Günnis Reviews

Autor: Günni (page 92 of 107)

POLICE SHIT – GEGEN EUCH AUS PRINZIP CD

(www.contra-net.com) / (www.elb-power-records.com)

Oh mein Gott, neues von POLICE SHIT… das bedeutet Uffta-Oi!-Punk der groben Gangart mit derbem Grölgesang aus dem Osten der Republik. In den vor Klischees nur so triefenden Texten beweisen die Jungs in stellenweise holperigen Reimen ihr eher simples Weltbild, bei dem sich fast alles um ihr Selbstverständnis als Oi!-Punks dreht – also gegen Nazis, Kommunisten, Hippies (alles gleich im ersten Song!), „verlauste Zecken“ und natürlich die Gesellschaft. Lyrisch ist das so was von abgedroschen bis einfach nur schlecht (beispielsweise der Anti-Veganer Song – und das sag’ ich als Fleischfresser), ich kann’s echt nicht mehr hören. Mit etwas Geschick kann man so was auch halbwegs geistreich, mit ’nem gewissen Witz oder sonst wie ansprechend verpacken, POLICE SHIT können dies leider nicht. Stattdessen geht’s weiter mit ’nem folgerichtig „Oi! II“ betitelten Song, „ein Oi! auf uns, die Faust für euch“, bla bla bla… Wie kann man sich nur so sehr selbst beschränken und in seinen eigenen Klischees fest- und verfahren?! So sehr vieles davon im Prinzip auch stimmen mag, so wenig besteht Anlass, das ständig auf diese Weise wiederzukäuen. Abgemischt wurde das Ganze sehr basslastig, einige Songs kommen sehr schleppend daher, andere verfügen über paar Knüppelparts. Der eine Gitarrist schrubbt sich einen ab, während sich der andere um ein paar Melodien bemüht, die die Songs eingängig und verdaulich machen sollen, was mal mehr, mal weniger gelingt. Letztendlich retten aber auch Klavierintros und ein Song wie „Polizist“, der tatsächlich mal ansatzweise über so was wie Witz und Einfallsreichtum verfügt, die Platte nicht mehr aus dem deutschen Klischee-Oi!-Sumpf. Die Texte kann man im reichlich bebilderten Booklet nachlesen, elf Songs in 41 Minuten. 4-. Günni

VERLORENE JUNGS – …FÜR EIN STÜCK LEBEN CD

(www.sunnybastards.de) / (www.verlorenejungs.de)

Ein neues VERLORENE-JUNGS-Album ist immer etwas Besonderes. Daher habe ich beschlossen, die Veröffentlichung des sechsten Longplayers der Band aus dem Ruhrpott durch dieses Special zu würdigen.

Seit Erscheinen des ersten Albums „Einer von uns“ im Jahre 1997 hat sich die Band stetig weiterentwickelt. War „Einer von uns“ noch ein klassisches Oi!-Album mit starkem Skinhead-Bezug, verließ man mehr und mehr den eng gesteckten Oi!-Rahmen, sowohl in musikalischer als auch in textlicher Hinsicht, was sich vor allem in zunehmend persönlichen, nachdenklichen Texten äußerte und sich schließlich in der Verstärkung durch den zweiten Gitarristen „Schwefel“ manifestierte, der ab dem vierten Album „Ungeliebt“ aus dem Jahr 2003 die Band in eine neue musikalische Richtung hin zu mehr Experimentierfreudigkeit steuerte und neue Einflüsse einbrachte. Diese „natürliche“, also nicht fremdgesteuerte oder aus kommerziellen Gründen heraus entstandene Weiterentwicklung zu beobachten, hat mir immer großen Spaß gemacht, ebenso die Reaktionen auf selbige. Während sich einige Oi!-Punk-Puristen von der Band abwandten, mussten andere eingestehen, positiv überrascht worden zu sein und festgefahrene Denkstrukturen überdenken – sofern sie dazu fähig waren. Natürlich gab und gibt es immer selbsternannte Szenepäpste, die lieber tot umfallen würden, als zuzugeben, sich geirrt oder dazugelernt zu haben – aber ganz ohne wär’s ja auch irgendwie langweilig, oder? So erspielte man sich im Laufe der Zeit ein breiter gefächertes Publikum als zu Anfangstagen und entwuchs der „Oi!-Punk“-Schublade nach und nach, ohne seine Markenzeichen abzulegen: Authentizität, lyrisches Geschick, kompromisslose Texte, Pathos und Peters markanter Gesang.

Ich verfolge die Veröffentlichungen der VERLORENEN JUNGS bereits seit der ersten Platte und hatte nie das Gefühl, dass die Band sich oder ihre Ideale verraten hätte, faule Kompromisse eingegangen wäre oder sich von ihrem Publikum entfernt hätte – ganz im Gegenteil. Die aus dem Leben gegriffenen Texte von Sänger Peter wirken noch genauso ehrlich und authentisch wie auf dem ersten Album, die Entwicklung verlief glaubwürdig und nachvollziehbar. Die Position, die die VERLORENEN JUNGS heute in der deutschen Underground-Musikszene einnehmen, haben sie sich hart erkämpft und erarbeitet, ohne sich jemals untreu geworden zu sein. Darüber legt auch das neue Album „…für ein Stück Leben“ Zeugnis ab, das ich nachstehend Song für Song sezieren werde. Hierbei ließ ich meine eigenen Interpretationen der Songs einfließen, die natürlich keinerlei Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben:

(ICH WEISS NICH’) WOHIN
Das Album wird eröffnet mit einem nachdenklichen Song über die verzweifelte Suche nach einer besseren Welt, die es nicht zu geben scheint und stellt quasi den Ausgangspunkt für alle weiteren Songs dar, die von persönlichen Erfahrungen im Hier und Jetzt und die entsprechenden Reaktionen auf sie handeln. Peters Gesang wirkt wütend und verletzlich, fast, aber eben nur fast resignierend; Metaphoriken wie „eine handvoll Menschenrechte hängen wie gebrochene Flügel“ unterstreichen die getragene Stimmung. Die musikalische Umsetzung erfolgt durch eine clean gespielte Gitarre in den Strophen, die passend zum Aufschrei im Refrain verzerrt wird. Sehr guter Opener.

AUSEINANDERGELEBT
Zweiminütiger, wütender Kracher über eine sich in einer Sackgasse befindende Beziehung, der so auch gut zu den ersten beiden Songs auf der Split mit SOKO DURST („Schluss und aus“ und „Das letzte Mal“) gepasst hätte. Wenn man sich nichts mehr zu sagen hat und sich emotional verschließt („…und die scheiß Arroganz nur vermeintlich überlegen“), wartet man nur noch darauf, dass einer von beiden die Notbremse zieht und einen Schlussstrich zieht. Rockige Riffs unterstreichen den fatalistischen Charakter. Großartiger, desillusionierender Song.

DIE LIEBE DEINER KINDER
Zynisch-fiese Abrechnung mit Leuten, die bei aller vermeintlicher Überlegenheit vergessen, dass sie so unangreifbar letztlich doch nicht sind – z.B. dann nicht, wenn was sie am meisten lieben sich mehr zum Kontrahenten hingezogen fühlt. Zwischenmenschliche Beziehungen lassen sich eben nur schwer kontrollieren. „Kann schon sein, es klingt für dich dreckig und gemein“ – ebenso wie dieser Song.

OHNE MICH
Einer meiner Favoriten dieses Albums. Ein Song über die Zwänge dieses Lebens, dieses Systems, das einen zu vereinnahmen und zu einem Teil seiner Selbst zu machen versucht. Genial gelöst ist der stattfindende Dialog zwischen der großartigen Bridge, in der Peters Stimme verzerrt auf ihn einredet, bis er im Refrain die einzig richtige Antwort gibt: „Ohne mich!“ Im ersten Teil des Songs wurden bei mir Erinnerungen an den einen oder anderen gesellschaftskritischen ONKELZ-Song wach, im zweiten Teil an textliche fitte deutsche Punkbands. Musikalisch wie gesanglich hervorragend umgesetzt.

FREUNDSCHAFT IST
Wunderschöne Hymne an die Freundschaft. Sentimentale Strophen und ein Refrain, der zum Mitsingen aus voller Kehle einlädt.

UNZERSTÖRBAR
Es gibt Phasen im Leben, in denen man trotz aller Rückschläge und negativer Erfahrungen nicht unterzukriegen ist, stattdessen sogar seine Kraft und Energie aus ihnen zieht. Hat man einen Partner gefunden, dem es ähnlich geht, gibt das dem Selbstbewusstsein einen zusätzlichen Kick und die Kraft des Einzelnen wird um ein vielfaches potenziert. Straighte Punkrocknummer.

GEH LOS
Durch die Texte der VERLORENEN JUNGS zieht sich ein gewisser Fatalismus, ein Aufruf zu konsequentem Handeln, zum Hören auf seine Zweifel anstelle von völliger Selbstaufgabe und emotionaler Abhängigkeit, gerade im Zwischenmenschlichen Bereich. „Nimm die Beine in die Hand, lauf so schnell du kannst“, wenn es abermals heißt „er hat noch eine Chance verdient“ oder „sie denkt darüber nach, sie ist noch nicht soweit“. Dieser Song schlägt dir die rosarote Brille von der Nase.

KINDERAUGEN
Premiere! Dieses ist einer der Songs, der für am meisten Aufmerksamkeit bei den Hörern sorgen und verdammt polarisieren dürfte. Musikalisch sphärisch, mit poppigem Drumbeat und – jetzt kommt’s – klarem Gesang! Peter verzichtet hier erstmals komplett auf den Dreck in seiner Stimme und versucht, „richtig“ zu singen! Das gab’s noch nie und ist – zugegeben – gewöhnungsbedürftig. Und erst der Text: Übers Vaterglück. Einfach nur sentimental und schön, ohne Wut, Verzweiflung oder gar Zynismus. Und am Ende singt Schwefels Tochter sogar noch den Refrain. Haha, das dürfte für Manche schockierender sein als der schlimmste Punkrock-Text. Ich wusste zunächst nicht, was ich davon halten sollte, aber nach zwei, drei mal Hören übermannte mich der Charme dieses Songs einfach. Dazu beigetragen dürften vor allem der tolle Hintergrundgesang und die gelungene musikalische Umsetzung irgendwo zwischen TIGER-ARMY-Schnulze und emotionaler Indie-Ballade haben.

ICH GLAUBTE DIR
Wer in seinem Leben mal die Erfahrung machen musste, wie hässlich ein einst als so schön empfundener Mensch plötzlich wirken kann, wenn er das ihm entgegengebrachte Vertrauen missbraucht und auf deiner Seele herumgetrappelt hat, weiß, wie oberflächlich und bedeutungslos äußere Schönheit sein kann. „Ich hab’ dein wahres Ich gesehen – Jetzt bist du hässlich, wenn du lachst, hässlich, wenn du weinst ….“ Musikalisch und textlich erste Sahne – und als Sahnehäubchen griff man auf Zitat-Samples aus dem „Ungeliebt“-Album zurück.

MANCHMAL IN DER NACHT
Für dieses Stück hat Peter erneut, wie seinerzeit bei „Dein schwerster Gegner“, die Knastthematik aufgegriffen. Auch hier wieder eine clean gespielte Gitarre unter einer feinen, ergreifenden Melodie, die sehr gut die unendliche Sehnsucht nach Freiheit musikalisch untermalt. Klasse Song mit einem Wermutstropfen: Der Hintergrundgesang beim Refrain ist leider zu leise.

NICHTS VON ALLEDEM
Mein zweiter absoluter Favorit dieses Albums. Ein Song über späte Rache, lässig-abgeklärt mit sentimentalem Unterton auf einer stampfenden Melodie vorgetragen. Höhepunkt des Songs sind der Chor und der Bläsereinsatz nach dem letzten Refrain. Für mich eine Art geheimer Hit.

SO VIEL MEHR
Nicht bei jeder Trennung hat man sich so sehr „AUSEINANDERGELEBT“, dass man sich nichts mehr zu sagen hätte. Manchmal hat man noch unendlich viel auf dem Herzen, findet aber keine passende Situation oder schlicht nicht den Mut, es auszusprechen. Langsamer, gefühlvoller, ruhiger Song ohne verzerrte Gitarre oder dergleichen. Die zweite wirklich große Überraschung dieses Albums. Allerdings scheint dort nicht Peter zu singen…? Gelungen!

00:52
Kurz, pogotauglich, auf den Punkt gebracht: Kontrastprogramm zum vorherigen Song. Vier Zeilen Text reichen manchmal einfach, dann wird’s eben nonverbal. „Wenn du’s brauchst“… Auf jeden Fall brauche ich diesen Song auf diesem Album.

SCHEMA F
Es muss doch auch einen Song geben, der mir überhaupt nicht gefällt, oder? Richtig, hier ist er. Leider hat man sich anscheinend nicht dazu durchringen können, das Album mit einem der beiden vorigen Songs abzuschließen, die meines Erachtens beide bestens dazu geeignet gewesen wären. Stattdessen übertreibt man’s mit der Experimentierfreude und kreiert einen textlich zwar gewohnt guten, ansonsten aber schwer nervenden monotonen Song im NDW-Stil mit Elektronikeinflüssen. Passt weder zur Band noch aufs Album und wirkt im Gegensatz zu den anderen für VJ bisher untypischen Songs tatsächlich fehl am Platz.

AN MEINEN GRAB (Bonus-Track)
Nur auf der limitierten Edition der CD befindet sich dieser OHL-Coversong. Wusste gar nicht, dass OHL mal so gute, traurige Songs geschrieben haben. Dieser Song ist wie geschaffen für eine Veredelung durch die VERLORENEN JUNGS – Groß!

Ich muss zugeben, dass ich nach dem ersten Hören des neuen VERLORENE-JUNGS-Werks skeptisch war. Das liegt daran, dass die Band mit der Erwartungshaltung der Hörer bricht, statt Altbekanntes, vermeintlich Bewährtes wiederzukäuen und sich selbst zu kopieren. Dieses Album gewinnt mit mehrmaligem Hören an Größe, es wächst nach und nach zu einem wirklich verdammt guten und ausgereiften Werk heran, das sich in den Gehörgängen, im Hirn und im Herzen festsetzt und seinen Platz dort bis an die Zähne mit tollen, emotionalen Texten und abwechslungsreicher Musik bewaffnet verteidigt. Dieses Album wird mit Sicherheit alte Fans verprellen, aber dafür auch jede Menge neue dazugewinnen.

Zur Aufmachung der CD: Es gibt zwei verschiedene Versionen. Beiden gemeinsam ist das liebevoll gestaltete, stilistisch ansprechende Booklet mit vielen Fotos, allen Texten und Wendecover. Die auf 1000 Exemplare limitierte Edition hat neben dem OHL-Bonussong und einem witzigen „Making Of“-Video einen VJ-Metall-Pin im durchsichtigen Tray und als absoluten Knaller einem „Lentikularcover“. Das sind diese Bilder, die, je nachdem, in welchem Winkel man sie hält, etwas anderes darstellen. Man kennt so was häufiger (allerdings nicht als Plattencover) mit zwei Bildern, in diesem Fall liegen aber gleich VIER Bilder übereinander – meines Wissens noch nie dagewesen!

Fazit. Hochinteressantes und –qualitatives Album mit viel Liebe zum Detail, das seinen vollen Glanz erst nach mehrmaligem Hören entfaltet.

Die für Crazy United obligatorische Note:
2
Günni

SUSANNE EL-NAWAB – SKINHEADS, GOTHICS, ROCKABILLIES – GEWALT, TOD & ROCK’N’ROLL

(www.jugendkulturen.de)

el-nawab, susanne - skinheads, gothics, rockabilliesUnd ein weiteres Buch über Subkulturen, ein weiteres Buch über Skinheads… derer Autorin El-Nawab bereits zwei verfasst hat, die ich beide nicht kenne. Über Rocka-/Psychobillies hat sie auch schon was veröffentlicht und ich frage mich ehrlich gesagt, ob es nicht langweilig wird, immer wieder über das gleiche zu schreiben und worin die großen inhaltlichen Unterschiede bestehen sollen…? In jedem Fall kommt dieser ca. 370 Seiten starke Schmöker mit festem Einband und hochwertigem Papier ziemlich edel daher, was sich allerdings auch im Preis von 28,- Talern niederschlägt. Außerdem enthält der Band viele Fotografien, wobei die Skinheads mit z. T. verdammt üblen „Gürtel+Hosenträger“-Fotos etc. am Schlechtesten wegkommen. Zum Inhaltlichen: Erstmal gilt es, sich durch die vor wissenschaftlichen Fachtermini und Fußnoten nur so strotzende Einleitung zu boxen, die mich beinahe dazu veranlasst hätte, das Buch zur Seite zu legen und nicht mehr anzurühren. Eigentlich kann man sich den Part aber auch getrost sparen und damit einsteigen, worum es eigentlich geht: Aus allen drei Subkulturen wurden jeweils zehn (oder so) Angehörige (aus Deutschland, wohlgemerkt) durch die Autorin, die mehrfach betont, sich selbst auch aus privatem Interesse seit etlichen Jahren in subkulturellen Kreisen zu bewegen, befragt, um einen Gesamteindruck von ihnen und damit von der jeweiligen Szene zu gewinnen. Die Fragen und Antworten werden allerdings eher selten direkt wiedergegeben als mehr in ein durch die Autorin möglichst neutral gehaltenes Profil des jeweiligen Interviewpartners umgeschrieben, das anschließend durch die Autorin kommentiert und bewertet wird. Dies ist zwar einerseits, wie El-Nawab auch ganz richtig feststellte, die einzige vernünftige Möglichkeit, einen wirklich authentischen Einblick in Subkulturen zu bekommen, bietet andererseits dennoch die Möglichkeit der Manipulation durch tendenziöse und/oder provokante Fragestellungen, die die Gespräche in eine bestimmte Richtung lenken sollen oder durch die persönliche Gewichtung der Antworten durch die Autorin beim Erstellen der Profile der Befragten – was ich El-Nawab aber nicht unterstelle. Die Skinheads erzählen mal mehr, mal weniger Schwachsinn, ziemlich durchwachsen, das Ganze. Für die anschließende Bewertung sind diese zehn Befragten aber einfach zu wenig (repräsentativ). Dafür ist die Szene viel zu breitgefächert, als dass sie durch die Autorin nach zehn Gesprächen mit deutschen Skinheads und der Angabe lächerlich weniger, stellenweise falsch zitierter Songtexte beurteilt werden könnte. So werden die sozial- und gesellschaftskritischen Texte vieler Oi!-Bands komplett ausgeklammert, Hardcore findet so gut wie gar nicht Erwähnung etc. pp. Erwartungsgemäß werden den Skinheads auch am wenigsten Seiten im Buch zur Verfügung gestellt. Stattdessen wieder das heutzutage moderne Geseiere über den angeblichen Sexismus in der Szene und die „homo-erotischen“ Anhaltspunkte, bla bla bla… Die nicht-rechte Skinhead-Szene ist, so wie ich sie wahrnehme, besonders verglichen mit dem, was anschließend die Knochenlutscher und Schmalzlocken vom Stapel lassen, zwar „prollig“, aber nicht unbedingt sexistisch ausgerichtet. Wenn überhaupt kommt es durch den gewaltigen Männerüberschuss zu einem „umgekehrtem Sexismus“, d. h., die Mädels werden besonders hofiert etc. Dass es nichts mit Sexismus zu tun hat, über Sex zu singen (und das auch noch häufig selbstironisch) oder sich nicht künstlich „unmännlich“ zu geben, werden einige vermutlich nie kapieren. Übrigens: Nicht „American History X“ wurde in s/w gedreht, sondern „Oi! Warning“. Aber ich will nicht kleinlich werden. Die Gothics, denen der größte Teil des Buches gewidmet wurde, bestätigen viele meiner Vorurteile durch ihre Begeisterung für irgendwelchen Esoterik-Quatsch und andere Hippiescheiße, ihre Oberflächlichkeit in Bezug auf Klamotten und Styling und ihre zum Teil ausgeprägte Weltfremdheit. Trotzdem sind auch hier fitte Leute mit vernünftigen Aussagen und Einstellungen vertreten; halt ebenfalls recht durchwachsen. Großen Wert legte El-Nawab offensichtlich auf die Konfrontation der Interviewten mit rechtsradikalen Einflüssen und Tendenzen in der Szene, wobei die Antworten oft sehr gleichgültig ausfielen. Dafür hat sie selbst umso mehr Hintergrundinformationen diesbzgl. in das Buch eingearbeitet, da ihr die weit verbreitete Ignoranz sehr zu schaffen zu machen scheint. Die Rockabillies schießen letztendlich allerdings den Vogel ab: Verklärter Retro-Kult und spießig hoch zehn, sofern die meisten der Profile repräsentativ für die Szene sein sollten. Keine Ahnung, was das alles noch mit der ursprünglichen Rebellion der Jugendlichen in den 50ern zu tun haben soll. Dies erkennt allerdings auch die Autorin und benennt diese Widersprüchlichkeit. Vor lauter Geilheit auf das Thema „Sexismus“ vergisst die Autorin allerdings, angemessen auf einige verdammt bedenkliche Aussagen zum Thema Militär und Zweiter Weltkrieg einzugehen. Alles in allem fällt beim Lesen des Buches auf, dass die meisten Befragten nicht mal halb so rebellisch und anders sind, wie sie es entweder vorgeben zu sein (sofern sie sich überhaupt als „Rebellen“ sehen) oder wie sie von außen betrachtet werden, sobald es um (gesamtgesellschaftlichte) Themen geht, die den eng gesteckten subkulturellen Rahmen übersteigen. Inwieweit dieses Werk tatsächlich als ernstzunehmende Studie taugt, vermag ich nicht zu beurteilen. Positiv hervorheben möchte ich allerdings, dass die Autorin verdammt gut den Stellenwert der Medien und deren Wechselwirkung mit der jeweiligen Subkultur, insbesondere der der Skinheads, in Bezug auf ihre Entwicklung herausgearbeitet und formuliert hat. Rein formell gibt’s neben der Einleitung in schlimmstem Fachchinesisch ein paar – trotz aller Fußnoten, haha – nicht erläuterte szenetypische Begriffe und die nicht immer gewahrte Form in Hinsicht die typographische Darstellung von Eigennamen etc. zu kritisieren. Den Skinhead-Part empfand ich als überflüssig, die anderen beiden interessant über (Vor)Urteile bestätigend bis desillusionierend. Günni

HEITER BIS WOLKIG / DIE ROTEN RATTEN – AUFERSTANDEN AUS RUINEN / NICHTSALSROCKEN CD

(www.weserlabel.de) / (heiterbiswolkig.com) / (roteratten.de)

Genauso wenig, wie man sich hier auf einen Bandnamen oder auf einen Albumtitel einigen konnte, erschließt sich mir der Sinn bzw. Witz des Ganzen. HbW waren zwar schon immer etwas durchwachsen… aber wenn ich da an alte „Terroristen“-Zeiten oder an geniale Songs wie „Killer-Clowns“ denke, erfüllt es mich doch mit Wehmut, diese Scheibe rezensieren zu müssen. Die ist nämlich absolut unlustig, flach und belanglos. Der Biss ist weg und musste austauschbaren, albernen Phrasen weichen. Ein paar alte Songs nahm man neu auf und ich frage mich, was es soll, eine Hymne wie die „Ballade von den Seeräubern“ (BRECHT) so kraftlos vorzutragen und zu verhunzen. Gecovert werden JOINT VENTURE mit „Holland“, womit man natürlich auf der sicheren Seite ist. Damit kann man nun glücklicherweise nicht viel falsch machen. Vielleicht hätte man sich bei Widmann & Co. mehr Inspiration holen sollen, was das Schreiben witziger bis sarkastischer Texte betrifft. So geht mir die Scheibe ziemlich am Arsch vorbei. Booklet kommt mit einigen Texten. 22 Songs in 67 Minuten, davon einige aber doppelt in verschiedenen Aufnahmen. 5. Günni

SMELLY CAPS – S/T CD

(www.smellycaps.de)

Treibender Punkrock mit einigen Schweinerock- und Punk’n’Roll-Einflüssen von ein paar alten Hasen, die vorher schon in Bands wie den BOSKOPS, den ABSTÜRZENDEN BRIEFTAUBEN etc. ihr Unwesen trieben. Komplett in englischer Sprache mit paar Hits und netten Melodien, der raue Gesang könnte bischn rotziger sein. Reißt mich nicht völlig vom Hocker, geht aber auf jeden Fall klar, die Scheibe. Leider macht die Aufmachung nicht viel her: Faltblatt ohne Texte statt richtigem Booklet und hässliches Cover. Laut Info-Wisch übrigens „einfach sympathische Menschen!“ Na dann… Zwölf Songs in 35 Minuten, Anspieltipp: „Gone“. 3. Günni

STRAWBERRY BLONDES – RISE UP CD

(www.deckcheese.com) / (www.myspace.com/strawberryblondes)

Hahaha, wie geil! Dreister RANCID-Rip-Off (inkl. geklauten „Yeahs“) aus England, der aber so dermaßen Laune macht, dass er absolut seine Existenzberechtigung hat. Oberfette Produktion, oberfette Chöre, größtenteils textlich das volle Klischee-Brett, die reinste Punkrock-Party also! Oder ist das gar eine Art Tribut bekannter Musiker, die hier unter Pseudonymen agieren? Egal. Kann ich bedenkenlos allen Freundes des RANCID-Sounds bzw. der Bands, die diesen beeinflusst haben bzw. der Bands, die dieser beeinflusst hat, ans Herz legen! 13 Songs inkl. eines Remixes von „Mr. Punk Rock Movie“ Don Letts in 31 Minuten, Booklet kommt mit allen Texten. Anspieltipp: alle! 2. Günni

SPARMARKT-TERRORISTEN – SPIEL, SPASS UND FLUGZEUGBENZIN CD

(www.sm-t.de.vu)

Diese vermutlich noch recht junge Band mit dem hochgradig kindischen Namen stammt aus Bischofswerda in Sachsen und versucht sich auf diesem D.I.Y.-Album an schnörkellosem deutschsprachigem Punkrock. Die Aufnahme ist eher Lo-Fi, musikalisch holpert’s aber weniger, dafür umso mehr textlich: Die thematisch üblichen Ergüsse inkl. des obligatorischen Anti-Nazi-Songs kommen selten ohne erzwungene Reime aus und sind zum Teil dann doch eher ein Griff ins Klo… allerdings nie so schlimm wie so Manches, was ich mir hier schon antun musste. Ich denke schon, dass da ein gewisses Potential vorhanden ist und will hier niemanden entmutigen. Das farbige Booklet hat man sehr liebevoll gestaltet, jeder abgedruckte Text wurde mit passenden Bildern unterlegt. Allerdings hätte man das mal korrekturlesen sollen, denn es strotzt nur so vor Fehlern. Außerdem vergaß man offensichtlich, einen Schnittrand einzuplanen, wodurch einige Texte am Rand beschnitten wurden. Also, Jungs: Weiter üben und an den Texten feilen, mal über einen Namenwechsel nachdenken und dann noch mal wiederkommen. Dem Album liegt übrigens ein Aufkleber bei. 16 Songs inkl. KNOCHENFABRIK-Coverversion („Filmriss“) in 54 Minuten. 4. Günni

RADIO BADLAND NR. 28 – SEPTEMBER 2007 CD-R

(www.radiobadland.de)

RADIO BADLAND und kein Ende – so soll es sein! Die „Rockshow im Bürgerfunk bei Radio WMW“ war wieder auf Sendung und füllte eine knappe Stunde mit Mucke von den FLATLINERS, BROILERS, TURBOSTAAT, EVIL CONDUCT, MUFF POTTER, THE TOASTERS u.v.m. Außerdem hielt man den Konzertveranstaltern „Turbodisco“ (Vreden) das Mikro hin, ließ diese ihr Konzept vorstellen und quetschte sie ordentlich aus. Wie immer ’ne gelungene, kurzweilige Sendung. Passt! Günni

BRENNENDE LANGEWEILE – BORED TEENAGERS DVD

(www.sunnybastards.de)

Wolfgang Büld, in Subkulturkreisen bekannt durch und respektiert für seine Dokumentarfilme „Punk in London“ und „Punk in England“, drehte 1978 dieses im Rhein/Ruhr-Gebiet spielende Szene-Filmchen fürs TV um die Deutschland-Tour der ADVERTS, dessen Rahmenhandlung von einem jugendlichen Pärchen (sie Friseuse, er arbeitslos) erzählt, das den Weg der Band kreuzt. Die Handlung im Groben: Die ADVERTS kommen auf Tour, das Pärchen ist gelangweilt (sie von ihm, er von seinem Leben), man besucht ein ADVERTS-Konzert, lernt die Band samt Anhang persönlich kennen, er ist scharf auf Bassistin Gaye, sie bumst den Roadie. Klar, dass es sich hier um einen absoluten B-Movie handelt, dessen Akteure mit Schauspielerei nicht viel am Hut haben. So hat die Hauptdarstellerin („Karin“) das Temperament einer Schlaftablette und scheint permanent auf Valium zu sein. Der Rolle des „Peter“ bläute man vermutlich ein, er solle stets so gelangweilt wie möglich tun, wodurch er eine völlig aufgesetzt wirkende, affektiert-nölige Sprechweise an den Tag legt, die stellenweise verdammt schwul daherkommt, haha. Allgemein strotzt der Film nur so vor unfreiwilliger Komik – z.B. wenn Prinzessin Valium an Gayes Bass herumzupft und „Looking Through The Gary Gilmore’s Eyes“ vor sich hin „singt“; Ganz zu schweigen vom Anfang mit dem Hippie und dem rowdyhaften Verhalten des Schnauzbartträgers – Trashalarm! Aber kommen wir zu den positiven Seiten des Films: Die ADVERTS verleihen dem Ganzen eine Menge (und nötigen) Pepp und die zahlreichen Live-Aufnahmen sind über jeden Zweifel erhaben. Deren (deutsch untertitelte) Dialoge sind bestimmt von britischem Humor und Spitzen gegen Deutschland („better luck for the next war“) und wirken weitaus weniger gekünstelt – was wahrscheinlich daran liegt, dass man der Band Gratis-Bier und Raum und zur Improvisation gab. Ebenfalls überaus gelungen ist die realitätsgetreue Darstellung deutscher Beamter (Zoll und „Freunde und Helfer“), die, anstatt in Notsituationen zu helfen, auf Paragraphen herumreiten und den ADVERTS Steine in den Weg legen. Witzige Einfälle beweist der Film außerdem bei schrägen Charakteren wie dem Lokaljournalisten mit seinem dummen Fragen und vor allem seiner oscarreifen Tanzeinlage, dem Promoter, der Schwierigkeiten hat, ein Hotel für die Band zu finden oder der Tussi, die nicht zum Konzert mitkommt, ohne sich vorher so richtig aufzudonnern, allerdings keinen Schimmer hat, wer überhaupt die ADVERTS sind. Schwächen weist der Film hingegen eindeutig bei der Handlung auf: Angedachte Handlungsstränge werden nicht fortgeführt (wohl auch auf Wirken der Band hin, s. Interview im Booklet) und man vermisst so etwas wie ein Schlusspointe. [Achtung, Spoiler!] Nachdem Karin sich vom Roadie vernaschen ließ, finden sie und Peter am Ende des Films wieder zusammen, als ob nichts vorgefallen wäre… jaja, die wilden Siebziger, oder was? Da hätte ich dann schon etwas mehr erwartet. Letztendlich bleibt ein halbdokumentarisches, sympathisches Zeitdokument mit viel Zeitkolorit, authentischen Aufnahmen einer 77er-Punkband, Komik und Charme, das mir viel Spaß bereitete. Nachdem der Film lange Zeit nicht erhältlich war (nie auf VHS erschienen), nahm sich Sunny Bastards seiner an, restaurierte das Material, drehte eigenes Bonusmaterial in Form von ausführlichen Interviews mit Regisseur Büld und bannte es zusammen mit Trailern und Bildern vom Set auf DVD, die außerdem ein zwölfseitiges Booklet mit ADVERTS-Historie und Interview mit Sänger TV SMITH enthält. Also wieder eine äußerst liebevolle Veröffentlichung des sympathischen Labels. Wie es zu dieser kam, lässt sich übrigens prima im offiziellen Forum unter http://www.punkboard.de/pb/thread.php?threadid=4347 nachvollziehen. Ironischerweise stellte sich das ZDF jahrelang bzgl. der Bereitstellung des Materials quer, um es kurz vor Veröffentlichung der DVD zum ersten Mal seit Jahren wieder auszustrahlen. Ein weiterer guter Grund, seine Glotze bei der GEZ abzumelden… Günni

TAUGENIX #2

(www.taugenix-fanzine.de)

Das erklärte Deutschpunk-Kampfblatt, dessen Debüt ich als „entweder NIX-GUT-Katalog mit Fanzine-Seiten oder Fanzine mit NIX-GUT-Katalog-Seiten“ bezeichnete, geht in zweite Runde. Noch immer finde ich es sehr verdächtig, sich so dermaßen auf „Deutschpunk“ zu versteifen und gleichzeitig von Jürgen „mir schwillt der“ Kamm herausgegeben zu werden, der mit seinem NIX-GUT-Label jede mögliche und unmögliche Kellercombo, die halbwegs unserer Muttersprache mächtig ist, veröffentlicht. Roch mir die Erstausgabe noch sehr nach Hype der labeleigenen Produktionen, verschob sich hier der Inhalt etwas zugunsten von beispielsweise Interviews mit BELA B. und Atze von den TROOPERS, die ich recht gelungen finde, wobei Erstgenannter stellenweise schon ziemlichen Stuss von sich gibt und mich zwischenzeitliche Bierbestellungen in einem ohnehin gekürzten Interview nun wirklich einen Scheiß interessieren. Gar nicht so scheiße sind auch die ausführlichen Vorstellungen der auf der CD-Beilage enthaltenen Bands sowie der diesmal wirklich gute Artikel über Punk in der DDR. Etwas wirr erscheint mir die eine oder andere Kolumne, insbesondere die von Mad Jazz Morales (IRRENOFFENSIVE), wobei dieser Effekt in seinem Falle vermutlich beabsichtigt war. Mitunter ganz schön pubertärer Humor für so einen alten Mann, haha. Interessant ist sicherlich auch das Interview mit Torte, einem schwulen Punk in eben seiner Eigenschaft als solcher. Gefallen fanden auch der zweite der beiden G8-Berichte sowie die Kolumne vom Rentnerpunk. Überhaupt scheint mir in dieser Ausgabe mehr Wert auf Informatives aus dem politischen Bereich gelegt worden zu sein. So gibt es eine Abhandlung über Nazis in der Tierrechtsszene und Aktuelles zur Köpi in Berlin, leider aber auch eine hippieske Predigt, die schon ganz richtig „Das Wort zum Sonntag“ betitelt wurde. Weitere Interviews wurden mit Messerfocke (wat’n Name) von LUSTFINGER und Turbotorben vom (R)OHRPOST-Zine geführt, deren Antworten ich mitunter etwas seltsam finde… was zur Hölle soll ein „Oi“ sein, lieber Torben? Als nach Meinung des Autors zu Unrecht in Vergessenheit geratene Band wird diesmal KONSUMTERROR ins Gedächtnis gerufen und Leserbriefe, ein Comic, einige Konzert- und Festivalberichte, Neuigkeiten und Termine fanden ihren Weg ins Heft – ebenso wieder gruselige Bands wie ZAUNPFAHL, völlig unkritische Reviews und peinlicher, kindischer Quatsch wie die grottige „Foto-Punk-Story“. Insgesamt eine deutliche Steigerung zur Erstausgabe, aber das ständige Überbetonen des (Un?)Wortes „Deutschpunk“ geht mir auf den Sack und für vieles fühle ich mich aber tatsächlich einfach zu alt mittlerweile… Kost’ übrigens 3 Taler, zumindest in Deutschland. Günni

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