elbdisharmonie 2014Zum sechsten Mal in Folge blies man auf der Balduintreppe vorm Hamburger Hafen zum Gratis-Soli-Festival „Elbdisharmonie“. Nachdem ich letztes Jahr passen musste, war ich diesmal wieder dabei, einer von vielen unter hunderten Besuchern, die sich bei für Hamburger Verhältnisse recht okayem Wetter mit nur gelegentlichen Regenschauern an, auf und um die heiligen Stufen herum versammelt hatten. Da es bereits um 15:00 Uhr losging, ich aber erst gegen 18:00 Uhr eintraf, verpasste ich manch Darbietung. CREAM OF THE CRAP galt dann mein erstes Interesse. Die Punkrockband hatte ich vor zwei Jahren mal im Bergedorfer Flop gesehen, wo sie mir ziemlich gut gefiel. Und noch immer wussten das melodische bis rotzige, englischsprachige Material gut zu gefallen, zündete manch Song auf Anhieb und überzeugte mich vor allem die überaus fähige Sängerin. Schade nur, dass zwar der Gitarrist gelegentlich etwas poste, die, äh, „instrumental ungebundene“ Sängerin sich jedoch nicht mehr als nötig bewegte, wodurch die Band zuweilen eine gewisse Lustlosigkeit ausstrahlte, die ich ihr aber natürlich keinesfalls unterstellen möchte. Und wenn eine hübsche Sängerin „Now I Wanna Be Your Dog“ singt, ist das doch auch noch mal etwas ganz anderes, als wenn das der olle Iggy macht… ähem. Vor und nach der Band sowie vermutlich zwischen allen weiteren Acts freestylten übrigens ein talentierter Hip-Hopper und ein offensichtlich nicht unbedingt jener Subkultur entstammender älterer Herr, der sich den Spaß trotzdem nicht nehmen ließ, zwischen den Publikumsreihen diverse Reime zum sozialkritischen Anspruch des Festivals, was auf mehr oder weniger Interesse stieß, in jedem Falle aber eine kreative Abwechslung zum herkömmlichen Halten von Protestreden darstellte. Mehr aus der Ferne lauschte ich anschließend den ersten Songs der Ska-Coreler SKANKSHOT. Da wurde hektisch geskankt und brachial HC-gewütet, technisch kompetent und mit Leidenschaft, aber ich muss gestehen, dass diese Ska-mit-Terror-Verwurstungen meines Erachtens mit CHOKING VICTIM und deren Nachfolgern LEFTÖVER CRACK ihren Höhepunkt erreicht haben und ich seither vieles, was da meines Erachtens weder stilistisch noch sonstwie heranreicht, weitestgehend mit Ignoranz strafe. Möglicherweise ein Fehler, ich weiß. In der Abenddämmerung war es dann an INVISIBLE URCLE, die musikalische Bandbreite des Festivals erneut zu erweitern. Hatte ich noch nie von gehört und entpuppte sich als Hip-Hop- und Reggae-lastiges Projekt mit ich glaube Keyboards und Geige sowie vielen unterschiedlichen Sängerinnen und Sängern, die gern im Doppelpack auftraten. Die Songs schwankten von annehmbar bis zu nervig und unhörbar, so dass ich mich mit meiner Begleitung alsbald ins Ahoi zurückzog. Uns wieder herauszulocken schafften schließlich DAS KARTELL, jene deutsche Ska-Band, in die ich nun meine Hoffnungen setzte. Jedoch klangen mir auch hier wie bei so vielen deutschen Ska-Bands die Songs zur sehr nach Kirmes und Fröhlichkeit, dafür zu wenig nach Roots, nach Seele, nach Lebensgefühl. Es ist schon irgendwie bezeichnend, wenn ausgerechnet eine Cover-Version, das kongeniale, leicht melancholisch, typisch britische „My Girl“ von MADNESS, den Höhepunkt des Sets bildet. Dafür wurde diese Version aber sehr originalgetreu vorgetragen und machte Laune. Der Rest war musikalisch perfekt, aber für meinen Ska-Geschmack kommt einfach nicht das rüber, was ich an dieser Musik, besonders am Two-Tone längst vergangener Tage, wirklich schätze – sorry, Jungs. Das war’s dann auch mit dem offiziellen Teil, im Ahoi legte DJ KERNSEIFE noch ‘ne ordentliche musikalische Melange auf die Teller, die sich gewaschen hatte. Über den Rest der Nacht hülle ich den Mantel des Schweigens, nur so viel noch: Obwohl dieses Jahr nicht unbedingt meine Lieblingsbands spielten, war es ein geiles Festival! Die Musik steht hier nämlich gar nicht wirklich im Vordergrund. Es sind vielmehr das ganze Drumherum, die gute Organisation, der antikommerzielle Charakter, das Zusammenkommen und das solidarische Miteinander und natürlich die gute Lage zwischen zwei der bedeutendsten Kneipen Hamburgs, das den Aufenthalt so angenehm macht. Die trotz aller dargebrachten Kritik an Hamburger Verhältnissen positive Grundstimmung überträgt sich aufs Publikum und wenn das Wetter auch noch einigermaßen mitspielt, fühle ich mich dort wohl – egal, wer genau da nun gerade auf der Bühne steht. Insofern danke für das Festival und viel Durchhaltevermögen für die nächsten Jahre!