(www.plastic-bomb.de)
Die aktuelle Bombe zollt ihrem Rufnamen “Punker-Bravo” Tribut und präsentiert eine an die große deutsche Kinder- und Jugendzeitschrift angelehnte Titelseite. Erst einmal aufgeblättert, berichtet Micha von einem MOB47-Konzert, von dem er nicht so begeistert war, gibt Helge bekannt, dass das geplante Fanziner-Treffen verschoben werden muss, bewirbt Swen die neue Internetpräsenz des Zines und schwadroniert Ronja über vermeintlichen Sexismus, verwendet dabei aber selbst sexistische Klischees wie das vom schüchternen Mädchen. Ist Schüchternheit also eine typisch weibliche Eigenschaft? Ich glaube kaum. Auch erschließt es sich mir nicht, was an Späßen wie „simulierten Arschficks“ homophob sein soll. Eher das Gegenteil dürfte der Fall sein. Kuwe scheint mit seinem Gejammer nur mehr bemitleidenswert. Richtig klasse, weil sehr persönlich fällt dann hingegen Ronjas Interview mit Marc Ader von 2ND DISTRICT aus, der u. a. ganz offen über seine glücklicherweise überwundene, schwere Krankheit plaudert und die eine oder andere peinliche Jugendsünde in Sachen Musikgeschmack offenbart, ich sag nur „Poser-Metal“, haha. Gleich beim Thema bleibt Micha mit seiner kurzweiligen, wie immer sehr anschaulich geschriebenen Kolumne über eine Dorf-Metal-Kneipe. Sehr schön auch sein Konzertbericht von einem Gig der eher unbekannten UK-Anarcho-Punkband THE FIEND. Helge interviewt die Franzosen von ATTENTAT SONORE und die L.A.-HC-Veteranen RF7 (hier sticht besonders Gitarrist Nick mit seinen lockeren Antworten hervor, die allesamt aus dem Bauch heraus zu kommen scheinen) – hat aber anscheinend leider vergessen, wie man DEAD KENNEDYS schreibt (natürlich OHNE Deppen-Apostroph!!!). Lars von Ril Rec. bedient die „Alternative“-Ecke und knöpft sich THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY und NEW MODEL ARMY vor und Atakeks porträtiert das Label „Hometown Caravan“ und quatscht mit dem Macher hinter selbigem. Dem der „Bravo“ nachempfundenen Titelblatt wird dann Lina gerecht, die FARIN URLAUB zu Musik und Politik befragt – der angesichts der Proteste in Griechenland in erster Linie Angst vor Sachbeschädigung zu haben scheint… Hochinteressant und global zugleich wird’s dann beim hervorragenden Auszug aus dem Buch „Maisbier & Buttertee – Leben und Überleben in China“ von den GLEICHLAUFSCHWANKUNG-Leuten, die ’ne ganze Weile in Ostasien unterwegs waren und entsprechend viel zu berichten haben. Nicht minder interessant ist der Eindruck von Punk und Politik in Kolumbien, den die Ex-Dilettanten Schmidt und Lasse im Interview mit dem Kolumbianer Marco vom CNA vermitteln. Lokaler wird’s dann wieder mit Kuwes Interview mit dem Flensburger Jugendverein Fördebande e.V. und der Band 206. Die Frauenecke besteht diesmal aus einem Gespräch zwischen Ronja und der Hamburgerin Inez Venuz von MY FAVOURITE MIXTAPE, die u.a. vom pädagogischen Tanzen erzählt und die Tape-Nostalgie-Fahne hochhält. Ein Highlight der Ausgabe ist auch Michas persönliche „Deutschpunk“-Top-15, wenn ich auch nicht alles so unterschreiben kann. TURBOSTAAT & Co., fuck off. Und die produktionstechnisch völlig verhunzte „Yankees raus“ soll besser klingen als die „Slime I“? Harten Gesang von Pedder gab’s erst nach der „Schmutzige Zeiten“-LP? Naja… aber wenigstens wurden hier mal DAILY TERROR erwähnt. Im Neuigkeitenbereich findet sich zwar ein Hinweis auf sein bedauerliches Ableben, einen vernünftigen Nachruf o. ä. sucht man aber vergebens. Richtig gelungen ist auch Bastis Kuriositätenkolumne „Geschichten aus der Gruft“, in der er uns, wenn auch leider unter falscher Angabe seines Geburtsjahrs (’37, nicht ’35), den jüdischen Ami-Klischee-Nazi-Vollpfosten Dan Burros näher bringt, der sich, als seine jüdische Herkunft an die Öffentlichkeit drang, (endlich) das Leben nahm. Zu geil, solche kranken Typen. In Vascos kritischer „wunderbarer Welt der Propaganda“ geht es diesmal um von der Leyen und ihre Gefolgschaft, die unter dem Deckmantel der Kinderpornographie-Bekämpfung unschuldige Kinder missbrauchen, um eine Internetzensur einzuführen. Natürlich sind auch fast alle weiteren Rubriken (bis auf „Atakeks’ Hippie-Corner“, juchu!) wie massenweise Reviews (war nicht mal die Rede davon, den Großteil ins Netz auszulagern?!), bei denen besonders Swen besonders bocklos wirkt (und das bei dem Namen…), Stanley Heads Ska-Ecke, „Anders LeSen“ statt „Anders Leben“, in der es diesmal ausschließlich um alternative und subkulturelle Printpublikationen geht („Graswurzel Revolution“, Ventil-Verlag, DA), Leserbriefe, Kleinanzeigen, Konzerttermine dabei. Alles in allem eine durchwachsene Ausgabe, bei der mich diesmal die meisten Bands leider nicht sonderlich interessieren, die dafür aber tolle andere Beiträge enthält. Schmerzlich vermisse ich aber Chris Scholz’ zynische Polemik. Warum der nicht mehr dabei ist, ist dieser Ausgabe leider nicht zu entnehmen…?! 80 Seiten auf besserem Scheißhauspapier für 3,50 EUR, zumindest in D, und wie immer mit Pay2Play-CD. Günni
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