Günnis Reviews

Autor: Günni (page 43 of 107)

22.10.2016, Bambi Galore, Hamburg: Iron Underground Vol. 1 mit IRON KOBRA, WITCHING HOUR, MIDNIGHT PREY, VULTURE und CHEROKEE

iron-underground-vol-1-bambi-galore-hamburg-20161022Endlich mal wieder nach Billstedt zu Hamburgs Top-Adresse in Sachen Mäddl: „Iron Underground Vol. 1“ hieß der Anlass, für den gleich fünf Bands über die Bühne geschliffen wurden. Zu Hause brach ich die Sportschau ab und machte mich auf den Weg, denn schon um 20:30 Uhr eröffneten CHEROKEE den Abend, die für die leider verhinderten HH-Thrasher REAVERS eingesprungen waren. Die Kölner zockten gediegenen Retro-Hardrock mit weiblichem Gesang, der in seinen stärksten Momenten etwas an THIN LIZZY erinnerte. Auf der Bühne ging ’ne Buddel Whiskey um und wenn CHEROKEE bischn Gas gaben, ging’s mir gut ins Ohr, ansonsten war‘s aber weniger meine Mucke und bei Räucherstäbchen (die immerhin in einem Tierschädel steckten) krieg‘ ich tendenziell Plaque, während ich Fransenwesten zu keinesfalls erhaltenswerten ‘70er-Modesünden zähle. Nichtsdestotrotz hatte die Sängerin ’ne gute Stimme, verstand ihr „Handwerk“ und waren auch ihre Kollegen technisch durchaus versiert, so dass Freunde dieser Musik mit CHEROKEE auf ihre Kosten kommen dürften.

VULTURE aus NRW hatten ihr Anfang des Jahres erschienenes Demo-Tape auf eine 4-Track-Mini-LP gepresst, die im Deaf Forever von Götz Kühnemund direkt zu seiner „Speed-Metal-Scheibe des Jahres“ gekürt wurde. Das dürfte dem Quintett einen ordentlichen Popularitätsschub beschert haben, tatsächlich sind VULTURE seit einiger Zeit in vielerlei Munde. Die Band hat sich quasi direkt aus der Mitte der ’80er rübergebeamt, um fiesen Speed Metal irgendwo zwischen EXCITER, AGENT STEEL und NASTY SAVAGE zu zelebrieren. Und letzteres kann man hier ruhig wörtlich nehmen, denn vom großartigen Artwork ihres Merchandise über das Bandlogo bis hin zur Bühnenpräsenz versucht die Band offenbar, ein zur Musik passendes ästhetisches Gesamtkunstwerk zu schaffen. Während des Soundchecks sicherte man sich eine Überdosis Hall auf den Gesängen und nach dem Intro begann man den o.g. Sound nach allen Regeln der Kunst zu schroten – zunächst nur einen Song lang, dann gab’s ein Zwischendrintro aus der Konserve und weiter ging’s. VULTURE zogen fiese Grimassen, spielten gemeine Riffs und ließen’s ordentlich krachen, dann und wann erklang ein Soundeffekt aus dem Off als nettes Detail und irgendwann musste JUDAS PRIESTs „Rapid Fire“ dran glauben. Atmosphärisch war das astrein und ich fühlte mich tatsächlich um Jahrzehnte zurückversetzt, mit dem Hall hatte man’s dann aber doch etwas übertrieben. Besagte Vier-Song-Scheibe hatte ich mir einige Wochen zuvor bisher nur einmal im Netz reingezogen (und für hörenswert befunden); über welche Halbwertszeit das Material abzgl. Image und Drumherum verfügt, wird der Test der Zeit zeigen. Relativ früh verließ man die Bühne, vor der es sich sehr gut gefüllt hatte, musste aber noch für eine Zugabe ran. Diese wurde kurioserweise von einem der Gitarristen gesungen, der von einem der WITCHING-HOUR-Klampfer als Gast unterstützt wurde. VULTURE können auf jeden Fall wat und ich hatte nach diesem rippenden Speed-Metal-Inferno Laune!

Und zwar auf MIDNIGHT PREY aus Hamburg, die bisher zwei Demos und die EP „Rite of Blood“ am Start haben. Direkt beim Soundcheck riss Gitarrist und Sänger Winston ‘ne Saite, so dass sich der Beginn etwas verzögerte. Dann jedoch überzeugte das Trio mit speedigem, düsterem Metal mit peitschenden Drums, zeitweise klagendem Gesang und ebenfalls ‘ner ordentlichen Dosis Hall, sodass eine nicht minder atmosphärische Stimmung den Club ergriff. Auch dieser Auftritt machte von der ersten bis zur letzten Sekunde Spaß und das MANILLA-ROAD-Cover „Necropolis“ besorgte den Rest. Daumen hoch!

WITCHING HOUR aus dem Saarland haben sich dem Black-Thrash verschrieben, einer Oldschool-Spielart, die sich ungebrochener Beliebtheit erfreut und immer wieder neue Bands hervorbringt, die sich von VENOM und den Anfängen des Teutonen-Thrash beeinflusst zeigen. Ich musste erst mal recherchieren, inwieweit mir speziell diese Vertreter schon mal untergekommen waren, mit dem Ergebnis, dass ich zumindest schon mal reingehört und mir einzelne Songtitel notiert hatte. Die Jungs sind schon länger dabei und bringen’s neben ‘ner Split-Scheibe und einer EP bereits auf zwei Langdreher. Shouter/Gitarrist Jan hat sich anscheinend seiner langen Loden entledigt, was der Qualität der Band jedoch natürlich keinen Abbruch tat. Superaggressiver Black-Thrash entzündete ein wahres Inferno, jedoch ohne melodische Einsprengsel vermissen zu lassen, die die einzelnen Songs mit Wiedererkennungsmerkmalen und – auch auf die Gefahr hin, diesen Begriff heute überzustrapazieren – Atmosphäre versehen. Publikumsliebling schien „Barbed Wire Love“ zu sein, bei dem’s vor der Bühne noch mal richtig abging und es folgte im Anschluss direkt noch ein Kracher ähnlichen Kalibers hinterher. Auch WITCHING HOUR hatten ordentlich Hall auf dem Gesangsmikro, der Drummer gereichte mit seinen Fills Chris Witchhunter zur Ehre und als man in die Cover-Kiste griff, förderte man EXODUS‘ „Metal Comand“ zu Tage. Auch wenn vor der Bühne die Kräfte langsam nachließen, war das ein immens starker Gig, der mit einem schön langgezogenen Live-Outro endete. Schade, dass die Band keinen Merch dabei hatte, ich hätte mir glatt etwas mitgenommen.

Wesentlich fröhlicher ging’s schließlich bei den Power./Speed-Metallern IRON KOBRA auf der Bühne zu, denen die Aufgabe zuteilwurde, den Abend ausklingen zu lassen. Wobei das sicherlich das falsche Wort ist, denn die Gelsenkirchener, die Hamburg in schöner Regelmäßigkeit beehren, mobilisierten noch mal alle Kräfte. Anscheinend in Aushilfsbesetzung angetreten, stellten sie die Frage „Habt ihr noch Bock auf Heavy Metal?!“, worauf es natürlich nur eine Antwort gab. Weit mehr als während ihres Sommer-Gigs bei den Tipsy Apes verwandelte die Band ihre Bühne zur Partyzone, grinste sich bestens aufgelegt kräftig eines und interagierte mit dem Publikum. Das etwas kuriose, deutschsprachige „Wut im Bauch“ fehlte ebenso wenig wie eine ausgedehnte Fassung von „Heavy Metal Generation“, für das der Sänger seine Klampfe abschnallte und sich ins Publikum gesellte, wo jeder mal mitsingen durfte. Die CHEROKEE-Sängerin wurde beim Stagediving beobachtet, ‘ne Zugabe gab’s auch noch auf die Löffel und nach viel zu vorgerückter Stunde dann doch kräftezehrendem kollektivem Headbanging, Fistraising und Mitgröling hieß es irgendwann „Jetzt wird gesoffen!“, was die Band in erster Linie auf sich bezog, denn sie hatte ihre Schuldigkeit wahrlich getan. Anstatt mir weiter die Kante zu geben, trat ich den geordneten Rückzug an und freute mich über einen weiteren großartigen Abend in Hamburgs Metal-Club Nr. 1, der einem mit gleich fünf Bands auch einiges abverlangte – doch es hat sich gelohnt!

Schön zu sehen, welch hochklassiges Aufgebot bei moderaten Preisen zusammengestellt werden kann,  wie der deutsche Metal-Untergrund brodelt und mit welchem Engagement und welcher Attitüde die Leute dabei sind, um ihn am Kacken zu halten. Wann folgt Iron Underground Vol. 2?

01.10.2016, Der Clochard, Hamburg: S.O.R.B. + TOBSUCHT + UPPER CRUST + AUSVERKAUFT

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S.O.R.B. aus dem Flecken Harsefeld (bei Buxtehude) sind wieder aktiv und feierten gleich mal ihr 25-jähriges Jubiläum mit drei befreundeten Bands mitten auf dem Hamburger Kiez. Als Ort der Sause hatte man den Clochard auserkoren, eine berüchtigte 24-Stunden-Asi-Kneipe auf der Reeperbahn, die seit einiger Zeit auch regelmäßig Gratis-Konzerte veranstaltet. Ich hatte die Kaschemme seit gefühlt 100 Jahren nicht mehr betreten, das Konzert dort war für mich somit ein Novum. Freier Eintritt ist natürlich angenehm, die Getränkepreise liegen etwas über denen beispielsweise des Menschenzoos und das Ambiente ist rustikal-siffig. Über allem liegt der Geruch von Klostein, gegen den es an einem Abend wie diesem kräftig anzurauchen und -zuschwitzen gilt. Ein nettes Alleinstellungsmerkmal ist die Dachterrasse, auf der man frische Luft inhalieren kann und die mit einem Netz gegen Flaschenwürfe o.ä. gesichert wurde. Als AUSVERKAUFT, die sich anscheinend aus verschiedenen niedersächsischen Örtchen rekrutieren, pünktlich um 22:00 Uhr loslegten, war die Bude ratzfatz gerappelt voll. Eine Sitzbank trennte den Bühnenbereich vom Publikum und diente in erster Linie dazu, zu verhindern, dass ständig jemand in Band oder Equipment/P.A. fliegt. Vom ersten Akkord an hatten AUSVERKAUFT den Pöbel auf ihrer Seite, der ausgelassen tanzte und feierte. Geliefert wurde ungezwungener Gröl-und-Sauf-Dorf-D-Punk von der Basis für dieselbe, wie er glücklicherweise allen musikalischen und szeneinternen Trends zum Trotz nicht totzukriegen ist und mit seinem bisweilen etwas naiven Asi-Charme all denjenigen Laune macht, die SCHLEIM-KEIM für eine der besten Bands halten, gern mit Kasenknoter und Billigfusel in Fußgängerzonen rumhängen und Staat und Gesellschaft mehr so suboptimal finden – Menschen wie dir und mir also. Nach einer ganzen Reihe eigener Songs wurde der Cover-Koffer geöffnet und so erklangen LOIKAEMIEs „Good Night White Pride“ ebenso wie die LANDSER-Verballhornung „Mein Opa war Suppenkoch bei der RGF“, THE EXPLOITEDs „Sex and Violence“ und KNOCHENFABRIKs „Filmriss“ (der glaube ich direkt 2x hintereinander gespielt wurde). Zwischendurch kam der Drummer nach vorn und sang irgendeine extrem alberne Nummer und ein Quoten-Offbeat-Song hatte sich auch noch eingefunden. Letztendlich zockten AUSVERKAUFT über eine Stunde und sollten bis zum Schluss die euphorischsten Reaktionen eines Publikums hervorrufen, das sich im weiteren Verlauf des Abends dann doch spürbar ausgepowert zeigte.

UPPER CRUST waren wieder vollzählig mitsamt Shouter am Start. So weit, so gut und ich hab‘ in der Vergangenheit ja schon mehr als genug zur Band geschrieben, die an diesem Abend leider arge Probleme mit dem Sound hatte. Der Gesang bewegte sich zwischen den Polen schemenhaft wahrnehmbar und hoffnungslos übersteuert, so dass UPPER CRUST nicht den besten Abend erwischt hatten. So ganz ihr Publikum war das dann auch nicht, doch wer mit dem Material der LP vertraut war, konnte trotzdem Kracher wie „Leeres Zimmer“ oder „Hypochonder“ feiern.

Im Anschluss also S.O.R.B., die ich Ende der ‘90er mal im Fundbureau (keine Erinnerung mehr dran) und Anfang der 2000er auf dem Buxtehuder Birkenhain gesehen haben dürfte. Mehr als die Split-7“ mit LINKSABBIEGER (1996) und die 7“-EP „Kotz nicht“ (2002) hat man meines Wissens bis heute auch gar nicht veröffentlicht und sich lange Zeit extrem rar gemacht. Jüngst spielt man aber wieder live; inwieweit das Bandjubiläum dafür Anlass war, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Bandmitglieder hatten sich in Schale, sprich: Anzug und Krawatte geschmissen, derer sie sich jedoch im Laufe des schweißtreibenden Gigs nach und nach entledigten. S.O.R.B. rotzten ihren Uptempo-HC-D-Schrammelpunk herunter und vor der Bühne war wieder mehr los. Kurze, nicht dumme Ansagen boten Einblicke in die Textinhalte zwischen Spaß und bitterem Ernst, „Meiern bis wir reihern“ kannte ich von einem der „Sicher gibt es bessere Zeiten…“-Sampler und „Kotz nicht“ musste auch noch mal als Zugabe herhalten. Da kamen vermutlich sämtliche Songs aus 25 Jahren Bandkarriere zu Live-Ehren, Teile davon durch die Flüstertüte gesungen und ich meine, ein BLACK-FLAG-Cover herausgehört zu haben („Nervous Breakdown“?). Alles in allem ‘ne feine Sache, zumal ich bis vor kurzem nicht geglaubt hätte, S.O.R.B. überhaupt noch mal zu Gesicht zu bekommen. Dank vorgerückter Stunde, gestiegenem Pegel und der ebenfalls nicht ganz gewöhnlichen Dauer des S.O.R.B.-Gigs machten sich mit der Zeit dann aber doch gewisse Abnutzungserscheinungen bei mir bemerkbar.

Schon nach halb drei war’s, als die Buxtehuder TOBSUCHT zur Tat schrieten. Die HC-D-Punk-Band besteht aus alten Bekannten von mir und so war das livehaftige Wiedersehen und -hören nach verdammt langer Zeit natürlich eine Freude. Shouterin Babette rüpelt sich rotzig durch das authentische, pogotaugliche Material und wird dabei von einer Background-Sängerin am Bühnenrand begleitet, weiterer Aktivposten ist Gitarrist Tierchen, der sich neben dem genretypischen Schrammelsound auch gern mal das eine oder andere feiste Metal-Riff aus den Hüften leiert und damit ebenso für Abwechslung sorgt wie mit kurzen, eruptiven, von ihm gegrowlten Songs. Bassist Sven setzte sein Pokerface auf, während er den Tieftonteppich ausrollte und der Beat stammte von der im geschmackvollen VENOM-Leibchen gewandten Drummerin Kim, die seit einiger Zeit den ehemals vakanten Posten am Schlagzeug besetzt – und für mich die Überraschung des Abends war, da sie weit weniger rumpelt als ihr Vorgänger. Diese Band macht sich ebenfalls recht rar, mein letzter TOBSUCHT-Gig ist locker vier Jahre her, aber diese Entwicklung ist erfreulich. Leider war ein größerer Teil des Publikums nach S.O.R.B. bereits abgewandert, doch genug Hartgesottene waren geblieben. Diese wurden nach einigen Songs Zeuge gewisser Unstimmigkeiten auf der Bühne, die verhinderten, dass es planmäßig mit „Bullenstaat“ weiterging und Tierchen kurz zum Alleinunterhalter machten, doch nachdem die Bühne durch ein beherztes Verschieben der Bank vergrößert worden war und das Publikum mittlerweile ungeduldig eben jenen „Bullenstaat“ eingefordert hatte, erschallte auch dieser Song und die Band agierte wieder vollzählig. Der Plan sah, wie ich es von vergangenen TOBSUCHT-Gigs bereits kannte, offenbar vor, alle >30 Stücke darzubieten und das Publikum mürbe zu spielen, weshalb ich mich gegen 4:00 Uhr oder so dann doch höflich verabschiedete und damit für mich ein Punk-Konzert endete, das Erinnerungen an alte Zeiten weckte und sich tatsächlich einmal irgendwie ganz anders anfühlte.

16.09.2016, Menschenzoo, Hamburg: SNIPER 66 + DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS

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Ersatz vom Ersatz waren wir an diesem Abend, denn eigentlich sollten NASSER HUND den Support machen. Als die ausfielen, fragte man meine andere Band BOLANOW BRAWL, doch die konnte auch nicht und so sprangen letztendlich wir ein. Von SNIPER 66 hatte ich zuvor noch keine Notiz genommen, für die Texaner sollte es aber ein historisches Ereignis werden, begannen sie an diesem Abend doch ihre erste Europa-Tour! Die lokale Promotion gestaltete sich unterdessen etwas schwierig, da es erst einen Tag vorher gelang, die Veranstaltung auch im Bewegungsmelder unterzubringen. Angesichts diverser subkulturell relevanter Parallelveranstaltungen überraschte es dann auch wenig, dass es geraume Zeit dauerte, bis sich der Menschenzoo passabel gefüllt hatte. Gegen 22:30 Uhr war ich dann lange genug nervös herumgerannt und wir prügelten unser um einen Song gekürztes Set durch. Normans Soundgemisch klang ordentlich und für unsere Verhältnisse lieferten wir relativ souverän ab. Den Platz vor der Bühne hatte ich mir gesichert, was neben Bewegungsfreiheit den Vorteil mit sich brachte, in der monitorlosen Spelunke den Livesound perfekt wahrnehmen zu können, so dass ich mich vornehmlich darauf konzentrieren konnte, schlechte Laune zu verbreiten und mich hingebungsvoll meinem Hassgesang zu widmen. Beinahe hätte „Montag der 13.“ dran glauben müssen, da ich die falsche Setlist ausgedruckt hatte, aber instinktiv bemerkten wir sogar an der richtigen Stelle sein Fehlen – eigentlich brauchen wir also gar keine Setlist (kleiner Scherz, das probieren wir mal besser nicht). Ansonsten schlicht ein rustikaler Gig ohne besondere Vorkommnisse, mit dem wir zufrieden sein konnten und der den Anwesenden Lust auf mehr bereitete.

Natürlich auf die Streetpunks aus Austin, die schon zwei Langdreher draußen haben, sich im Soundcheck und anschließendem Backstage-Tratsch als OXYMORON-Fans entpuppten und anscheinend in Kürze auch auf einem US-Tribut-Sampler an die fränkische Streetpunk-Institution beteiligt sein werden. SNIPER 66 zogen doch einige Fans in der Hansestadt und fackelten live ein deftiges Brett ab, das für ausgelassene Stimmung im nun noch volleren Zoo sorgte. In Vierer-Besetzung mit zwei Gitarren wurde, obwohl alle ein Instrument zu bedienen hatten, nicht nur angenehm abwechslungsreicher Streetpunk der schnellen und dreckig-aggressiven Sorte mit kräftigen Kollektivchören und schön räudig-kehligem Gesang, sondern auch ‘ne Menge Bühnen-Action geboten, wobei besonders Drummerin April hervorzuheben ist, die, Hassgrimassen ziehend, auf ihr Kit eindrosch, als gäb’s kein Morgen mehr und diverse Sticks verschliss (was nicht nur Pokerface Dr. Tentakel in Erstaunen versetzte). Man ließ sich nicht lumpen und spielte über eine Stunde; gegen Ende gab’s dann auch das überaus kompetent gezockte OXYMORON-Cover „Life’s A Bitch“, dem wir schon während des Soundchecks lauschen durften. Das Publikum war gut aufgekratzt, teilweise überraschend textsicher und mitgrölfreudig, ein paar Leute immer am Tanzen und auch der betrunkene Hüne, der zwischenzeitlich dann doch etwas arg die Rücksicht auf andere vermissen ließ, konnte die gute Stimmung nur kurzzeitig dämpfen. Alle waren besonnenen genug, die Situation nicht eskalieren zu lassen und er schien’s auch nicht darauf anzulegen. Unser Bandbier hatten wir längst vernichtet, doch Eisenkarl schmiss noch ‘ne Kiste köstliches Ratsherrn und so blieb’s feuchtfröhlich, bis ich nach Merch-Kauf und einem letzten Plausch mit den glücklichen und euphorischen US-Gästen den geordneten Rückzug antrat.

Spitzenabend, von dessen Sorte SNIPER 66 auf ihrer dreiwöchigen Tour hoffentlich noch so einige (gehabt) haben werden! Am nächsten Tag ging’s für sie nach Schweden, wo sie hoffentlich von keinem allzu unbarmherzigen Kater heimgesucht wurden. 😉 Diverse deutsche Städte stehen aber ebenfalls noch auf der Route. Wenn sie also in eurer Nähe Halt machen, wisst ihr, was zu tun ist.

02.09.2016, Onkel Otto, Hamburg: CRUZ + WIRRSAL

cruz-wirrsal-onkel-otto-hamburg-20160902Ich weiß gar nicht, ob ich jemals zuvor auf ‘nem Konzert in Hamburgs rustikalster Punkkneipe war, diese finden dort nämlich nur äußerst unregelmäßig statt. An diesem Freitag jedenfalls schien mir Freizeit-Ökonom der Kneipen-Gig zweier mir unbekannter Bands die Veranstaltung mit dem attraktivsten Preis-Leistungsverhältnis zu sein – zumal mit WIRRSAL ‘ne mir noch unbekannte HH-Punk-Band spielen sollte und CRUZ aus Barcelona als Metal-Punk angekündigt worden waren. Als ich gegen 22:00 Uhr an der Balduintreppe eintraf, verging noch ‘ne ganze Weile, bis WIRRSAL schließlich mit ihrem deutschsprachigen, angenehm dreckigen HC-Punk losbretterten. Laut Bandinfo gibt’s die schon neun Jahre, lief jedoch bis dato komplett an mir vorbei. Inhaltlich überwiegend die übliche Themenpalette abdeckend, stieß das bewegungsfreudige Quartett sofort auf das Interesse der trotz der beengten räumlichen Verhältnisse nicht tanzfaulen Anwesenden und integrierte ein paar respektable Gitarrensoli in ihren Pogo-Sound. Punk von der Basis für dieselbe, der Sound passte, technisch streikte nur zeitweilig ein Mikro und das Bier schmeckte – gelungener Auftakt ins Wochenende.

CRUZ wiederum zockten dann leider weit weniger Metal-Punk als vielmehr ‘nen Bastard aus Death Metal und Grindcore mit entsprechenden Grunz-Vocals. Klanglich gab’s nix meckern, aber mir wurd’s schnell zu monoton, so dass es mich bald aus der verqualmten, engen Spelunke nach draußen trieb. Als ich später zurückkehrte, wusste das eine oder andere flottere Stück aber durchaus zu überzeugen. Sicher nicht schlecht, aber not ganz my cup of pee. Nicht wenige sahen das indes ganz anders und feierten die Iberer, so dass alle auf ihre Kosten gekommen sein sollten.

P.S.: Scheißfotos bei den Lichtverhältnissen…

25.08.2016, El Dorado (Gaußplatz), Hamburg: MANDELBAJO + SWORDWIELDER + LAUTSTÜRMER

mandelbojo + swordwielder + lautstürmer @el dorado, hamburg, 20160825Die DMF-Probe war ausgefallen und was macht man mit so’nem angebrochenen Donnerstag, wenn man eh schon in Altona ist? Erst mal auf’m Gauß vorbeischauen und wenn dort ohnehin abends ein Konzert stattfindet, warum nicht gleich mal mitnehmen? Bei freiem Eintritt und kalten Bier ab 60 Cent gibt’s da nicht viel zu überlegen. Zunächst waren glaube ich nur die beiden schwedischen Bands angekündigt, später waren die Kolumbianer hinzugekommen. Eigentlich sollte es wohl schon um 19:00 Uhr losgehen, was sich jedoch erwartungsgemäß um einige Zeit verzögerte. Irgendwann eröffneten LAUTSTÜRMER aus Malmö den musikalischen Teil des Abends mit ihrem krassen Hochgeschwindigkeits-D-Beat, der nicht nur laut stürmte, sondern erwartungsgemäß klang, als würde ein Zug durch die Platzkneipe rattern. Bassist und Gitarrist teilten sich das Gebrülle, während der Drummer subgenretypisch vor allem Becken und Snare unaufhörlich durchprügelte, was durchaus beeindruckend anzusehen war. Was ich auf Platte oft zu monoton finde, befreite hier aus dem entspannten Sommerabend wie ein Atomschlag, zumal das eine oder andere rockigere Riff und hier und da gewitzte Breaks die Chose angenehm auflockerten und man (zumindest für meine in Sachen D-Takt etwas ungeübten Ohren) über genügend Eigenständigkeit verfügte, um nicht als der x-te DISCHARGE-Klon die rote Laterne des Originalitätswettlaufs fußlahm durchs Ziel zu tragen. Leider begannen die Gesangsmikros, Probleme zu machen: Mal verstummten plötzlich beide, mal war lediglich eines von beiden zu vernehmen. Ein Problem, das man bei sonst sehr gutem Sound nicht in den Griff bekam.

Die Bude war längst überraschend gut gefüllt, als er mit SWORDWIELDER aus Göteborg Einzug hielt: Der berüchtigte alte Crust-Sound, der noch zu großen Teilen auf Doom-Metal-Riffs fußt, vornehmlich im Midtempo walzt und neben Angepisstheit und Entfremdung zu transportieren dabei eine fast schon hypnotische Wirkung entfacht. Die Band war mit zwei Gitarren angetreten, um das maximale Brett zu fahren und beschränkte sich auf ein Gesangsmic, wodurch die technischen Probleme in Vergessenheit gerieten. Die Meute headbangte sich vor der Bühne in Trance und ließ die Schweden nicht ohne Zugabe ziehen. Auch mir rang die Darbietung Respekt ab, denn das Ganze hatte echt Atmosphäre – viel mehr kann ich als Crust-Laie dazu aber auch nicht sagen (außer vielleicht, dass der Drummer mit HJ-Scheitel und Popelbremse absolut verboten aussah).

So spontan, wie ich erschienen war, hatte ich mir den Flyer gar nicht mehr genauer angeguckt, war demnach hochgradig überrascht, was nach technikbedingter längerer Umbaupause die enge Bude nun noch mal zum Kochen bringen sollte: Astreiner Surf’n’Roll-Punk des kolumbianischen Trios MANDELBAJO, das nicht nur einen heftigen Kontrast zu den vorausgegangenen Bands bot, sondern auch das Flair dieses heißen Hochsommertags zurückbrachte. Angetrieben vom Beat der Drummerin wurden Genreklassiker à la DICK DALE ebenso zitiert wie Eigenkompositionen gezockt, immer mit ordentlich Hummeln im Arsch, Durchschlagskraft und entfesselter Spielfreude, was sich aufs Publikum übertrug. Inkl. meiner Wenigkeit wurde nun ausgelassen getanzt und gefeiert, denn glücklicherweise funktionierten diese Stücke auch instrumental: Die Gesangsmikros legten ihr Schweigegelübde leider nie mehr so ganz ab. Das war eventuell auch ganz gut so, als sich eine extrem aufgedrehte Dame aus dem Publikum als Sängerin versuchte und fortan eines der Mikros in Beschlag nahm. Das Mikro der Drummerin jedoch tat anscheinend noch seinen Dienst und so wurde sie für die Zugaben vom SWORDWIELDER-Trommler an der Schießbude abgelöst, so dass sie vorne noch ein paar Hits trällern konnte. Details verschwimmen jedoch in meiner nachlassenden Erinnerung.

Klasse, gut besuchter und dann doch recht langer Donnerstagabend, der kaum jemanden nüchtern zurückgelassen haben dürfte. Manchmal sind die spontanen Unternehmungen eben doch die besten!

20.08.2016, Großmarkt, Hamburg: SLAYER auf dem ELBRIOT-Festival

elbriot-festival-2016,-hamburg

Dieser Samstag war eigentlich das Datum des „Umsonst & draußen“-Elbdisharmonie-Festivals, wo ich grundsätzlich auch aufschlug, es diesmal jedoch kein einziges Mal die Treppen herunter schaffte. In erster Linie war ich mit Konterbierchen und Vorglühen für SLAYER beschäftigt, die der Headliner des zweiten und letzten „Elbriot“-Open-Air-Tags waren – für den ich wie die Jungfrau zum Kinde zu zwei Gratis-Einlassbändchen gekommen war. Da die US-Thrash-Pioniere die einzigen des Billings waren, die mich elenden Ignoranten interessierten, plante ich, pünktlich zu SLAYER zu erscheinen und so lange mit Freunden und Bekannten an der Balduintreppe herumzulungern. Da die Dame, die ich für das zweite Bändchen auserkoren hatte, dankend abwinkte (unverständlicherweise; was gibt’s schließlich Romantischeres als ’nen SLAYER-Gig?!), nahm ich kurzerhand den guten Hannes mit und da nach kurzer Nachfrage auch noch ein dritter Freifahrtschein übrig war, konnten wir Martin, einem Gast aus Serbien, noch eine große Freude machen. Nun galt es aber Hackengas zu geben, zumal niemand von uns 100%ig mit dem Weg vertraut war. Je näher wir kamen, desto mehr Weichwürste kamen uns entgegen, die trotz teuren Eintritts bereits das Festival verließen. Am Einlass ging dann alles ganz schnell, doch lag noch ein verdammt langer Weg bis zur Bühne vor uns, währenddessen irgendwann bereits „Repentless“, das Titelstück des aktuellen Albums, erklang. Beim folgenden „Disciple“ aber befanden wir uns längst am Bierstand und zu „Postmortem“ hatten wir auf dem anscheinend 15.000 Menschen fassenden Gelände bereits einen okayen Stehplatz gefunden. Dank der Weitläufigkeit und der vielen bereits die Segel gestrichen habenden Süßwassermatrosen ging es auch ziemlich locker immer weiter vorwärts, während SLAYER eine Nummer nach der anderen spielten, mit der ich nicht sonderlich vertraut war – bin ich doch eigentlich ausschließlich Fan der ersten drei Alben (und den EPs jener Ära). Spaß machte das alles trotzdem, insbesondere für umme, mit zwei euphorisierten und trinkfreudigen Genossen an der Seite und in der Dämmerung eines für diese Saison ungewöhnlich warmen und trockenen Sommerabends. Richtig oldschool wurd’s schließlich im letzten Drittel: „Hell Awaits“ gefolgt von, ok, „South of Heaven“, aber dann das Schluss-Trippel „Raining Blood“, „Black Magic“ und „Angel of Death“, das noch mal diverse Schuhe auszog und mich auch endlich meine Nackenkraftreserven anbrechen ließ. Interessant übrigens auch, was man bei ’nem Gang zum Klo dann doch so alles an bekannten Gesichtern trifft. Eigentlich hatte ich noch mit einem zwei, drei Songs umfassenden Zugabenblock gerechnet und auf Höhepunkte wie „The Antichrist“, „Chemical Warfare“ oder „Kill Again“ gehofft, doch die von ein paar hippieesken Publikumslobpreisungen Arayas einmal abgesehen sehr maulfaule Band war nicht mehr zurückzubrüllen, dat war’s tatsächlich schon. Die Spielzeit dürfte ca. 80 Minuten betragen haben, King und der den leider viel zu früh verstorbenen Hanneman ersetzende EXODUS-Holt an den Klampfen hatten sich souverän durchgerifft und der Sound der großen Bühne mit ihrer zwischen höllenfeuerrot und nukleargrün wechselnden Lightshow gab kaum Anlass zur Kritik – so soll es sein. Also Absacker, weiten Weg zurück und noch mal aufs Elbdisharmonie, den Rest geben. Großes Dankeschön an den edlen Spender für dieses Privileg! War das doch tatsächlich erst mein zweiter SLAYER-Gig…

19.08.2016, Menschenzoo, Hamburg: DONNER KARLSSON + MUFASA OZORA

donner karlsson + mufasa ozora @menschenzoo, hamburg, 20160819

Irgendwie wiederholte es sich, dass ich im Menschenzoo auflegen sollte und gar nicht mitbekommen hatte, dass außerdem ein Konzert angesagt war. Das hatten anscheinend auch viele andere nicht auf dem Schirm und so verzögerte sich der Konzertbeginn, bis wenigstens ein paar Gäste vor Ort waren. Alles in allem kam man an diesem Abend auf ca. 20 Leute inkl. Bands, was ja nun echt nicht so doll ist, der Spielfreude des Openers DONNER KARLSSON aber offenbar nicht abträglich war. Dieser begann mit zackigem ’77-Punkrock, der aus eigenem Material bestanden haben dürfte und ab der Hälfte des Sets schwenkte man über zu reichlich Covermaterial: OPERATION IVY, „Teenage Genocide“ von SWINGIN’ UTTERS, „Back to Olympia“ von RANCID, BILLY BRAGGs „To Have and to Have Not“ in der LARS-FREDERIKSEN-Version, noch mal RANCID, ein mir unbekanntes D-Punk-Stück namens „Punkrocker“, das anscheinend von einer Band namens SUPERHORST stammt usw., ab und zu noch mal was eigenes, meist englisch, mal deutsch. War nicht verkehrt, die Band spielte gut und das wenige Publikum, mit dem der Gitarrist und der Sänger regelmäßig auf Tuchfühlung gingen, ging gut mit. Normans Soundmix war wieder glasklar und so machte das alles durchaus Laune.

MUFASA OZORA bedienten sich anschließend desselben Gitarristen, während ihr Sound mehr in Richtung melodischen deutschen Punkrocks mit kompetentem höherem Gesang tendierte, was ebenfalls ok klang. Auch in diesem Falle nutzte die Band die räumlichen Verhältnisse und erweiterte quasi die Bühne in den Publikumsbereich, um mit den Anwesenden zu feiern. Ich hab’ keine Ahnung, woher beide Bands stammen und was die bisher so gerissen haben, aber das wirkte alles recht souverän und hätte sicherlich stärkeren Publikumszuspruch verdient gehabt.

Gotlib / Alexis – Höhepunkte aus dem Filmarchiv

Flohmarkt-Fundstück für 2,- EUR: Das 114-seitige Softcover-Album des französischen Duos Gotlib (Text) und Alexis (Zeichnungen) erschien 1984 im Volksverlag. Nach sich absichtlich sehr ähnelnden Vorworten beider werden in der ersten Geschichte Ritterfilmklischees satirisch aufs Korn genommen. Danach geht der Filmbezug jedoch flöten und man widmet sich der Verballhornung diverser Literaturklassiker wie Hamlet, Taras Bulba, Die Kameliendame und Der Glöckner von Notre Dame, findet zwischendurch für „Mit Schirm, Charme und Melone“ zumindest zum Fernsehen zurück und hat sich mit „Die Tragödie der Sophie“ anscheinend selbst eine altertümlich anmutende Erzählung ausgedacht, die zu den Höhepunkten des Bands zählt. Das ist alles kurzweilig und relativ lustig zu lesen, bisweilen etwas schlüpfrig und wer in der Schule nicht mit dem Großteil hier aufgegriffenen Stoffs konfrontiert wurde, bekommt durch die Lektüre vielleicht sogar etwas Allgemeinbildung mit. Kurios: Wie ich zu meiner Überraschung feststellen durfte, dienten Zeichnungen aus der Glöckner-Geschichte dem zweiten Böhse-Onkelz-Album „Böse Menschen, böse Lieder“ sowie der Promotion des ’87er-Albums „Onkelz wie wir…“ und dessen T-Shirt-Motiv als Illustration.

13.08.2016, Moorfleeter Deich, Hamburg: KEIN HASS DA + RAZORS auf dem WUTZROCK 2016

wutzrock 2016

„Umsonst & draußen“ lautet seit mittlerweile anscheinend fast 40 Jahren (!) Jahren das Motto des „Wutzrock“-Open-Airs am Moorfleeter Deich, das auch dieses Jahr wieder drei Tage lang um den Zuspruch festivalfreudigen Volks buhlte. Sonderlich gereizt hat mich die Veranstaltung seit vielen Jahren nicht mehr und ich weiß auch nicht, wann ich überhaupt zuletzt vor Ort war. Als am Samstag jedoch Kai Motherfucker samt Familie riefen und ich ohnehin gerade nichts wirklich Besseres zu tun hatte, reiste ich kurzentschlossen hinterher. Beim gar nicht mal so kurzen Warten auf den Bus am S-Bahnhof Mittlerer Landweg gab’s zum Meet & Greet mit Abschaum-Holli & Co. die erste Pilsette, bevor der Viehtransport direkt zum Festivalgelände fuhr. Da fing’s dann direkt mal wieder schön zu schütten an, während ich auf dem großen Parkplatz das richtige Lager suchte. Dort angekommen erneutes Meet & Greet, Pilsken usw., man kennt das. Zu meiner besonderen Überraschung lief mir auch gleich mal mein „kleiner Bruder“ über den Weg, der schräg gegenüber zu lagern pflegte. Unser Camp, bestehend aus bauwagenerfahrenen und anderen Lebenskünstlern, war bestens ausgestattet inkl. Strom satt, lauter Mucke, Kühlboxen etc. und nicht zu zuletzt angenehmen Mitmenschen, so dass man da eigentlich gar nicht wirklich weg wollte. Das Live-Programm lud auch nicht wirklich dazu ein, denn erneut versuchte man, ein „breites Spektrum“ abzudecken, sich einen sozialkritischen Anstrich zu geben und möglichst vielen etwas zu bieten, was letztendlich bedeutete, dass sich aus den Untiefen der „Independent-Szene“ besonders viel Wischiwaschi-Zeug auf den beiden Bühnen tummelte und nicht minder viel waschechtes Junghippievolk barfuß über die kontaminierten Wiesen latschte. Als ich mich dann doch am späten Nachmittag aufraffte, um mich einmal genauer umzusehen und vor allem etwas feste Nahrung in den Magen zu bekommen, stand ich fast ‘ne Stunde für ‘ne Pizza an, aber wie das dann eben auch immer so ist: Meet & Greet, Bierchen an‘ Hals, weiß man.

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Wutzrock bei Tag

Zurück im Camp verweilte man gemeinsam, bis wir uns gegen 22:00 Uhr für den ersten Höhepunkt des Tages aufrafften: Das Hamburger Punkrock-Urgestein schlechthin, die RAZORS, waren glücklicherweise für irgendwen eingesprungen und luden auf der kleinen Bühne zum Schlammcatchen, denn der Boden war mittlerweile so richtig schön durchgeweicht und ich versank knöcheltief mit meinen Samba-Latschen, die vielleicht tatsächlich nicht das ideale Schuhwerk an diesem Abend darstellten. Über die RAZORS hab‘ ich ja schon manches Wort verloren; auch diesmal ebnete das eigene Material den Weg zu hymnischen Coverversionen, die sich mit Dankers oldschoolig-nöligem Gesang fast schon wie RAZORS-eigenes Material anfühlen („We Love You“, „Razors in the Night“, „We’re Coming Back“, „Heroes“ …), zum Teil inbrünstig mitgesungen von einem Freund der Band, bis hin zum dem leider viel zu früh verstorbenen Schwabe gewidmeten „Never Forget“, lautstark unterstützt von Schaub, einem weiteren langjährigen Bandkumpel. Einzelne Gäste aus dem Publikum erklommen ebenfalls die Bühne und tanzten am Rand, die meisten jedoch wateten durch den Matsch versuchten sich an Pogo u.ä. Wie so oft ein eigentlich makelloser Gig, der zu vorgerückter Stunde richtig Laune machte, lediglich der Sound konnte da nicht immer so ganz mithalten: Mal war Sänger Danker zu leise, mal die Gitarre zeitweise nur noch zu erahnen. Währenddessen und im Anschluss: Meet & Drink, müßig zu erwähnen.

Letzter Act auf dieser Bühne an diesem Abend: KEIN HASS DA um Rampensau, Entertainer, Exhibitionist und Szene-Tausendsassa Karl Nagel, der damit seiner Leidenschaft für die US-NYHC-Legende BAD BRAINS frönt. BAD-BRAINS-Songs mit deutschen Texten also, aber auch mit starker eigener Note und auch davon hab’ ich bereits x-mal berichtet – was gibt’s also zu diesem Auftritt noch zu sagen? Z.B. dass der Sound endlich richtig gut wurde und man Karl ansah, wie viel Bock er auf diesen Gig hatte. Vom ersten Song an verspritzte er seine PMA (nicht DNA, ihr Ferkel!) quer übers Gelände, stolzierte und sang mit der Souveränität und dem Selbstvertrauen einer Vielzahl von Gigs im Rücken, konnte sich auf seine bestens eingespielte Band verlassen, kommunizierte mit dem Publikum, improvisierte, wenn es sich anbot und präsentierte irgendwann so stolz wie nerdig sein Hulk-T-Shirt. Als der Regen zum wiederholten Male zurückkehrte, lud er kurzerhand das Publikum auf die Bühne ein, das es sich dort tatsächlich nach und nach einrichtete – bis der Veranstalter sich einzugreifen genötigt sah, aus Sicherheitsgründen, wie er betonte. So wurde der Gig unterbrochen, bis die Bühne weitestgehend geräumt war, doch Karl blieb – nachdem er zuvor bereits einmal den direkten Publikumskontakt gesucht hatte – aus Solidarität unten vor der Bühne im Matsch. Der Gig ging dann auch noch eine ganze Weile weiter, da man bis auf eine einzelne Ausnahme anscheinend sämtliche Songs des Repertoires spielte, was natürlich auch die anfänglich gewöhnungsbedürftige, doch schon bald liebgewonnene Mischung aus HC-Hektik und entschleunigtem Kiffer-Reggae bedeutete. Das war der beste KEIN-HASS-DA-Gig, dem ich bisher beigewohnt habe und ein mehr als versöhnlicher musikalischer Abschluss des Festivals für mich, wenn meine PMA auch recht schnell weitestgehend aufgebracht war, als ich mich wieder der bekackten Realität ausgesetzt sah.

Dafür wurde der nächste Morgen und Vormittag zurück im Camp noch wirklich nett und trotz meines etwas ignoranten und kritischen Einstiegs muss man natürlich den Hut vor dem anscheinend rein ehrenamtlichen Engagement der Festival-Crew ziehen. Vielleicht geht ja nächstes Jahr wieder bischn mehr…

THE SEX PISTOLS – THERE’LL ALWAYS BE AN ENGLAND Blu-ray/DVD

„I’m a very pretty big cunt!“

Die Scheibe zeigt ein Live-Konzert der Sex Pistols in der Brixton Academy anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des „Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols“-Albums im November 2007. Es wurde unter der Regie niemand Geringeren als Julien Temples aufgezeichnet, mit dem die Band immer gut konnte und der mit ihr zuvor bereits „The Great Rock’n’Roll Swindle“ und „The Filth and the Fury“ gedreht hatte. Temple gelang es, die gespannte Stimmung vor Konzertbeginn einzufangen. Als „There’ll Always Be an England“ als Intro vom Band ertönt, singt das Publikum dann bereits lauthals mit. Temples Kameras fangen fantastische Publikumsbilder ein, Detailaufnahmen vieler Individuen in der großen Masse, und als Zuschauer begreift man, wie unverzichtbar das Publikum für ein Live-Konzert wie dieses ist, welch gewichtige Rolle es einnimmt. Die nicht mehr ganz junge Band liefert eine einwandfreie Vorstellung, scheint topfit zu sein und Johnny Rotten überrascht mit makellosen hohen Tönen und Vibrato in der Stimme. Obligatorisch ist sein nicht minder unterhaltsamer schnoddriger Humor, der sich durch den Gig zieht. Es wirkt, als habe beinahe jeder, quer durch die Subkulturen, diesem Konzert beigewohnt; ein Indikator für die massive Beeinflussung und Inspiration durch diese Band. Wer Bock auf ‘ne richtig amtliche, hochqualitative „Hochglanz“-Live-Aufnahme der Sex Pistols hat und ihnen zugesteht, auch im mittleren Alter noch die Bühne unsicher zu machen, dem sei diese Blu-ray bzw. DVD wärmstens ans Herz gelegt – zumal sich Rotten im Bonus-Material noch herrlich durch London pöbelt.

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