pestpockenAls ich vor etlichen Jahren zum ersten Mal von der Existenz der Gießener HC-Punks PESTPOCKEN erfuhr, geschah dies in Form der kultigen „Punk aus Hesse, ‚uff die Fresse!“-Sampler-EP, auf der die Band u.a. mit ihrem wenig pazifistischen Klopfer „Auf die Fresse“ vertreten ist. Ich besorgte mir schnell die ein, zwei EPs, die es sonst noch gab, sowie das Demo-Tape und war ziemlich begeistert. Als dann irgendwann die ersten Alben erschienen, steckte ich mittendrin in den damals grassierenden Diskussionen um Oi!- und Polit-Punk etc. und bemerkte, wie sich die Band zunehmend um ein Image bemühte, das möglicherweise nach meinem Geschmack nicht mehr ganz zum genial-kompromisslosen Aus-dem-Bauch-heraus-auf-die-Kacke-Hauen der alten Rotzhammerattacken passen wollte, und verlor ein wenig das Interesse an der Band. Später fiel mir auf, dass die Damen und Herren ab und zu die Besetzung wechselten, aber auch mit ihrem perfekten Nieten- und Stachelpunk-Styling die Öffentlichkeit zu suchen schienen und beispielsweise für den „Chaostage“-Film ihre Rüben vor die Kamera hielten. Mittlerweile hatte ich mich aber auch musikalisch generell etwas umorientiert und die PESTPOCKEN spielten für mich persönlich keine größere Rolle mehr. Die Top-Kritiken, die der jüngste Longplayer gemeinhin eingeheimst hat, sind mir aber ebenfalls nicht entgangen und als ich zum Nachholgig des ursprünglich wegen Krankheit abgesagten Gigs in meiner Hamburger Stammkneipe Skorbut tatsächlich Zeit hatte, war ich dann doch neugierig genug, um mir die Combo nach vielen Jahren mal wieder live zu geben. Ich wurde Zeuge einer Band, die schon längst nicht mehr als unbedingte „Vorzeige-Boy-and-Girl-Group des Deutschpunk“ durchgehen würde, wenngleich Frontsau Danny sich den Scheitel noch immer mit Axt und Wasserwaage zu ziehen scheint. 😉 Aber lassen wir diese unnötigen Oberflächlichkeiten und schlechten Witze, denn zunächst einmal blies mich Andrea ziemlich weg. Der Set schien mir recht stringent zweigeteilt zu sein und zunächst die Songs zu berücksichtigen, die die junge Dame schmettert – und wie sie das tat! Im gut gefüllten Skorbut stellte sie sich ohne jede Skrupel oder Berührungsängste dem gierigen Pöbel und stürzte sich runter von der kleinen Bühne in den Mob, wo sie ebenso aggressiv wie sportlich, in jedem Falle verdammt energie- und wutgeladen, druckvoll und nicht nur konditionell überzeugend Song um Song herausbrüllte, als gäbe es kein Morgen mehr. Das Publikum dankte es entsprechend und ich kann nur sagen: Respekt, die Dame! Das klang alles wie ’ne Art Mischung aus dem klassischen PESTPOCKEN-Sound und derbem Hardcore und ging recht flott zur Sache, ich fand’s auch musikalisch nicht verkehrt. Nach ca. der Hälfte des Sets trat der wesentlich hünenhaftere Danny von der Bühne und es kamen logischerweise die Songs mit vornehmlich männlichem Gesang zum Zuge. Mitten rein in den Mob, hieß sein Motto, und der Härtegrad vor der Bühne steigerte sich. Die Songs schienen sich mir jetzt mehr hin zum altbekannten PESTPOCKEN-Klopper-Sound zu bewegen, mit dem Schlagzeug in Richtung D-Punk-Uffta, aber eben diesem derbst-aggressiven Grölgesang darüber, der leider hin und wieder von Mikroausfallen gestört wurde. Auch das war ’ne sichtbar körperlich anstrengende Nummer, wenn den Mann aber auch so schnell sicher nichts umhaut. Der Pöbel fand manch Song zur lautstarken Unterstützung und die Background-Chöre von der Bühne kaschierten das streikende Mikro oft ziemlich gut. Die den Songs innewohnende Aggressivität fand in einem harten, aber fairen Geschehen vor der Bühne seine optische Entsprechung und das passte alles gut zusammen, hatte Hand und Fuß und war zu jeder Sekunde authentischer und mehr Werbung für Punkrock als manch lahmarschige Studentencombo oder gelackte trendy, ach so coole Sonstwas-Punkband. Die Message, die rüberkam, war: Keine Kompromisse, kein Rumgeeier, ehrlich und direkt auf die Zwölf. Natürlich gefällt mir das, wenn ich mir auch manch Song noch besser und möglicherweise derber vorstellen könnte, würde man den Schlagzeugbeat stärker variieren und sich generell mehr an pfeilschnellem Hardcore orientieren – denn dieser mittlerweile hier von mir oft zitierte PESTPOCKEN-Sound gefiel mir doch immer noch am besten bei den alten Kult-Stücken, von denen ich z.B. ein „Auf die Fresse“ hier schmerzlich vermisste. Ob das einem gestiegenen lyrischen Anspruch gewichen ist, den ich in Ermangelung der jüngeren Tonträger zurzeit leider nicht, äh, „überprüfen“ kann? Wie dem auch sei, so viele Jahre in diesem Metier mit soviel Nachdruck tätig zu sein und seine Energie ohne Rücksicht auf Verluste in einen solchen Auftritt zu legen, erkenne ich voll an und fand den Gig unterm Strich nicht nur interessant, sondern überraschend gut. Anschließend ging ich dann noch ’nem netten Klönschnack mit Gitarrero Chris nach, den ich flüchtig aus manch Internetdiskussion kannte und nun erstmals persönlich traf. Nie gesehen und doch gleich erkannt. 😉 Der eröffnete mir, dass er die Band in Kürze verlassen wird und ein Crust-/Metal-Punk-Projekt am Start hat, auf das er sich dann stärker konzentrieren wird. Man darf gespannt sein, ich wünsche jedenfalls viel Glück und Erfolg. Dass BOLANOW-BRAWL-Bassist Stulle das Gespräch immer wieder jäh mit schier endlosen auswendig gelernten BADESALZ-Zitaten unterbrach, gehört hier allerdings nicht hin… 😉