pfäfflin, fritz - soundtrack eines sommersMenschen, die über ein Mindestmaß an Empfindsamkeit verfügen, neigen dazu, prägende Lebensabschnitte oder -ereignisse mit Songs in Verbindung zu bringen. Diese müssen inhaltlich gar nicht einmal zwingend dazu passen, sondern einfach zu jener Zeit präsent gewesen zu sein – ob bewusst oder unbewusst ausgewählt oder ohne eigenes Zutun dank medialer Omnipräsenz. Ertönt Jahre später solch ein Lied, ist sofort die Erinnerung oder ein bestimmtes Gefühl wie aus dem Nichts wieder wach. Es wird schwierig, einen solchen Song wieder anders im Unterbewusstsein zu verknüpfen, aber i.d.R. will man das auch gar nicht, schwelgt stattdessen in süßer oder bitterer Melancholie. Einer Reihe Beispiele für dieses Phänomen widmet sich das 2005 bei „Herder spektrum“ von Frank Schäfer („Metal Störies“) unter seinem Pseudonym Fritz Pfäfflin herausgegebene, ca. 190 Seiten starke Büchlein. Unterteilt in 16 Kapitel schreiben ebenso viele verschiedene Autoren ihre Erinnerungen auf, die sie mit bestimmten Songs quer durch unterschiedliche Genres verbinden. Das Spektrum reicht von der pubertären ersten Sommerliebe (sehr schön: Fritz Tietz – Alte Liebe) und schmerzhaften Verlusten im familiären Umfeld über das Entdecken bestimmter Musik, Partyerinnerungen, unerfüllte Erwartungen, juvenilen Sex, Reminiszenzen an eine Casting-Show und die damit verbundenen Dialoge zweier Freundinnen (ungewöhnlich, aber herausragend: Kerstin Grether – Candy und Mandy tun’s) bis hin zu Liebeserklärungen an lateinamerikanische Klänge und Hassbekundungen gegenüber Disco-Rhythmen. Frank Schäfer persönlich bedient die Abteilung des Härteren (THIN LZZY – Renegade), Ueli Bernays widmet sich in einer tragischen Geschichte der Homosexualität und Michael Quasthoff beschreibt aufs Köstlichste, jedoch nicht minder tragisch seine Konfrontation mit der Unterschicht und dem Punk der Band HANS-A-PLAST. Satiriker Oliver Maria Schmitt gibt ein fiktives Kapitel aus seinem (selbst-)ironischen Punk-Roman „Anarchoshnitzel schrieen sie“ zum Besten, bei dessen Genuss man noch einmal so richtig lachen kann. Inhaltliche Tragweite und Schreibstil schwanken selbstredend angesichts des Autoren-Potpourris, große Ereignisse reichen biographischen Randnotizen die Hand, bisweilen wird es gar inhaltlich nichtssagend, dafür jedoch stilistisch interessant. Als Strandlektüre im Warnemünder Kurzurlaub jedenfalls habe ich „Soundtrack eines Sommers“ genossen und ich bin geneigt, eine Playlist aller genannten Songs zusammenzustellen – wenngleich diese sicherlich nicht Soundtrack meines Sommers werden würde. Welcher das sein wird, wird sich erst noch zeigen – ich bin jedenfalls ganz Ohr.