„Schindel-Schwinger: Kampf um Flohheim“ war eine von 1975 bis 1977 im Illu-Press-Verlag in Form rund 50-seitiger großformatiger Softcover-Alben erschienene Comicreihe aus der Feder Peter Schulz‘ und Michael Rybas. Die auf drei Seiten umrissene Rahmenhandlung dieser vollfarbigen Anarcho-Funnys bilden die verzweifelten Versuche Gottes, seine „Proben“, Prototypen von Geschöpfen, die es eigentlich nicht bis zur Schöpfung geschafft haben, wieder einzufangen, nachdem er diesen irren Kreuzungen aus Merkmalen verschiedenster Tiere mit den Attitüden unterschiedlichster Menschen versehentlich Leben eingehaucht und sie entkommen lassen hat. Am Tullamore-Fluss haben sie die Stadt Flohheim gegründet, wo sie aber nicht in Frieden leben können, weil Gott sowohl Petrus als Luzifer auf sie gehetzt hat. Wer sie einfängt und ihm wiederbringt, soll später einmal die Erde beherrschen dürfen. Doch die Bewohnerinnen und Bewohner Flohheims wissen sich zu wehren.
Der namengebende Schwindel-Schwinger ist eine dieser „Proben“, ein Wesen mit Echsenkörper, Riesenfüßen, Pferdekopf, blonder Mähne und Boxhandschuhen sowie einem großen Ego. Auch andere Flohheimer werden auf einer Doppelseite zum Einstieg vorgestellt. In diesem fünften Band aus dem Jahre 1977, den ich kürzlich auf einem Flohmarkt fand, lässt Petrus Schindel-Schwinger entführen. Im Casino Santa Moneta sollen die anderen Proben um seine Freiheit spielen. Natürlich hat er entsprechende Vorkehrungen getroffen, damit dies nicht erfolgreich für die Proben ausgehen kann. Doch Luzifer will auch mitspielen, Schindel-Schwinger gelingt die Flucht und letztlich werden Petrus‘ und Luzifers Banden kräftig ausgenommen.
Ein Mikrokosmos absonderlicher Figuren mit individuellen Charaktereigenschaften, die sich mit List und Tücke fremder Invasoren erwehren müssen – das erinnert sicherlich nicht von ungefähr an Asterix und die anderen Gallier. Alleinstellungsmerkmal ist hier jedoch der freche, provokante antiklerikale Witz. Einige Seiten wurden mit amüsanten Fußnoten angereichert, auch das erinnert ein wenig an Asterix & Co. Auf Seite 13 finden sich Anspielungen auf die kubanische Revolution und in den Dialogen einige Wortwitze. Der ständig betrunkene Bürgermeister Bimmel-Beule geht als Verballhornung von Politikern durch, während die gesamte Reihe eine Parabel auf ein Leben ohne religiöse Zwänge zu sein scheint.
Und trotzdem wollte der Funke nicht 100%ig auf mich überspringen. Der unglaubliche Grund: Dieser fünfte Band ist eine dreiste Fälschung! Nachdem sich der Verlag offenbar nicht mit den Autoren Schulz und Ryba auf eine kindgerechtere Ausrichtung einigen hatte können, ließ er diesen Band mit ihnen unabgesprochen von einem italienischen Studio zeichnen und veröffentlichte das Resultat unautorisiert. Damit war das Band zwischen den Autoren und dem Verlag natürlich zerschnitten, der auf der Rückseite noch angekündigte sechste Band erschien nicht mehr und die Reihe wurde eingestellt. Zwar kenne ich die vorausgegangenen Bände nicht, doch anhand von Bildern im Netz lässt sich tatsächlich ein Unterschied in der zeichnerischen Qualität ausmachen. Im (natürlich höherwertigen) Original erinnert mich der Zeichenstil ein wenig an die Trickserie „Die Bluffers“.
Ich wollte einen launigen Comic mit Kellergeruch vom Flohmarkt – und erhielt eine unfassbare Kapriole deutscher Verlagsgeschichte…
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