekeife und hin und wieder geilem Doppel-Lead-Metal-Gefiedel, das live in dieser Kombination so richtig knallte, dem zweiten Gitarristen mit den Wuschelhaaren gerade auch ob des durchdrehenden Mobs augenscheinlich viel Spaß machte und mir als mittlerweile gut alkoholisiertem, äh, „Bangmoshpoger“ manch Lädierung durch andere sich anscheinend nicht mehr ganz unter Kontrolle habende, von der Mucke Aufgestachelte einbrachte. Es hat sich aber gelohnt, denn VIRUS war nicht nur das Tüpfelchen auf dem I, sondern der krönende Abschluss eines arschgeilen, stilistisch abwechslungsreichen Festivals, auf dem mich wirklich JEDE Band, die ich sah und hörte, überzeugte und es erscheint mir fast unverständlich, dass bei so einer Sause für umme nicht schlichtweg jeder Hamburger, der mit dieser Musik und Kultur etwas anfangen kann, anzutreffen war! Ich verneige mich in Ehrfurcht vor allen, die das ELB-TSUNAMI ermöglicht haben, bedanke mich noch mal höflich für die Einladung (und das Freibier satt!), und würde mich freuen, nächstes Jahr mit BOLANOW BRAWL dabei zu sein!
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