Endlich mal wieder ‘ne Auswärtsfahrt – eine aufgrund der freundschaftlichen Bindungen zwischen der Hamburger Lobusch und dem Stendaler Zenit eigentlich überfällige. Am Samstag war’s endlich so weit, und da wir nur das Nötigste an Equipment mitzuschleppen brauchten, konnten wir bequem mit Regionalbahnen hin und auch wieder zurück. Zumindest fast, aber dazu später mehr. Da wir alle so’n Schland-Ticket haben, fielen nicht mal Spesen an. Dass wir so blöd waren, statt in Schwerin schon in Schwerin-Süd umzusteigen, brachte den Zeitplan glücklicherweise nicht durcheinander, denn unser Anschlusszug hielt auch dort. Auf der letzten Teilstrecke mit einer ungewöhnlich komfortablen S-Bahn sahen wir ganz ohne bewusstseinserweiternde Substanzen einen fetten Regenbogen, bevor wir pünktlich (wenn Könige reisen, oder wat?) am Stendaler Bahnhof eintrafen und stante pede abgeholt und zum Zenit chauffiert wurden. Bei diesem handelt es sich um ein ehemaliges Tanzlokal in sehr angenehmer Größe, das nun von der örtlichen Punkszene verwaltet wird. Die Zeit scheint dort stehengeblieben zu sein: Die 0,33-l-Pulle Bier kostet ‘nen lumpigen Euro, das große Ur-Krostritzer einsfuffzsch. Es gibt ‘ne Bar, ‘ne Küche, wo uns ein schmackhaftes Chili zubereitet wurde, ‘nen großen Billardtisch, Kicker etc., ‘nen Vorraum für Merchstände, einen Proberaum und ‘nen mit Matratzen ausgestatteten Schlafsaal für die Bands. Ich kam mir vor wie im sozialistischen Ausland.
Wir waren nur zu dritt gereist, da unser Basser Holler tags zuvor in Wismar mit seiner anderen Band, den THRASHING PUMPGUNS, gelärmt hatte und direkt von dort mit seinem persönlichen Fahrer anreiste – leider etwas lädiert und ohne Brille. War anscheinend hoch hergegangen, was seinen Tribut forderte. Ziemlich flott konnten wir das Schlagzeug aufbauen, uns auf der Bühne einrichten und soundchecken, während nach und nach die anderen beiden Bands eintrudelten. Probleme machten die Monitore, die partout nicht funktionieren wollten, bis Eisenkarl die Verkabelung zusammen mit dem Soundmann inspizierte und die Ursache fand. Da wir nun ohnehin schon unsere Plünnen und unseren Sound auf der Bühne hatten, bot es sich an, den musikalischen Teil des Abends auch zu eröffnen, was wir gegen 21:15 Uhr in einer zwar nicht rappelvollen, aber für ein sachsen-anhaltinisches Städtchen wie Stendal beachtlich gefüllten Bude taten. Die Stimmung war gut, während wir unsere 16 Nummern durchpeitschten, und ein paar Leute brachten wir zum Tanzen. Bei unserem jüngeren Material holperte es hier und da noch ein wenig, dafür gab’s mit „Another Hero Undead“ eine Live-Premiere. Unser PROJEKT-PULVERTOASTMANN-Cover zockten wir als Zugabe. Anschließend konnten wir das Gefühl genießen, die „Arbeit“ erledigt zu haben und trinkenderweise die anderen Bands zu begaffen.
PEST HOLE aus (passenderweise) Finsterwalde spielen todesmetallischen Crust-Punk und zockten tags zuvor bereits mit den PUMPGUNS in Wismar. Ob sie Hollers Brille auf dem Gewissen haben, ist nicht überliefert, auszuschließen ist es aber nicht, denn der Sound des Trios mit gutturalen, halligen Aggro-Vokills kracht splitternd auf die Zwölf und erfreute insbesondere jenen Teil des Publikums, der auf die grobe, tiefgestimmte Kelle steilgeht. In No-Bullshit-Manier zog man konsequent durch und war schon fertig, als ich mich aus der Merch-Ecke losgeeist und gerade auf sie eingegroovt hatte. ‘ne Zugabe gab’s leider nicht, ging ansonsten aber absolut klar!
Selbstbeschreibung KULTURROTZE, aus dem Netz geklaubt: „Wir spielen dreckigen, ehrlichen Kellerpunk, keine überproduzierte, geleckte Musikstudenten-Heulsusen-Plasticpunk-Scheisse. Wir sehen uns in Tradition alter 80/90er Deutschpunkbands vor allem jedoch in Zonenpunk!“ Dat kann man auch gut so stehenlassen, denn was die drei Bitterfelder und die Bitterfelderin da aufs Tapet brachten, war die gute alte, wütende HC-/Rotzpunk-Schule mit direkten, offensiven Texten und bewusst einfach gehaltenem Sound, der live fast genauso gut sägte wie ich später auf der Matratze. Lief ebenso gut rein wie das Ur-Krostritzer und besiegelte mit der Zugabe, dem VORKRIEGSJUGEND-Cover „Vaterland“, einen geilen Konzertabend.
Ein Großteil der Anwesenden blieb noch länger vor Ort, kaufte fleißig Merch, man konnte sabbeln, feiern und wir uns irgendwann gehackt legen, um in Form eines Schnarchkonzerts ein paar späte Zugaben zu kredenzen und den armen Kai Motherfucker damit um den Schlaf zu bringen… Danke ans Zenit für die herzliche Gastfreundschaft, Essen, Freibier, Pennplätze, das Brötchen-Kaffee-Vita-Cola Frühstück am nächsten Morgen und die unverhoffte Einlage in die Bandkasse, mit der wir gar nicht gerechnet hatten! Zur Mittagsstunde fuhr man uns wieder zum Bahnhof, von wo aus wir diesmal nicht um den Ersatzverkehr mit dem Bus nach Uelzen herumkamen, der quer durch die niedersächsische Tristesse tuckerte… Trotzdem kamen wir auch pünktlich zu Hause an, nix zu meckern also!