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Nun treibe ich mich ja vornehmlich in der Punk-Szene rum, doch zwei Herzen schlagen ach in meiner Brust: Tatsächlich höre ich schon Metal seit seligen Kindheitstagen, als ich mit Punk noch gar nicht in Berührung gekommen war geschweige denn überhaupt wusste, was das ist. Bis auf ein paar Jährchen in meiner Sturm-und-Drang-Zeit, als ich bis auf ein paar übliche Verdächtige wie IRON MAIDEN, VENOM und möglichst aggressive Thrash-Standards kaum Metal gehört hatte und mich auch nicht mehr dafür interessierte, begleitete mich auch diese Musik eigentlich immer und heutzutage höre ich sie längst wieder gleichberechtigt neben Punk in all seinen Spielarten und Artverwandtem. Während in punktechnisch eher mauen Zeiten in den ’80ern viele besonders auf Thrash und Metal-/Hardcore-Crossover à la D.R.I. & Co. abfuhren, drifteten beide Subkulturen irgendwann doch wieder stark auseinander, mitunter galt und gilt Punk und Metal in der jeweils anderen Szene gar als Schimpfwort. Das ist natürlich Quatsch, da steh’ ich drüber, die ganz großen Widersprüche sehe ich nicht und letztlich stehe ich eben in erster Linie auf handgemachte Stromgitarrenmusik, unabhängig vom Etikett, das darauf prangt. Obwohl ich mich in beidem doch recht zuhause fühle – man darf sich das in etwa so verstellen wie bei Kindern, die zweisprachig aufgewachsen sind –, gehe ich doch eher selten auf Metal-Konzerte, habe mehr Aktien im Punk-Underground als beim Heavy-Nachwuchs und dementsprechend auch mehr Kontakte in der wesentlich weniger langhaarigen Szene. Mit der weiteren Ausführung der Gründe möchte ich jetzt nicht langweilen, Fakt ist, dass es mich ab und zu doch mal packt und ich den Drang verspüre, mal wieder auf so’ne mehrtägige Massenveranstaltung zu fahren – insbesondere seit nach jahrelangen regelmäßigen Force-Attack- und Endless-Summer-Besuchen Punk-Festivals mehr oder weniger an Reiz für mich verloren haben. So war ich 2010 und 2011 in Wacken, wo es mir allen Unkenrufen zum Trotz ganz ausgezeichnet gefallen hatte, ich den etwas anderen Umgang der Leute untereinander und den stärkeren Fokus auf die Musik genoss und manch Gelegenheit wahrnahm, mir Bands, zu denen ich eigentlich nicht auf normale Gigs gehen, geschweige denn mir mal eben ihre Diskografie zulegen würde, in aller „Ruhe“ reinzuziehen und auf mich wirken zu lassen, allein schon, um meine Neugier zu befriedigen und mir Meinungen aus erster Hand zu bilden. Oder anders gesagt: Wenn ich mal zur Ruhe kommen will, besuche ich ein Metal-Festival… Da ich regelmäßig das „Rock Hard“-Magazin lese, wusste ich, dass die Redaktion bereits seit vielen Jahren das Rock-Hard-Festival organisiert. Ich hatte bisher fast ausschließlich Gutes darüber gehört und gelesen und die regelmäßigen „Rockpalast“-Ausstrahlungen im WDR mit Zusammenschnitten der Veranstaltungen vermittelten stets den Eindruck eines im Gegensatz zum Wacken Open Air beispielsweise alles andere als überdimensionierten, eher gemütlichen Festivals bei meist geeignetem Wetter in wahrlich pittoreskem Ambiente, nämlich dem des Gelsenkirchener Amphitheaters direkt am Rhein-Herne-Kanal. Oftmals sagte mir das Band-Aufgebot allerdings nicht allzu sehr zu, zuviel, das mich nicht interessierte, war i.d.R. dazwischen. Als ich dieses Jahr allerdings las, dass ARCHITECTS OF CHAOZ um Ex-Iron-Maiden-Röhre Paul Di’Anno, REFUGE (die RAGE der späten ’80er und frühen ’90er) und meine alte Leib-und-Magen-Band VENOM auftreten sollten und auch der Rest sich zumindest nicht uninteressant las, man mit KREATOR sogar eine absolute Thrash-Granate zu bieten hatte, reifte langsam aber sicher der Entschluss, dieses Jahr erstmals teilzunehmen. Die meisten meiner Freunde aus der Punk- und HC-Szene wollen leider nie mit, rümpfen abfällig die Nase und hören wahrscheinlich heimlich SCORPIONS. Doch ich kontaktierte Todesmaschine Karsten, den Feindhammer aus Altona, mit dem ich 2010 nach Wacken gefahren war und der mir 2011 noch den Eintritt vermittelte, als schon längst alles ausverkauft war. Wir beschlossen, zusammen runter zu fahren, doch leider verstarb mein Freund plötzlich und unerwartet vor wenigen Monaten. Als ich den Schock fürs Erste überwunden hatte, fand ich schnell zwei weitere Mitstreiter, die mir zusagten, mich zu begleiten. Als ich wenige Tage vor Beginn des Festivals dann konkret planen wollte, sprangen beide ab bzw. meldeten sich erst gar nicht mehr zurück. Einer von beiden hatte immerhin die Eier, sich zu entschuldigen, plausible Gründe zu nennen und stand mir während der drei Tage als Chat-Partner immer mal wieder zur Verfügung, denn er verfolgte das Festival im Live-Stream. Der andere hat sich mittlerweile auch in aller Form entschuldigt, alles wieder gut. Wie ich’s aber irgendwie bereits geahnt hatte, war ich auf mich allein gestellt, beschloss, dass Zuhausebleiben keine Option wäre, buchte mir ein Zimmer, suchte mir eine Mitfahrgelegenheit und ließ mich Freitagvormittag von einem sehr netten Menschen, der ebenfalls zum Festival fuhr, chauffieren. Da nahm ich auch gern in Kauf, dass das zeitlich alles eine etwas knappe Kiste wurde. Wichtig war mir, rechtzeitig um 16:00 Uhr zum Di’Anno-Paule auf dem Gelände zu sein und das hätte eigentlich problemlos klappen sollen.

Mein netter Fahrer setzte mich direkt an der Zimmerverwaltung ab, wo ich meinen Schlüssel und Instruktionen in Empfang nahm, mich um die Ecke zum Zimmer begab, dabei vom beschrankten Bahnübergang und durchfahrenden Zügen aufgehalten wurde und endlich meine Plünnen abladen konnte. Die 4,4 Kilometer zum Amphitheater legte ich aufgrund des Zeitdrucks per Taxi zurück, das in eine regelrechte rote Welle geriet. Endlich angekommen, fragte ich mich hektisch zum Kassenhäuschen durch, wo mein Ticket hinterlegt war. Den Soundtrack dazu lieferten die Opener SPACE CHASER, die ihren AGENT-STEEL-lastigen Speed/Thrash bereits erschallen ließen und von mir als Hintergrundgeräusch wahrgenommen wurden, während ich in der entsetzlich langen Schlange vor dem Schalterdoppel „Presse/Gästeliste“ und „Tageskasse“ ausharrte und nervös meine Chancen auf die Chaos-Architekten schwinden sah. Direkt in meiner Nähe tat jedoch jemand die nicht nur mich frohe Botschaft kund, dass es getrennte Schlangen gäbe, was nur nicht zu erkennen war, weil vor der Tageskasse so arschwenig los war. Frohlockend tauschte ich nun innerhalb von Sekunden 89,- EUR gegen ein Dreitagesticket ein und begab mich an die wiederum erneut ächzend lange Schlange an der Bändchenausgabe, wo ich nun aber direkt hinter mir jemanden hatte, mit dem ich über Di’Anno quatschen und mir die Zeit vertreiben konnte, denn er wollte ihn auch live erleben. Dank der raschen Abfertigung an der Bändchenausgabe war das auch gar kein Problem, Programmheft dazugekauft und fertig war die Laube! SPACE CHASER verabschiedeten sich gerade auf der Bühne, als ich einen schnellen Blick auf das Areal wagte, um mir ob der nun folgenden Umbaupause erst mal etwas Essbares zu suchen. Meine Wahl fiel auf den überdimensionierten Backfisch im Brötchen, der allerdings zu einem nicht geringen Teil aus Panade bestand. Dafür kam ich in den Genuss einer unerwarteten Hautkosmetik dank des triefenden Fetts, das mir durch die Finger rann und mir so zu geschmeidigen Händen verhalf. So oder so machte das Ding aber erst mal satt und nachdem ich das Kilo Servietten entsorgt hatte, freute ich mich wie Sau auf die ARCHITECTS OF CHAOZ.

Paul Di'Anno - Photo by Dieter Dengel, fotoblog.dengelnet.de

Paul Di’Anno – Photo by Dieter Dengel, fotoblog.dengelnet.de

Paul Di’Anno, der seinerzeit die ersten beiden IRON-MAIDEN-Alben einsang, zählt für mich immer noch zu den besten Metal-Stimmen überhaupt. Leider hatte er mit seinen nachfolgenden Bands meist wenig Glück und einiges, was er fabriziert hat, ist auch schlichtweg mies oder belanglos, so dass er lange Zeit mit wechselnden Begleitbands durch die Clubs tingelte und die MAIDEN-Klassiker sang, erweitert um ein paar Hits seiner Post-MAIDEN-Ära. Eine dieser Begleitbands waren anscheinend die PHANTOMZ aus Deutschland, mit denen er es nun noch einmal wissen will: Als ARCHITECTS OF CHAOZ haben sie eigenes Material für einen ganzen Longplayer geschrieben, der exakt an diesem Tag veröffentlicht wurde. Einen Song konnte ich mir vorher schon einmal im Netz anhören und der konnte alles, also war ich gespannt wie der berühmte Bogen. Doch was war das? Der gute Paul kam im Rollstuhl auf die Bühne, offenbar aufgrund seines Knieleidens, und wurde auf einen Stuhl umgesetzt. Man hörte ja immer wieder, wie schlimm es um ihn bestimmt sein soll und in welch desolatem Zustand er sich befände, aber das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Doch als er, mittlerweile mit tätowierter Glatze und Bart aussehend wie ein alter Rocker, das Set mit dem Kracher „Erase The World“ eröffnete, war ich sofort begeistert. Diese Stimme! Paule! Alter! Und ich vor der Bühne. Jaha, tatsächlich war es das erste Mal, dass ich ihn live zu sehen bekam, denn obwohl er wie bereits erwähnt in schöner regelmäßig die Clubs beehrte, hatte ich ihn mit seinen Cover-Sets bisher jedes verdammte Mal verpasst. Besser als mit einem sichtlich glücklichen Paul, der gut bei Stimme und mit einer spielfreudigen, fitten Band gesegnet war, die ihm richtig geile Songs auf den Leib schneiderte, konnte das Festival für mich gar nicht starten! Es folgten fünf weitere neue Songs, die ausnahmslos alle zündeten und zwischendurch plauderte Paul in Seelenruhe sympathisches Zeug, verwies darauf, dass er trotz seiner gesundheitlichen Probleme niemals einen solchen Gig absagen würde, machte keinen Hehl daraus, wie aufgeregt er war und ließ sich zu einem kurzen Scherz über Bruce Dickinson, seinem Nachfolger bei IRON MAIDEN hinreißen, nur um ihm im nächsten Moment alle Ehre zu erweisen und ihm nur das Beste zu wünschen. Überraschend folgte als vorletzter Song mit „Children of Madness“ ein Stück aus seiner BATTLEZONE-Phase (da hätte ich mir dann doch einen anderen Titel gewünscht, aber egal), um zum Finale mit einem DER MAIDEN-Klassiker schlechthin, „Killers“, auszuholen. Ein grandioser Auftritt und Paul sang hoch, sang tief, growlte und hinterließ einen prima Eindruck! Von der Qualität des Albums konnte ich mich mittlerweile auch per Spotify überzeugen, das Vinyl wandert auf jeden Fall ins Regal. Geil, weiter so! Und endlich konnte ich einen Haken auf meiner Liste machen:

rock-hard-festival 2015 to-do-list

Setlist ARCHITECTS OF CHAOZ:

Erase The World
Horsemen Of Death
Architects Of Chaoz
Dead Eyes
How Many Times
When Murder Comes To Town
The Children Of Madness
Killers

Eric A.K. - Photo by Dieter Dengel, fotoblog.dengelnet.de

Eric A.K. – Photo by Dieter Dengel, fotoblog.dengelnet.de

Nachdem ich mich weiter auf dem Festivalgelände umgesehen hatte (wer bitte kauft MOTÖRHEAD-Wandteppiche?), nahm ich auf den großen Stufen des Amphitheaters platz, die einem von fast jedem Punkt aus optimale Sicht ermöglichen, um mir die US-Thrasher FLOTSAM AND JETSAM reinzutun, deren ersten beiden Alben eine allgemein gute Reputation genießen, mich aber nie so ganz überzeugen konnten. Doch ich wurde überrascht, denn die Herren mörtelten da einen ultrakompakten speedigen Thrash zusammen und Sänger Eric A.K. klang geiler, weil rauer und kräftiger als auf Platte, so dass auch dieser Gig sehr genießbar wurde. Man konzentrierte sich vornehmlich auf Material der ersten beiden Alben, startete mit „No Place for Disgrace“, der mir sattsam bekannte „Dreams of Death“ avancierte in dieser Live-Fassung zu einem richtigen Highlight und mit „Suffer the Masses“ und „Me“ beendete man den gelungenen Gig mit zwei Songs wesentlich unpopulärerer Alben. Da werde ich mir das eine oder andere doch noch mal zu Gemüte führen und auch mal nach Live-Material Ausschau halten.

Setlist FLOTSAM AND JETSAM:

No Place for Disgrace
Desecrator
She Took an Axe
Dreams of Death
Hammerhead
Iron Tears
I Live You Die
Suffer the Masses
Me

God Dethroned - Photo by Dieter Dengel, fotoblog.dengelnet.de

God Dethroned – Photo by Dieter Dengel, fotoblog.dengelnet.de

GOD DETHRONED aus den Niederlanden hatte ich so gar nicht auf dem Schirm, doch was die bereits seit Beginn der 1990er lärmende Band da an kräftig angeschwärztem Death Metal mit einigen kleinen, aber feinen Melodien ablieferte, war nicht von schlechten Eltern und abwechslungsreich genug, um mich nicht zu langweilen. Kann wat und war die bisher härteste Band des Festivals!

Setlist GOD DETHRONED:

Faithless
Hating Life
The Art of Immolation
Through Byzantine Hemispheres
Nihilism
Boiling Blood
Swallow the Spikes
Soul Sweeper
No Man’s Land
Soul Capture 1562
Villa Vampiria
Sigma Enigma
The Grand Grimoire

Bobby Liebling - Photo by Dieter Dengel, fotoblog.dengelnet.de

Bobby Liebling – Photo by Dieter Dengel, fotoblog.dengelnet.de

Das Lahmarsh-Metal-Genre Doom erfreut sich gefühlt heutzutage größerer Beliebtheit als lange Zeit zuvor, doch kann ich bisher nur wenig damit anfangen. Ich weiß aber, dass zu den Urvätern die US-Doomer PENTAGRAM zählen, die nicht mit den chilenischen Death-Thrashern gleichen Namens zu verwechseln sind (Hallo Lutz!). Schon 1971 gegründet, haben sie erst 1985 ihr erstes Album veröffentlicht. Bandkopf ist der oberkauzige Bobby Liebling, der vor einigen Jahren durch den Dokumentarfilm „Last Days Here“ auch über Doom-Insider hinaus gewisse Popularität erlangte und anscheinend seit Jahrzehnten mit Drogen- und sonstigen Problemen zu kämpfen hat. Leider habe ich den Film noch immer nicht sehen können – wer den mit deutschen Untertiteln für mich hätte, nur her damit! Nun war ich durchaus gespannt, was mich erwarten würde, und, ja, Liebling tat alles, um seinen Kauz-Status zu untermauern: In absolut verboten aussehendem Rosa-Dress tänzelte der kleine schmächtige alte Mann bisweilen obszön über die Bühne und schnitt irre Grimassen ins Publikum, nur um im nächsten Moment damit zu drohen, dass wir alle für unsere Sünden bezahlen werden müssen. Ansonsten verstand man von seinen genuschelten oder gelallten Ansagen allerdings kaum ein Wort. Die Musik war der erwartete hippieske ’70er-Doom-Rock/-Metal, wie er mir nur schwer ins Ohr geht, aber viel Publikumszuspruch erntete und eine offenbar der Realität entrückte Dame fortgeschrittenen Alters am Rande des Pulks zu ausschweifenden transzendalen Tänzen animierte. Aber es war schon faszinierend, Liebling zu beobachten, wat’n Typ – ein echtes Unikum, von denen es viel zu wenige auf der Welt gibt.

Setlist PENTAGRAM:

Sign Of The Wolf
Forever My Queen
The Ghoul
Review Your Choices
Starlady
Ask No More
When The Screams Come
All Your Sins
Dying World
Petrified/Relentless
Be Forwarned
Last Days Here

Cronos - Photo by Dieter Dengel, fotoblog.dengelnet.de

Cronos – Photo by Dieter Dengel, fotoblog.dengelnet.de

Dann allerdings war Schluss mit Kiffermucke, denn mit den Black-Metal-Erfindern (deren Musik aus heutiger Sicht vielmehr wie evil Metal-Punk oder schlicht härtester NWOBHM klingt) VENOM folgten meine alten Götter, die mich schon seit Kindheitstagen faszinierten und mit ihren ersten drei Alben drei der wichtigsten Metal-Platten überhaupt veröffentlichten. Nicht umsonst trage ich das Bandlogo mit dem Ziegenschädel auf der Wade tätowiert spazieren. Natürlich handelte es sich um eine völlig andere Besetzung als zu Zeiten der glorreichen ersten ’80er-Jahre, aber Bassist, Sänger und Frontmann Cronos ist dabei und das ist das Wichtigste. Das war übrigens nicht immer so, zwischenzeitlich (lang ist’s her) tat man sich nach Cronos’ Ausstieg mit dem ATOMKRAFT-Fronter Tony „Demolition Man“ Dolan zusammen, bevor es in den ’90ern noch einmal zu einer Reunion im Original-Line-Up Cronos / Mantas / Abadon kam. Mit wechselnden Musikern will es Cronos jedoch seit mittlerweile auch schon wieder vielen Jahren noch einmal wissen und veröffentlicht neue Platten, die ich jedoch nicht mehr mit voller Aufmerksamkeit verfolgt habe. Kürzlich erschien das jüngste Album „From The Very Depths“, das durchaus seine Momente hat, doch dazu später mehr. Ich freute mich jedenfalls wie ein Höllenfürst darauf, VENOM mit der Originalstimme endlich einmal live zu sehen und wurde nicht enttäuscht: Mit dem herrlichen dreckigen „Rise“ vom neuen Album eröffnete man die Show, Cronos im bauchfreien Top (ähem) malträtierte seinen Viersaiter und bölkte räudig ins Mikro, der kahlköpfige Rage sorgte für ausreichend Gitarrenlärm und Danté lieferte mit viel Stöckchenwirbeln und ultrahochhängenden Becken für eine respektable Drumshow. Das klang schon so richtig schön grimmig und lockte mich nach vorne. VENOM spielten ein selbstbewusstes Set mit vielen neueren Songs, statt sich lediglich auf die unumstößlichen Klassiker zu verlassen. Das neue Material stößt zwar nicht auf meinen ungeteilten Zuspruch, doch ich ziehe meinen Hut vor dieser Entscheidung – statt auf Nummer sich zu gehen, möchte man als aktive und noch immer kreative Band wahrgenommen werden. Der zweite Song wurde der groovige „Hammerhead“ vom 2011er Album „Fallen Angels“, was immer noch Intro-Charakter besaß, bevor man sich mit dem pfeilschnellen „Bloodlust“ erstmals in die ’80er begab und mir ein feistes Grinsen ins Antlitz drosch. Es wurde eine Art Medley, denn man fügte als Mittelteil „Black Flame (of Satan)“ vom „Resurrection“-Album ein. Es folgte mit „Die Hard“ ein weiterer Oberknaller aus den ganz seligen Zeiten und ich brüllte mit, was das Zeug hielt. Auf den eingangs erwähnten Punk beziehen sich VENOM übrigens gerne mal, so bereits auf „Calm Before The Storm“ mit „Metal Punk“, später mit „Punk’s Not Dead“ und als Höhepunkt der genannten „Long Haired Punks“ vom jüngsten Output: „Screaming aloud, fucked up and drunk – y’all watch out, we’re the long haired punks!“ donnerte es durchs Amphitheater und der Auftritt war um den meines Erachtens größten Hit des neueren Zeugs reicher. „Buried Alive“ sorgte mit seinem gedrosselten Tempo für gespenstische Atmosphäre und ging in „The Evil One“ vom 1997er-Reunion-Album über, „Welcome to Hell“, Titelsong des ersten Teufelswerks, wurde für meinen Geschmack etwas zu langsam intoniert, doch mit „Antechrist“ von „Metal Black“ gab’s wieder ein paar an den ungewaschenen Hals. Doch das ist natürlich kein Vergleich zu „Countess Bathory“, die VENOM vermutlich persönlich für diese Hymne dankbar ist. Zurück zu „Cast in Stone“ mit dem chaotischen „Flight of the Hydra“, danach „The Death of Rock’n’Roll“ und „Grinding Teeth“ vom aktuellen Output, „Pedal to the Metal“ von „Fallen Angels“ und als vorläufigen Abschluss die kongeniale, ultrafiese Walze „Warhead“. Dass es das noch nicht gewesen sein kann, ist klar; nach kurzer Pause war es soweit und der genrebegründende Song, einer DER VENOM-Songs überhaupt, konnte lauthals durchs Ruhrgebiet gebrüllt werden: „Lay down your soul to the god’s Rock’n’Roll – BLACK METAL!“ Cronos stiftete den Mob immer wieder an, variierte den Text selbstironisch in „Death Metal“, „Speed Metal“ etc. und hatte reichlich Spaß inne Backen. Das beschwörerische „In League With Satan“ war dann ein weiterer ersehnter Standard und während man noch unter seinem hypnotischen Einfluss stand, wurde man schon mit „Witching Hour“ musikalisch verprügelt und in die unheilige, geschändete Nacht entlassen. Das war’s, der rot- und noch immer langhaarige Metal-Punk-Hooligan hatte genug und ich war erst mal bedient und glücklich. Cronos ist nach wie vor bestens bei Stimme, hat sich seine Ausstrahlung erhalten und fähige Leute an seiner Seite. Trotz der Songauswahl mit ihrem vielen neuen Zeug war der Gig höchst unterhaltsam und hat so richtig Laune gemacht. Pyroshow gab’s natürlich auch, wenn auch weniger als zu den Hochzeiten der Band, als sie bisweilen ihr gesamtes Budget dafür im wahrsten Sinne verpulverte. Dennoch trugen die Explosionen und Flammenstöße unbedingt zur Atmosphäre (und Hitze) bei und konnten sich sehen lassen. Ein perfekter Abschluss des ersten Festival-Tags!

Setlist VENOM:

Rise
Hammerhead
Bloodlust / Black Flame (Of Satan) / Bloodlust
Die Hard
Long Haired Punks
Buried Alive
The Evil One
Welcome to Hell
Antechrist
Countess Bathory
Flight of the Hydra
The Death of Rock’n’Roll
Grinding Teeth
Pedal to the Metal
Warhead

Black Metal
In League with Satan
Witching Hour

Und weil’s so schön war, ein klang- und bildtechnisch großartiger Mitschnitt von „Countess Bathory“, der Stimmung und Atmosphäre genau richtig transportiert:

rock-hard-festival-23Mein Abstecher ins After-Show-Party-Zelt war nur von kurzer Dauer, allzu viel war auch nicht los und schnell beschloss ich, aufs Taxi zu verzichten und mithilfe von Google Maps den Weg zum Zimmer per Pedes zurückzulegen. Der Weg war allerdings nicht sehr erquicklich, denn statt am Kanal vorbei führte er mich durch dunkle Gassen und um diese Zeit vollkommen unbelebte Straßen. Dennoch fand ich’s eine gute Idee, das durchzuziehen, ich genoss die Bewegung und fand mich bester Dinge zeitig im Schlafgemach ein, bereit, Kraft für den nächsten Tag zu tanken.

An diesem machte ich mich zunächst mit der Gelsenkirchener Infrastruktur vertraut, ging Frühstück, Obst (um nicht schon am zweiten Tag an Vitaminmangel dahinzusiechen), Getränke und Tabak einkaufen und machte mich bei spitzenmäßigem Wetter auf den Weg zum Amphitheater – und siehe da, selbstverständlich gibt es einen Weg am Kanal entlang. Im Prinzip schlicht ihm immer folgen, dennoch konsultierte ich Orientierungslegastheniker bei jeder Kurve sicherheitshalber Google Maps und schaffte es trotzdem, einmal falsch abzubiegen, fand aber bald wieder die Fährte. Für dieses Lustwandeln habe ich sonst viel zu wenig Zeit, für Gelsenkirchen habe ich es bewusst eingeplant und überaus genossen. Nee, wat herrlich!

Am Eingang angekommen, ließ ich DESERTED FEAR DESERTED FEAR sein und köpfte das erste, mitgebrachte Bierchen, während ich das entspannte Treiben an dieser Stelle beobachtete. Was eigentlich überall selbstverständlich sein sollte, aber seltenst ist, ist es angenehmerweise auf dem Rock-Hard-Festival: Man darf eine 1,5-Liter-Plastikbuddel Wasser mit vor die Bühne nehmen, wovon ich Gebrauch machte, um jeglicher Dehydration vorzubeugen. Während ich so an meinem Wasser lutschte, sah ich mir die Gladbacher MOTORJESUS an, die recht druckvollen und gut gespielten Hard-/Heavy-/Schweinerock darboten, damit nicht unbedingt meine Mucke spielten, zum entspannten musikalischen Einstieg in den zweiten Festivaltag aber ideal waren. Der Sänger bewies Entertainer-Qualitäten, beherrschte spaßige, schnoddrige Ansagen und kommunizierte mit dem teilweise noch verkaterten Publikum. Man spielte als letzten Song die Eigenkomposition „A New War“ in um Auszügen aus KISS‘ „Rock and Roll All Nite“, JUDAS PRIESTs „Living After Midnight“ und AC/DCs „You Shook Me All Night Long“ erweiterter Version, wobei mich letztgenanntes erstmal an diesem denkwürdigen Tag mitsingen ließ. Nun war auch ich richtig wach.

Setlist MOTORJESUS:

Motor Discipline
Trouble in Motor City
Speed of the Beast
Fuel The Warmachine
Fist of the Dragon
King of The Dead End Road
Return of the Demons
A New War

Die Franco-Kanadier VOIVOD hör‘ ich auch schon ewig. Zumindest die ersten drei Alben, auf denen sie noch ihren wüsten Sci-Fi-Punk-Thrash fabrizierten. Meine Lieblingsplatte ist die „Killing Technology“, „Dimension Hatröss“ war auch noch ok, doch dann verlor ich elender Ignorant das Interesse, denn immer psychedelischer wurde die Mucke, hieß es, und ich fürchtete, mit schlimmem ‘70er-Trip-Art-Rock von ausgewimpten Ex-Chaoten konfrontiert zu werden. 2010 in Wacken wurde ich dann Zeuge eines enttäuschenden VOIVOD-Auftritts, auf dem es mir lediglich „Ripping Headaches“ so richtig besorgte. Doch neues Festival, neue Chance. Bei wesentlich besseren Sound- und Sichtverhältnissen als seinerzeit auf dem W:O:A nahm ich mir vor, mich auf den Gig zu konzentrieren, war inzwischen ob der immer noch sehr aktiven Band – trotz des tragischen Tods ihres Gitarristen Piggy im Jahre 2005, R.I.P.! – doch neugierig geworden und es der Band auch irgendwie schuldig, fand ich, schließlich ziert seit ein paar Monaten der VOIVOD-Schädel meinen rechten Unterschenkel. Man eröffnete mit „Kluskap O’Kom“ vom aktuellen Longplayer „Target Earth“ und schon mit dem zweiten Song folgten bekannte Klänge: „Tribal Convictions“ von „Dimension Hatröss“, „Ripping Headaches“ von „Rrröööaaarrr“ – und ich schüttelte die Bratzbirne. Mir weniger vertraute Klänge folgten mit „The Unknown Knows“ von „Nothingface“, doch, ey, das war ja ein richtig guter Song!? Ich hab’s geahnt, meine Scheuklappen fielen weiter in sich zusammen. Angesichts „Order of the Blackguards“ von „Killing Technology“ frohlockte ich dann besonders, „The Prow“ entpuppte sich als luftiger Singalong, mit „Overreaction“ ging’s direkt zurück zu meinem Lieblings-VOIVOD-Dreher und mit „We Are Connected“ ließ man sich nicht lumpen und zockte den jüngst, nämlich erst am 31.03.2015 auf der Split-7“ mit AT THE GATES veröffentlichten Song, der auch seine Momente hat. Mit „Voivod“, dem einzigen Song vom Debüt „War & Pain“, beschloss man diesen Auftritt, der mich positiv überrascht und neugierig auch auf neueres Material (was bei mir ab 1989 heißt…) gemacht hat.

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Setlist VOIVOD:

Kluskap O’Kom
Tribal Convictions
Ripping Headaches
The Unknown Knows
Order of the Blackguards
The Prow
Overreaction
We Are Connected
Voivod

Glücklicherweise standen als nächstes AVATARIUM und KATAKLYSM auf dem Billing, denn auf den Female-Fronted-Doom der neues Band von CANDLEMASS-Leif verspürte ich ebensowenig Lust wie auf Nähmaschinen-Getacker und konnte mich so in den Biergarten begeben, um in Ruhe die Bundesligakonferenz dieses spannenden letzten Spieltags zu verfolgen. Diese Idee hatten wenig überraschend nicht wenige andere ebenfalls und als ich den entsprechenden Teilbereich betrat, dachte ich kurz, dass man lediglich die (kultige) Radiokonferenz übertragen würde, doch ich lag falsch: Irgendwo war tatsächlich ein herkömmlicher Fernseher aufgebaut worden, auf den gute Sicht zu erhaschen sich als alles andere als einfach erwies. Bin ich größenwahnsinnig, wenn ich für offiziell angekündigtes Fußball-Rudelglotzen, das man mehreren tausend Besuchern anbietet, einen Bigscreen erwartet habe? Egal, irgendwie ging’s und irgendwann hatte ich auch einen Top-Platz, um inmitten vieler Schalker- und Dortmund-Fans dem dramatischen Abstiegskampf beizuwohnen und ausgerechnet mitten in Gelsenkirchen Zeuge zu werden, wie Schalke kläglich gegen den HSV versagte…

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Im direkten Anschluss aber freute ich mich auf die wiedervereinten SANCTUARY, zu denen ich eine besondere Beziehung habe: Aufmerksam auf die Band wurde ich, als ich Anfang der ‘90er im örtlichen Supermarkt auf dem Wühltisch die „Into The Mirror Black“-MC, also das Zweitwerk auf Musikkassette, für gerade einmal 99 Pfennig fand und prompt verhaftete. Während ich dem US-Power/Speed-Metal lauschte, blätterte ich im Booklet herum, konnte damals schon ein bisschen englisch und fand die kritischen Texte von Songs wie „Future Tense“ ziemlich cool. Das dürfte die Zeit gewesen sein, als ich langsam ein politisches Bewusstsein entwickelte. Das ganze Album gefiel mir auf seine spezielle Art, doch irgendwann geriet das Tape in Vergessenheit. Vor ein paar Jahren hab‘ ich es für mich wiederentdeckt und mir dann auch mal den m.E. schwächeren Erstling „Refuge Denied“ angehört. Nun, ein Song wie „Die For My Sins“ packte mich direkt bei den Eiern (und Sänger Dane anscheinend auch, wenn ich mir den spitzen Schrei anhöre, mit dem er beginnt) und so wusste ich, dass ich auch für neue SANCTUARY-Erfahrungen empfänglich bin. Als hätte Bandkopf Warrel Dane, der nach „Into The Mirror Black“ die Band aufgelöst und NEVERMORE gegründet sowie ein ausgeprägtes Alkoholproblem entwickelt hatte, über’m Teich meine Gedanken gelesen, reformierte er SANCTUARY neu und veröffentlichte im letzten Jahr mit „The Year The Sun Died“ ein nicht uninteressantes neues Album. SANCTUARY machen Musik, die ich nicht unbedingt als partytauglich erachte und ich kann sie mir weiß Gott auch nicht ständig reinfahren, aber ab und zu bin ich doch empfänglich für dieses oftmals auf ziemlich gewöhnungsbedürftige, exaltierte Weise von Dane gesungene Zeug. Und natürlich hoffte ich auf dem Rock Hard vor allem auf „Die For My Sins“ und „Future Tense“ oder auch „Taste Revenge“ – ich sollte nicht enttäuscht werden. Man startete mit „Arise and Purify“, so etwas wie dem „Hit“ des neuen Albums, und konzentrierte sich auch ansonsten vornehmlich auf neues Material. An vierter Stelle gab es „Die For My Sins“ und am Ende die ersehnten „Into The Mirror Black“-Hits „Future Tense“ (das hinter mir im Publikum jemand schon seit einigen Songs vehement gefordert hatte) und „Taste Revenge“, zu dem es nun auch endlich zum von Dane immer wieder eingeforderten Crowdsurfing und Circle Pit kam. Wobei ich anmerken muss, dass nicht jeder Song, den Dane dafür für geeignet hielt, m.E. wirklich dazu taugt. Wie gesagt, für mich ist eher spezielle Mucke, mitunter gar zunächst etwas sperrig. SANCTUARY präsentierten ein abwechslungsreiches Set, Danes Mimik und Ausstrahlung war den Songs angemessen giftig und irgendwann nahm auch er seinen Hut ab und stieg ins Headbanging ein, aber der Gesangssound war nicht ganz optimal: Für mich ist’s kein Problem, wenn die Höhen live für Dane zur Herausforderung werden, es darf gern etwas dreckiger als auf Platte klingen, aber entweder wurden die Frequenzen verschluckt oder man hätte ihn lauter drehen müssen. Ansonsten aber ein guter Gig, der mich in seinen Bann gezogen hatte.

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Setlist SANCTUARY:

Arise and Purify
Let the Serpent Follow Me
Seasons of Destruction
Die For My Sins
Battle Angels
Exitium (Anthem of the Living)
Question Existence Fading
Frozen
The Year the Sun Died
Future Tense
Taste Revenge

Doro Pesch - Photo by Dieter Dengel, fotoblog.dengelnet.de

Doro Pesch – Photo by Dieter Dengel, fotoblog.dengelnet.de

So, und nun also DORO, puh… ich erwartete erst mal nichts. Klar weiß ich, dass sie in den ’80ern mit WARLOCK noch richtigen Metal gespielt hat, doch dann schien sie sich kommerziell ausschlachten lassen zu wollen und wurde mir vor allem durch Talkshow-Auftritte und Kitschnummern wie „Für immer“ und „All We Are“ bekannt. Die erste WARLOCK hatte ich auch musikalisch mal zur Kenntnis genommen, mir einen Song für ’nen Sampler gesichert und kaum weiteres Interesse am künstlerischen Schaffen Frau Peschs entwickelt. Überrascht war ich dann doch, als ich kürzlich von den punkig-chaotischen Anfangstagen der Band las und der Ansager an diesem Abend wies noch einmal darauf hin, dass DORO ein Oldschool-Metal-Set angekündigt hatte. Gut, also einfach mal gemütlich machen, gucken, was das ewige Frolleinwunder des deutschen Metalls darunter versteht und ’ne Meinung bilden. Und irgendwie kam wenn nicht alles, so doch vieles anders als erwartet: Frau Pesch stürmte voller Energie auf die Bühne, fragte in schauerlichem Denglisch „Are you guys ready auf den Rängen?!“ und keifte hochmotiviert und aufgestachelt straighte, dreckige Metal-Rocker ins Mikro, als befänden wir uns Mitte der ’80er und sie wäre ein rotznäsiger, angepisster Twen. Schnell hatte sie meinen Respekt auf ihrer Seite, zumal das viele Songs genauso weiter ging. Die Frau war das reinste Energiebündel, konnte mindestens so gut aggressiv-rotzig klingen wie richtig singen und holte erst gegen Ende zur Kitschoffensive mit dem unvermeidlichen „Für immer“ aus, das trotzdem innerhalb des Amphitheaters irgendwie seine Atmosphäre entfaltete. „All We Are“ ist mir dann doch zu stadionrockig, aber dann gab’s da ja noch eine recht eigenwillige, gelungene JUDAS-PRIEST-Coverversion „Breaking The Law“, die balladesk begann und sich zum gewohnten Metal-Stampfer steigerte. Zwei weitere WARLOCK-Songs, zwischendurch immer wieder ein paar Pyro-Effekte, viele verdutzte Gesichter und noch mehr feiernde Menschen und – Feierabend. Auch hier wurde ich eines Besseren belehrt; endlich konnte ich verstehen, was so viele an Doro Pesch finden. Irritiert allerdings hat mich der Keyboarder, der auch während Songs, die ohrenscheinlich über gar keinen Tasteneinsatz verfügten, Keyboard spielte oder zumindest so tat…!?

Setlist DORO:

Touch of Evil
I Rule the Ruins
Burning the Witches
Metal Racer
True as Steel
Hellbound
East Meets West
Evil
Für immer
Revenge
Breaking the Law
All We Are
Out of Control
Earthshaker Rock

Die Umbaupause für KREATOR nutzte ich für etwas, was ich bereits am vorherigen Tag im Falle FLOTSAM AND JETSAMs kurz gemacht hatte, als ich durch Zufall die „Ecke“ im Halbrund des Amphitheaters entdeckt hatte, die für die Autogrammstunden genutzt wird, für die sich viele Bands zur Verfügung gestellt hatten. Nach einiger Zeit nahmen SANCTUARY platz und signierten bereitwillig Autogrammkarten, Platten und CD-Booklets, ließen sich mit ihren Fans ablichten und schüttelten viele Hände. Nun bin ich Punkrocker, Kill Your Idols und so und mache mir generell nichts aus solchen Unterschriften, aber ich genoss es, die gegenseitige Wertschätzung zu beobachten, die auch in dieser Autogrammstunde lag. Fans, denen die Kunst wirklich etwas bedeutet und Künstler, die gerade noch auf der Bühne eine ja auch gern mal theatralische Show abgeliefert haben und nun wie die Jungs von nebenan grinsend dasitzen und wissen, was sie an den gerade in der Metal-Szene irrsinnig treuen Fans haben. Die Band trank Dosenbier, Dane brav ein Wasser, ein verrückter Fan, der anscheinend extra aus dem Ausland angereist war, ließ sich beim Headbangen mit Dane fotografieren, weitere Fotos machen, sein Plattencover vollkritzeln etc. Evtl. SANCTUARYs größter Fan? Schöne Bilder jedenfalls und ein wenig sentimental wurde ich auch, als mir bewusst wurde, wie nah ich plötzlich Menschen war, deren Musik mich bereits seit meiner Kindheit irgendwie begleitet und die sonst unendlich weit weg schienen.

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KREATOR gehen immer, besonders im Pott. Der Grund, weshalb diese deutsche Thrash-Institution nicht zur Hauptmotivation für mein Erscheinen zählte, war schlicht der, dass ich sie im Gegensatz zu vielen anderen Bands hier bereits live gesehen hatte. Ich erwartete nicht weniger als den totalen Abriss, immerhin waren sie Headliner des Abends. Mittlerweile war es dunkel geworden und der Veranstalter fragte nicht nur das Publikum, ob es bereit sei, sondern auch die Security… Um es kurz zu machen: Es wurde ein grandioser, musikalisch extremer Gig. KREATOR zählen für mich noch immer zu den aggressivsten ihres Metiers, Mille gab alles und nicht nur die Musik knallte, sondern auch die Bühne in Form der größten Pyroshow des Festivals: Fackelträger zum Intro, Flammensäulen, Explosionen, Konfettikanonen… Und auf diese Band konnten sich fast alle einigen, es war rappelvoll und ich schaute mir das Treiben mit gebührendem Sicherheitsabstand an. Dabei barg die Setlist einige Überraschungen, man traute sich was und integrierte Songs, die nicht jeder erwartet hatte (wobei ich aber auch zugeben muss, dass das neuere Material zum Teil nicht ganz bei mir zündete). Große Videoscreens spielten zu den Songs passende bewegte Bilder ein, Mille rief zu Chaos, Zerstörung und Mord (sowie einer Wall of Death, das find ich ja immer bischn albern) auf, griff zeitweise selbst zur Nebelpistole, mit der er ins Publikum zielte und die ganze Band bewies viel Durchhaltevermögen. Interessant zu beobachten ist auch, welche Entwicklung diese Musik genommen hat: An einen Gig mit zahlreichen Stagedivern wie früher ist überhaupt nicht mehr zu denken, nicht nur wegen der Absperrung und des Fotograbens – das wäre angesichts der Pyroshow das reinste Selbstmordkommando. Crowdsurfing scheint das Stagediving zu ersetzen, während die Bühnenshow epische Ausmaße angenommen hat. Nach „Civilization Collapse“ gab’s eine kurze Pause, bevor der nächste Dreierblock mit dem Evergreen „Pleasure to Kill“ beendet wurde. Doch auch dann war natürlich noch nicht Schluss, die „Flag of Hate“ wurde geraist und überraschend setzte man den Schlusspunkt diesmal mit „Betrayer“ statt mit „Tormentor“, was ich indes etwas schade fand. Nichtsdestotrotz war auch dieses KREATOR-Heimspiel ein einziger Siegeszug.

Nachtrag: Keine Fotos vom Gig, aber dafür hab‘ ich ein Video gefunden, das zwar fürchterlichen Sound hat, aber eindrucksvoll zeigt, wie’s losging:

Setlist KREATOR:

Intro: Choir of the Damned
Enemy of God
Terrible Certainty
Phobia
Awakening of the Gods
Endless Pain
Warcurse
Mars Mantra
Phantom Antichrist
From Flood into Fire
Extreme Aggression
Suicide Terrorist
Black Sunrise
Hordes of Chaos (A Necrologue for the Elite)
Renewal
Civilization Collapse

The Patriarch
Violent Revolution
Pleasure to Kill

United in Hate (preceded by Acoustic Guitar Intro)
Flag of Hate
Betrayer

Oldschool-Poser

Oldschool-Poser

Nachdem der Pulverdampf verzogen war, schaute ich mir das Ausmaß der Verwüstung an, der Boden vor der Bühne war übersät mit Müll – ein herrlich postapokalyptischer Anblick – und ich beobachtete noch etwas den Abbau, bevor ich mich ins Partyzelt begab. Dort waren diesmal viel mehr Leute am Feiern als am Abend zuvor und musikalisch gab’s erst mal Kontrastprogramm: Ziemlich Hair-Metal/-Rock lastig war es diesmal, was der DJ zu bieten hatte und nachdem ich mich dabei erwischt hatte, BON JOVIs „You Give Love a Bad Name“ lauthals mitzusingen und mir etwas von L.A. GUNS zu wünschen, war es wohl besser, beizeiten den geordneten Rückzug anzutreten. Ich nahm diesmal einen anderen Ausgang und fand mich schnell auf dem idyllischen Weg am Rhein-Herne-Kanal wieder, den ich erneut genoss, bis ich glücklich die Koje bestieg, wo ich nach den vielen gewonnenen Eindrücken etwas brauchte, bis ich in den Schlaf der Gerechten fiel.

Den dritten und letzten Tag ließ ich ziemlich locker angehen, schlief aus und machte mich erst relativ spät auf den Weg. Das Wetter war auf seinem vorläufigen Höhepunkt angelangt und so fiel auch diesmal kein einziger Regentropfen vom Himmel, stattdessen brutzelte die Sonne ziemlich stark. Den Weg am Kanal entlang schaffte ich diesmal weitestgehend ohne die Hilfe von Google Maps, trank vor Ort angekommen erst mal in Ruhe mein mitgebrachtes Frühstückspils und verpasste AIR RAID, die mich nicht sonderlich interessierten und auch SPIDERS, die ich mir durchaus gern angesehen hätte, hätten sie nicht so früh gespielt. Bei den Schwaben von SINNER war ich dann aber am Start und erwartete wieder erst mal nix. Die seit Beginn der ‘80er aktive Truppe um den ewigblonden Frontmann Mat Sinner hatte mich nie sonderlich interessiert und ich brachte sie mit recht unspannendem bis altbackenem Heavy-Rock in Verbindung. Einmal mehr eine gute Gelegenheit, den eigenen Eindruck auf den Prüfstand zu stellen. Der Opener „Crash & Burn“ dürfte dann das einzige Stück gewesen sein, das nicht aus den glorreichen ‘80ern stammte und unter die folgenden Nummern mischten sich dann doch überraschend catchy Singalongs, die sofort zum Mitsingen einluden: Besonders „Bad Girl“ und das diesmal im Gegensatz zur fragwürdigen Plattenproduktion anno dazumal schnörkelfrei und erdig dargebotene „Concrete Jungle“ entfalteten viel Hit-Potential, so dass ich direkt wieder meinen Spaß hatte. Die Band trat mit m.E. leicht überdimensionierten drei Sechssaitern auf und Mat führte hinter seinem Bass sehr souverän und routiniert durch das Set, animierte zu Mitsingspielchen und ließ sich dann und wann auch anmerken, dass auch er durchaus auf seine Kosten kam. Weshalb man angesichts einer Vielzahl eigener Stücke in einem nur 45-minütigen Festivalset nun unbedingt das BILLY-IDOL-Cover „Rebel Yell“ bringen muss und weitere Spielzeit durch ein vollkommen überflüssiges Gitarrensolo verschwendet, weiß der Geier, ich jedenfalls nicht. Mit dem Stampfer „Germany Rocks“ (auf den meine Vorurteile dann doch wieder zutrafen) verabschiedete man sich und ich ließ es mir nach meiner Heimfahrt nicht nehmen, mal in den einen oder anderen SINNER-Song bzw. in das aktuelle „Touch Of Sin 2“-Album hineinzuhören, das zahlreiche Neueinspielungen der Bandklassiker enthält. Ja, die eine oder andere Nummer hat das Potential, auf meinem nächsten Privat-Sampler zu landen.

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Setlist SINNER:

Crash & Burn
Comin‘ Out Fighting
Bad Girl
Born To Rock
Concrete Jungle
Knife In My Heart
Danger Zone
Rebel Yell
Germany Rocks

rock-hard-festival-55Die belgischen ’90er-Thrasher CHANNEL ZERO sind wieder aktiv und haben 2011 und 2014 Comeback-Alben veröffentlicht. Auf dem Rock-Hard-Festival bekamen auch sie eine Chance von mir, wenngleich der Thrash Metal jener Dekade meist nicht mein Ding ist und CHANNEL ZERO nicht gerade Oldschool-Sound zelebrieren. So auch an diesem Tage nicht, aber aufgrund der energetischen Performance geriet der Gig trotzdem ziemlich unterhaltsam. Besonders der Frontmann hing sich voll rein, nutzte es aus, dass er kein Instrument parallel zum Gesang zu bedienen hatte und dank Funkmikro auch an kein Kabel gefesselt war. Er verlieh dem Auftritt viel Aggressivität und Elan und erlaubte sich, begleitet von hastig hinterhereilenden Sicherheitskräften, einen Ausflug ins Publikum auf die Stufen des Amphitheaters, wo er sich auch bereitwillig mitten im Song mit Fans fotografieren ließ. Zuvor hatte er sich schon Wasser über die Rübe gekippt und das eher verhaltene, die Band in Ruhe auscheckende Publikum zu ’nem Mitsing-Spielchen animiert. Die Band zählt nach wie vor anscheinend eher zum Underground und ist nicht übermäßig populär; ich wüsste auch nicht, dass man sie ständig live zu sehen bekommt. So dürften sich viele an diesem Tag erstmals einen Eindruck von CHANNEL ZERO gemacht haben, die sich wiederum einiges an Publikum erspielt haben dürften. Immer noch nicht ganz mein Ding, aber das, was sie machen, machen sie gut! Schade nur, dass es „Tales of Worship“, mein Favorit der Band, nicht ins Set schaffte.

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Setlist CHANNEL ZERO:

Dark Passenger
Animation
Unsafe
Bad To The Bone
Kill All Kings
Electronic Cocaine
Duisternis
Suck My Energy
Black Fuel

Mit am meisten hatte ich mich ja auf REFUGE gefreut, Peavys neue alte Band sozusagen. Nach dem Split der jüngsten RAGE-Besetzung im Frühjahr reanimierte er unter dem Namen REFUGE die erfolgreiche Bandbesetzung bestehend aus ihm, Manni Schmidt und Chris Efthimiadis, die von Ende der ’80er bis Mitte der ’90er aktiv war, also noch vor dem ganzen Orchester-Bombast-Gedöns, und einige der geilsten Songs der Band zu verantworten hatte. Mit RAGE soll es unabhängig davon dennoch weitergehen, aber Bandkopf Peavy hatte einfach wieder Bock auf die alten Gassenhauer. Ich habe die RAGE-Hits erst relativ spät für mich entdeckt und die Band nie live gesehen, freute mich daher nun umso mehr auf Hymnen wie „Enough is Enough“ oder „Invisible Horizons“. Mit „Firestorm“ stieg das Trio ein, doch leider gab’s erst mal Soundprobleme: Von Peavys Stimme war so gut wie nichts zu hören. Es dauerte auch ziemlich lange, bis man das in den Griff bekam, zudem ist Peavys In-Ear-Monitoring direkt beim ersten Song ausgefallen (laut eigener Aussage war es das erste Mal, dass er es überhaupt mit dieser Technik probierte) und seine Setlist hatte er auch vergessen, musste deshalb bei Manni abgucken. Trotzdem wurde es ein schwer sympathischer Gig, ich bekam „meine“ Songs und darüber hinaus manch andere geile Nummer, besonders gut klang das aus vielen Kehlen mitgesungene „Don’t Fear the Winter“ gegen Ende und als Abschluss musste natürlich das titelgebende „Refuge“ her. Sehr schön, deutscher Melodic-Heavy-/Speed-Metal, wie man ihn sich wünscht, dargeboten von einer wunderbar bodenständigen Truppe alter Hasen.

Setlist REFUGE:

Firestorm
Solitary Man
Nevermore
Death in the Afternoon
Enough Is Enough
Invisible Horizons
Certain Days
Light Into the Darkness
Shame on You
Baby, I’m Your Nightmare
Don’t Fear the Winter
Refuge

rock-hard-festival-64Nach diesem Pflichttermin vor der Bühne war wieder „anschauen und auf mich wirken lassen“ angesagt, denn ich war und bin weder sonderlicher UFO-, noch MSG- oder SCORPIONS-Fan, denn da hört’s dann doch langsam auf. Trotzdem weiß ich natürlich um die Verdienste eines Gitarrenhelden alter Schule wie Michael Schenker, der all diese Bands durchlaufen hat. Seit ich begann, mich für Metal zu interessieren, habe ich den Mann auf’m Schirm und wurde vor eben so einem erstmals mit ihm konfrontiert, nämlich als ich mir eine Aufnahme der 1983er „Heavy Metal Night“, jenes Mega-Live-Events in Dortmund, ansah, denn ein Zusammenschnitt dieser wurde 1984 im Fernsehen ausgestrahlt, hatte Signalwirkung auf die Szene und erlangte Kult-Status. Mit hochgekrempelter Lederjacke solierte und fiedelte Schenker da, traf nicht unbedingt immer meinen Nerv, aber „Into the Arena“ muss ihm erst mal jemand nachspielen und das mit seinem damaligen Sänger sehr gefühlvoll intonierte „Rock Will Never Die“ hatte doch Gesicht. Seine aktuelle Inkarnation – nach langen Jahren der Karriere-Aufs- und -Abs – hört auf den Namen MICHAEL SCHENKER’S TEMPLE OF ROCK und ist schon so etwas wie ’ne „Supergroup“: Der anscheinend nur noch mit Kopfsocke auftretende Schenker an der Klampfe, die ex-SCORPIONS Herman Rarebell und Francis Buchholz an der Schießbude und am Tieftöner, ex-RAINBOW Doogie White singt und ein gewisser Wayne Findlay bedient die siebensaitige zweite Gitarre sowie die Keyboards. Ich rechnete mit „Into the Arena“ als Opener, doch weit gefehlt: Direkt mit der genialen UFO-Hymne „Doctor Doctor“ ging’s los hatte man schon gewonnen. Und, ja, es hatte schon etwas, diesen Jahrhundertsong einmal live vom Original-Gitarristen und Komponisten vorgespielt zu bekommen, alles andere wäre gelogen. Weitere UFO-Songs wurden ebenso gebracht wie etwas von MSG und neue Kompositionen, außerdem SCORPIONS-Klassiker wie – ich traue mich kaum, es zu schreiben – „Rock You Like a Hurricane“ und, und das war dann einer meiner Höhepunkte, das Instrumental „Coast to Coast“, das Michael seinerzeit für die Band seines Bruders geschrieben hatte. Diese Melodie mit ihrem klasse Spannungsbogen, die supergefühlvolle Art des Gitarrenspiels… ja, verdammt, ich lauschte andächtig! Beendet wurde der Auftritt mit einer ausgedehnten Version von UFOs „Rock Bottom“ und allerspätestens, als Michael hier zu einem Endlos-Solo überging, zeigte sich der Unterschied zu einem Auftritt wie dem SINNERs zuvor: Während das für sich allein stehende Gitarrensolo im SINNER-Set vollkommen überflüssig erschien und nervte, integrierte Michael seines stilsicher in einen Alltime-Classic und begeisterte ob seiner melodischen, noch immer songdienlichen Spielart damit, man hörte und sah ihm gern weiter zu. Er kann’s eben und darf es deshalb. Michael, der zwischendurch seine schwarzweiße Flying V gegen ein rotschwarzes Exemplar tauschte und seine ganze Band hatten sichtlich Spaß an diesem Gig und der übertrug sich aufs Publikum. Ohne mich je intensiver mit dem Material der unterschiedlichen Stationen Schenkers auseinandergesetzt zu haben, muss ich attestieren, dass das an diesem Abend durchaus alles aus einem Guss klang – bis auf das Keyboard der Marke „Korg Kronos“ (!), das zumindest ich gar nicht gehört habe. Das Spektrum reichte von Hardrock über Heavy Rock bis Heavy Metal, Doogie Whites kräftiger Rock-Gesang mutete zeitlos und zugleich wie eine Zeitreise in die Ära großer, charismatischer Hardrock-Frontmänner an und trotz oder gerade wegen des eindeutig auf seinen Entertainment-Faktor ausgelegten Konzepts mit seinen großen Posen wurde das eine weitere sehens- und hörenswerte Stunde des Festivals, die bei aller Professionalität und Abgewichstheit ihrer Protagonisten doch zweifelsfrei über Seele verfügte. Und, hey, wie gesagt: „Doctor Doctor“, „Coast to Coast“, „Rock Bottom“… und ich wäre kein Kind der ’80er, hätte ich bei „Rock You Like…“, gespielt von drei ex-SCORPIONS, nicht mindestens gegrinst.

Setlist MICHAEL SCHENKER’S TEMPLE OF ROCK:

Doctor Doctor
Live and Let Live
Lights Out
Where the Wild Winds Blow
Natural Thing
Victim of Illusion
Lovedrive
Coast to Coast
Vigilante Man
Before the Devil Knows You’re Dead
Lord of the Lost and Lonely
Rock You Like a Hurricane
Rock Bottom

Ich glaube, im Anschlus an diesen Gig war es, dass ich mich in den Biergarten zur „Kumpels in Kutten“-Lesung mit REFUGE begab. Am Tag zuvor fand das bereits mit MOTORJESUS statt, was genauso wenig eine Lesung war wie diesmal, denn statt aus ihrem sich mit Metal im Ruhrpott beschäftigenden Buch vorzulesen, interviewten die Autoren die jeweilige Band sowohl zum Thema Ruhrgebiet als auch zur allgemeinen Bandentwicklung etc. Das war beide Male sehr kurzweilig und besonders im Falle REFUGEs interessant. Alle drei saßen vorn und beantworteten bereitwillig Fragen, waren – insbesondere Manni – fröhlich und gut drauf, gingen auch noch auf Soloprojekte ein etc. Völlig bodenständig und ohne jede Scheu vorm Publikum sind diese Leute offenbar in all den Jahren geblieben, wirken grundehrlich und sympathisch. Kein Wunder, dass sie einen solch guten Ruf bei den Fans genießen und schwer vorstellbar, dass das derselbe Peavy ist, der diesen ganzen Bombast-Kram mit ins Leben gerufen hat, mit dem man mich jagen kann. War jedenfalls eine sehr informative und heitere Plauderrunde, die von mir aus gern noch länger hätte gehen können.

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Doch nun riefen OVERKILL, die in Deutschland eine ihrer größten Fan-Basen (inkl. eigenem Fan-Club, den „Skullcrushers“) haben und deren Auftritte gerade auf dem Rock-Hard-Festival so etwas wie Heimspiele für die New Yorker sind. Klingt komisch, ist aber so und wer diesen Auftritt sah, wird das bestätigen können. Eine weitere absolute Konsens-Band dieser Veranstaltung, die Ränge waren voll und der Raum vor der Bühne erst recht. Ich weiß nicht, wie oft ich diese Formulierung hier nun schon bemüht habe, aber auch der Thrash der Mannen um Sänger Bobby „Blitz“ Ellsworth ist zumindest auf Platte nicht in vollem Umfang so das, was ich mir bevorzugt aus dieser Richtung anhöre, wenngleich ich das eigentlich gar nicht beurteilen kann, da ich wesentlich mehr aus der umfangreichen Diskografie nicht gehört als gehört haben dürfte. Wie dem auch sei, live hatte ich bisher seinerzeit in Wacken das Vergnügen, das hatte Laune gemacht und ich erwartete hier vor allem ein kollektives Durchdrehen des Publikums. So ähnlich kam es dann auch, es gab einen deftigen Moshpit, Crowdsurfing en masse, zumindest unten stand das Amphitheater kopf. Bei „In Union We Stand“ stand auch ich selbstredend und auf Kracher wie „Electric Rattlesnake“, „Rotten to the Core“ (den ich heiser mitbellte), „Bring Me the Night“ etc. konnte man sich bestens mit mir einigen! Bobby kam zum ersten Song auf die Bühne gesprintet und verschwand zwischen den Songs immer mal wieder nach hinten, um erneut wie ein sprichwörtlicher Blitz nach vorn geschnellt zu kommen. Keine Ahnung, was er da hinten trieb oder ob das schlicht zur Show gehörte, er wirkte jedenfalls überdrehter als damals in Wacken, kreischte irre seine „Deutschländ!“-, „Wie geht’s?!“- und „Verpiss dich!“-Ansagen und verlieh dem Gig noch mehr Energie.  Nach dem überraschend im Mittelteil um JUDAS PRIESTs „Take on the World“ erweiterten „Fuck You“ entließen „OVERKILL!“-Sprechchöre und die zum gehörenden zahlreichen gestreckten Mittelfinger die Band in die Nacht und es war Zeit für mich für’n Bierchen im Biergarten.

Setlist OVERKILL:

Amorist
Hammerhead
Electric Rattlesnake
Powersurge
In Union We Stand
Rotten To The Core
Bring Me The Night
End Of The Line
Horrorscope
Hello From The Gutter
Overkill
Ironbound
Bitter Pill
Elimination
Fuck You / Take On The World / Fuck You

Hier lernte ich nette Menschen aus Wuppertal kennen, darunter den wahrscheinlich einzigen Skinhead des Festivals. Während wir ’nen Klönschnack hielten, begannen die BLACK STAR RIDERS, also die überlebenden Mitglieder der irischen Hardrock-Legende THIN LIZZY und Headliner dieses letzten Abends, ihren Set und wir kamen etwas zu spät, so dass ich „Bound For Glory“, einen der Post-THIN-LIZZY-Hits der Band, leider verpasste. Ja, die Band verlässt sich nicht auf den umfangreichen THIN-LIZZY-Katalog, sondern schreibt unter ihrem neuen Namen fleißig eigene Songs und veröffentlicht diese auf Platten, die gute Kritiken einfahren. Nun werden mich einige sicherlich des Frevels bezichtigen, aber ich hatte es ja wirklich versucht: Vor vielen Jahren wollte ich endlich einmal wissen, was es denn nun wirklich mit THIN LIZZY auf sich hat und habe mich am legendären „Live & Dangerous“-Album versucht, doch erschloss sich mir der Kult um die Band einfach nicht, sorry… Neues Spiel, neues Glück und so suchte ich mir in der Abenddämmerung einen guten Platz auf den Stufen und zog mir – nicht als einziger reichlich erschöpft nach diesem ereignisreichen dritten Tag in der heißen Sonne – in aller Ruhe die Songs rein. Doch, so langsam glaubte ich zu verstehen: Unprätentiöse, coole Rocker trafen auf Ohrwurmmelodien und ich nahm mir vor, mich durch diverse Titel noch einmal in Ruhe durchzuhören, was ich gerade nebenbei tue. Das war schon ’ne reife Leistung, was mir da von drei Gitarren entgegenschallte, ein schöner Soundtrack zum nun langsam doch erhöhten Bierkonsum. Neues BLACK-STAR-RIDERS-Material gemischt mit THIN-LIZZY-Klassikern, was auch hier wie aus einem Guss für meine diesbzgl. ja eher unerfahrenen Ohren klang – wobei es mir besonders „Finest Hour“ angetan hatte. „The Boys Are Back in Town“ durfte ebenso wenig fehlen wie „Emerald“ und natürlich „Whiskey in the Jar“ als musikalischer Schlusspunkt des Festivals, der mich dann noch mal so richtig in Trinklaune versetzte.

Setlist BLACK STAR RIDERS:

Bound For Glory
Jailbreak
Kingdom Of The Lost
Are You Ready
Bloodshot
Charlie I Gotta Go
Bad Reputation
Soldierstown
Suicide
All Hell Breaks Loose
Through The Motions
The Boys Are Back in Town
Finest Hour
Emerald
Killer Instinct
Rosalie
Whiskey In The Jar

Nun galt es, erste Bilanz zu ziehen: Mein Pegelstand befand sich in größerer Höhe als die Abende zuvor, ließ aber noch Luft nach oben zu. Der Inhalt meiner Hosentaschen signalisierte mir, bis jetzt ziemlich gut gehaushaltet zu haben. Das After-Show-Partyzelt lockte mit Mucke aus der Konserve und vielen Feierwütigen und außer der Rückfahrt zur ausschlaffreundlichen Zeit um 15:00 Uhr hatte ich für den nächsten Tag nix mehr auf’m Zettel. Also stürzte ich mich ins Getümmel und ließ es diesmal krachen, berauschte mich am bekömmlichen Veltins vom Fass, lernte klasse Leute kennen und ließ die Sau raus. Die Stimmung war ausgelassen und all die Unermüdlichen hatten noch mal richtig Spaß, bis nach zwei, drei Stunden die Nacht zum Abschiednehmen riet. Als ich am ersten Tag beim Blättern im Programmheft feststellte, dass es sich ausgerechnet um die 13. Auflage des Rock-Hard-Festivals handelte, wurde mir in meinem Aberglauben kurzzeitig etwas mulmig, aber es lief ja alles völlig problemlos, was sollte also noch passieren? Tja, denkste, denn mein Handyakku war so gut wie leer und taugte nicht mehr zur Google-Maps-Navigation. Doch auch, dass ich diesmal einen anderen Ausgang als zuvor benutzen musste, ließ mich nicht skeptisch werden und mit dem Selbstbewusstsein der Alkoholisierung glaubte ich alter Orientierungslegastheniker, das diesmal auch so zu schaffen, einfach am Kanal entlang und irgendwann links und rechts umme Kurve oder umgekehrt, irgendwie… Pfff… Ergebnis: Statt auf den idyllischen Wanderwegen am Wasser fand ich mich irgendwann mitten inne Wicken wieder, schlug mich durchs Unterholz und nach dem Motto „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ wollte ich’s wissen, kletterte durch unwegsames Gelände und an irgendwelchen Industrierohren entlang. Doch das Unterholz schlug zurück, zerschürfte mit Brennnesseln und Dorngestrüpp meine Unterschenkel und brachte mich einmal derart gnadenlos zu Fall, dass ich unschöne Prellungen davontrug. Als ich endlich wieder in der Zivilisation angelangt war, rief ich mir letztlich doch ein Taxi heran und bereitete dem Spuk ein Ende. Warum nicht gleich so? Mann, Mann, Mann… Aber irgendwas ist ja immer und warum nicht einfach noch ein Gratis-Survival-Training dazubuchen, wenn sich die Gelegenheit bietet? Mittags schälte ich mich aus der Koje, packte meinen Rucksack und als ich vor die Tür kam, stellte ich fest, dass es in den frühen Morgenstunden erstmals geregnet haben musste – vermutlich zum Leidwesen der Festival-Camper, die nun im Feuchten ihre Zelte abbauen mussten. Mittlerweile war das Wetter aber schon wieder top und so legte ich die 5,5 km zum Treffpunkt mit meinem „Chauffeur“ zu Fuß (mit wieder funktionstüchtigem Google Maps wohlgemerkt) zurück, um mir noch ein bisschen Gelsenkirchen anzuschauen. Mein Fahrer war ein echter Bleifuß, die Autobahnen waren überraschend frei und das nette Paar fuhr mich sogar bis vor die Haustür, so dass ich in nullkommanix wieder zu Hause war. Ganz großes Kino, meinen herzlichen Dank!

Fazit:

power_of_grayskullFür mich, der ich mich in entspannter Urlaubsstimmung befand und neugierig sowie musikalisch aufgeschlossen, bereit, Meinungen zu bilden, Meinungen zu überdenken, bekannte Bands wiederzuentdecken, neue Bands kennenzulernen und meinen Horizont zu erweitern, meine Reise angetreten hatte, war es eine verdammt lohnende Angelegenheit! Die Bandauswahl hat gemundet, es war gut organisiert und das Wetter spielte exzellent mit. Mit wohl ca. 7.500 Gästen war es nicht überladen und es gab nur wenig Gedrängel. Perfekter Blick aufs Geschehen von fast überall auf dem Gelände, während der Shows tuckerten ab und zu Schiffe hinter der Bühne vorbei. Sich daneben benehmende Security habe ich überhaupt nicht ausmachen können, die machten alle einen entspannten und fähigen Eindruck und boten keinen Anlass zu Ärger. Ebensowenig der absolut überwiegende Teil des Publikums, das aus vielen klassischen Kuttenträgern, aber auch anderen Freunden der Stromgitarre bestand, trotz zeitgleich stattfindenden „Ruhrpott-Rodeo“-Festivals waren ein paar wenige Punks auch dazwischen, mittlerweile typisches Event-Hopper-Volk hingegen so gut wie keines. Obwohl wirklich viel gesoffen wurde und viele schon am frühen Nachmittag einen beachtlichen Pegelstand aufwiesen, blieb der Umgang untereinander i.d.R. friedlich und respektvoll, so dass ich mich stets gut aufgehoben fühlte. Lediglich einen Zwischenfall bekam ich mit: Nachdem irgendein Typ die Freundin eines anderen angequatscht hatte – angeblich nicht unfreundlich oder ausfallend –, hat dieser ohne Vorwarnung einen Faustschlag des Begleiters der Dame ins Gesicht bekommen. Cut an der Augenbraue, Sanitätereinsatz, der Schläger suchte das Weite. Das ist natürlich scheiße, aber wenn das der einzige Zwischenfall dieser Art blieb, ist das natürlich ebenfalls als Erfolg nicht nur für die Veranstalter zu verbuchen. Zu einem weiteren unschönen Ereignis kam es leider ausgerechnet bei den BLACK STAR RIDERS, als ein Crowdsurfer offenbar noch vor Erreichen der Absperrung unsanft mit dem Schädel auf den Boden knallte und ins Krankenhaus musste. Bleibt zu hoffen, dass es ihm wieder gut geht und nichts Schlimmeres passiert ist. Alles in allem beherrschte die vielzitierte Toleranz des Metal-Publikums die Szenerie und ich habe lediglich einen Typen im BURZUM- und zwei Leute im FREI.WILD-Shirt gesehen – was glaube ich eine echt gute Quote für so ein Festival ist und weiter zum Wohlfühlfaktor beitrug. Nur einen mit He-Man-Backpatch dürften viele andere gesehen haben, nämlich mich, und das war der häufigste Anlass für kurze Schnacks, He-Man als Kontakteknüpfer sozusagen, und sei es nur für ein Foto. Offenbar bin ich längst nicht der einzige, der den blonden Conan-Verschnitt, seine Battle Cat, Skeletor & Co. für vollkommen Metal-kompatibel hält und schon gar nicht allein mit meinem Humor. Dass auch uneingeweihtes Jungvolk anwesend war, erfuhr ich aber u.a. durch Gespräche wie das buchstäblichen hinter meinem Rücken geführte in irgendeinem von mir nicht verortbaren Dialekt: „Was is des?“ – „He-Man, Masters of the Universe… und sein Gegner Skeletor. Da warste noch net auf der Welt, als des in war…“ Seufz. Nichtsdestotrotz habe ich für mich beschlossen, nicht noch einmal allein auf solch ein Festival zu fahren, denn wenn man jemanden an der Seite hat, mit dem man fachsimpeln kann, macht’s einfach noch mehr Spaß. Lange Haare sind mir übrigens keine gewachsen und das erste Streetpunk-Konzert liegt auch schon wieder hinter mir, man hat mich also nicht assimiliert. 😉

rock-hard-festival-10Und sonst so? Das Essensangebot war erwartungsgemäß fleischlastig, für mich gab’s Falafel, China-Nudeln, Fisch, Pizza und Salattasche. Hungern musste ich also nicht, die Qualität war „geht so“ bis gut. Natürlich hätte ich mir einen Stand mit speziellen Veggie-Leckereien gewünscht, aber ich sehe ein, dass sich ein solcher für 7.500 Menschen, von denen die meisten leider immer noch kultisch dem Verzehr toter Säugetiere frönen, vermutlich nicht lohnen würde. Die Essenspreise waren überwiegend zu hoch, die Getränke schlugen mit 3,50 EUR für 0,4 Liter zu Buche. Das ist alles besonders auf Dauer arschteuer, aber leider Festival-Standard. Die Rock-Hard-Veranstalter werden ihre Gründe haben, davon nicht abzuweichen und haben immerhin mit der gestatteten Wassermitnahme ein angenehmes Zugeständnis an die Besucher gemacht, aber ich empfinde es als meine Pflicht, unermüdlich darauf hinzuweisen, dass das Preisleistungsverhältnis hier schlicht nicht mehr stimmt. Erfreulich allerdings die Rock-Hard-Sonnenbrillen für 6,- EUR. Während in der Händlermeile ein Modell hässlicher als das andere für ’nen Zehner vertickt wurde, gab’s hier für notorische Sonnenbrillenverlierer wie mich ein zeitlos schickes, headbangtaugliches Exemplar zum angemessenen Preis – sozusagen die Metalvolkssonnenbrille. Und obwohl ich eigentlich keine Festival-Shirts kaufe, ist das Motiv mit dem gitarrespielenden Skelett derart gelungen, dass ich den Lappen haben musste. Premiere in meinem Kleiderschrank! Zusammen mit dem Programmheft und den gratis verteilten Aufklebern ein schönes Erinnerungsstück. Für unterstützenswert halte ich auch das Konzept, in großen Containern Dosen- und Flaschenpfand zu sammeln, das bei einem solchen Festival ja erfahrungsgemäß in rauen Mengen anfällt, um den Erlös ’nem guten Zweck zu spenden.

Hiermit beende ich mich meine kleine Retrospektive vom Rock-Hard-Festival 2015. Karsten, Aller, ich weiß nicht, ob du letztlich wirklich dabei gewesen wärst, zum richtigen Planen kamen wir ja leider nicht mehr. Ich hab’ aber an dich gedacht, auf dich getrunken und hoffe, du hattest besonders gute Sicht aus Valhalla auf VENOM, KREATOR und GOD DETHRONED! Ob ich nächstes Jahr wiederkomme, mache ich vom Bandaufgebot abhängig, oder sagen wir mal so: Ich würde sehr gerne gute Gründe haben, wiederzukommen! Dann hoffentlich mit ein, zwei Mitstreitern, einem uns im Biergarten erwartenden Bigscreen oder einer Leinwand für die Bundesliga-Konferenz (könnte man dann ja auch für andere Zwecke nutzen, Stichwort Musikvideos!) bei reduzierten Getränkepreisen und… ok, schon gut, aber wie heißt es so schön? Erwarte nichts – verlange alles. 😉 Ich werde jetzt mein Musiksammlung erweitern und freue mich schon wie Bolle auf die „Rockpalast“-Zusammenschnitte des Festivals, die der WDR jeweils in der Nacht von Sonntag auf Montag am 22.06.2015, 29.06.2015 und 06.07.2015 jeweils von 00:15 bis 02:45 Uhr überträgt!

Danke an Dieter Dengel, auf dessen fantastische Fotos ich zurückgreifen durfte. Die schlechten sind von mir, die guten von ihm (s. auch die Bildunterschriften). Schaut euch auch seine anderen Arbeiten in seinem Fotoblog an: http://fotoblog.dengelnet.de/

Die Setlists habe ich mir im Netz zusammengesucht bzw. abgeglichen, z.B. auf www.setlist.fm und www.the-pit.de – danke auch denjenigen, die sie fleißig mitschreiben und veröffentlichen!

Abschließend noch ein paar Schnappschüsse: