Günnis Reviews

Autor: Günni (page 72 of 107)

05.-07.08.2010: WACKEN OPEN AIR 2010

wacken_2010Mein erstes Wacken!

Zum Festival allgemein: Ich fand’s wirklich geil, besser als erwartet. Der absolute Großteil des sehr gemischten Publikums (Leute aus quasi allen Metalbereichen, derer es ja nun wirklich viele gibt, sowie aus anderen Subkulturen und vor allem aus aller Herren und Damen Länder) war sehr entspannt drauf, man hat sich gegenseitig akzeptiert und respektiert. Kein Vergleich zu gewissen Punkfestivals, wo oftmals aggressive Spannung in der Luft liegt und es öfter mal knallt. Ich habe keine einzige Schlägerei o.ä. mitbekommen. Dass es zu voll war, kann ich auch nicht bestätigen. Zumindest auf den Hauptbühnen (drei fette Bühnen nebeneinander auf dem Hauptfestivalgelände) konnte man immer alles sehen und wenn man zu weit hinten stand, hat die Regie sowohl Band als auch Publikum sehr gut auf den Videoleinwänden eingefangen. Natürlich war’s bei Iron Maiden z.B. drängelig, aber ich hatte einen Platz sowohl mit Sicht auf die Bühne als auch auf die Videoschirme. Manche Bands wie z.B. Torfrock oder Die Kassierer wurden aber auf zu kleine Nebenbühnen gepackt, da man mit einem so großen Andrang vielleicht nicht gerechnet hatte. Das war etwas unglücklich und wird hoffentlich in Zukunft anders gelöst. Was die weiten Wege betrifft: Wir sind auf Campingplatz A gelandet und hatten daher nun wirklich keine weiten Wege. Auf entlegeneren Zeltplätzen sah’s diesbzgl. sicherlich anders aus, aber irgendwo muss man so viele Menschen halt hinpacken. Mit den Wegen, die ich auf dem Lausitzring zurücklegen musste, war das aber alles kein Vergleich. Außerdem konnte man wirklich relativ schnell von einer Bühne zur nächsten wechseln und recht übersichtlich war’s auch alles. Mir erschien das Organisationskonzept ziemlich durchdacht und hab mich die meiste Zeit gut aufgehoben gefühlt.

Es war wirklich unglaublich, woher die ganzen Leute kamen. Anfangs habe ich beim Anquatschen fremder Leute häufig fragende Blicke geernet und gemerkt, dass die überhaupt nicht deutsch sprechen, weshalb ich mir irgendwann angewöhnt hatte, erstmal zu fragen if they are german. Ich hab einige nette Leute kennengelernt, lustige Gespräche geführt und durchgeknallte Typen gesehen. Besonderen Gruß an den Ostfriesen hier aus dem Board [Edit 2015: War ursprünglich ein Foreneintrag.], den ich traf und einige Zeit mit ihm verbrachte. Das war dann auch der einzige Tag, an dem ich mir paar Bierchen mehr reingezimmert hab. Ansonsten gab’s so viel zu entdecken und sich anzuschauen, dass zumindest ich nicht auf die Idee kam, aus purer Langeweile zu saufen oder sowas. Ständig war irgendwas los und für mich als Wacken-n00b war das natürlich alles irgendwie interessant. Nicht alles davon war gut, aber wie ich schon per PN an Betonleber schrieb: „Einfach mal was ganz anderes als so die Punk-Festivals, auf denen ich früher war. Also, feiern kannste da richtig gut, die Leute sind aber disziplinierter und entspannter als z.B. aufm Force Attack. Das hat mir echt gefallen diesmal. Die Bandauswahl war sehr abwechslungsreich. Ich war ja in erster Linie wegen Maiden da, hab mir aber auch einige andere Bands angeschaut. Fand ich interessant, einfach mal bischn den Horizont erweitern und Meinungen bilden. Für aufgeschlossene, interessierte Punks kann ich das empfehlen. Man sollte allerdings eine recht hohe P.C.-Schmerzgrenze mitbringen. Mir jedenfalls taten die ganzen Burzum-Shirts schon ziemlich in den Augen weh.“

Mal zu den Bands, bei denen ich mich nicht nach wenigen Minuten desinteressiert abgewendet habe:

Mambo Kurt – Ok, keine Band, sondern ein Heimorgelalleinunterhalter, der u.a. Scooter, Slayer, System Of A Down und Böhse Onkelz auf seiner Orgel intoniert und damit jede Party sprengt. Unglaublich geiler Entertainer, großartig!

Iron Maiden – Ein Traum ging in Erfüllung. Einfach geil. Hymnisch und atmosphärisch. Ich wusste ja im Vorfeld, dass sie im Gegensatz zu anderen Bands, die zwar fleißig (häufig uninteressante) neue Platten veröffentlichen, aber live nur die ewig gleiche Setlist runterleiern, sich auf neues Material konzentrieren würden. Die Songauswahl war bis auf zwei Ausnahmen auch wirklich gelungen. Dennoch war’s natürlich ein Wermutstropfen, dass nur ganz wenige Klassiker gespielt wurden. Aber ich bin ja selbst schuld. Hätte ich vor zwei Jahren meinen Arsch zur „Somewhere back in time“-Tour hochbekommen, hätte ich die volle Ladung Maiden Classics bekommen.

Slayer – Fingen irgendwie schwach mit neueren Songs und suboptimalem Sound an, wurden dann aber so richtig gut. Hat mir einen schönen Energieschub zu später Stunde beschert.

Anvil – Überraschend gut. Geile Live-Band, die sichtlich Freude hat, wieder so beachtet zu werden. Die pure Spielfreude, guter Metal zum Feiern.

Torfrock – Kamen supergut an und war ein geiler Auftritt. Leider war’s so dermaßen voll vor der kleinen, niedrigen „Wackinger“-Bühne (im Wacken-„Wickingerdorf“ – das wäre was für Lars gewesen), dass ich den norddeutschen Vikingrock in erster Linie hören, aber nicht sehen konnte.

Lizzy Borden – Professioneller US-Show-Metal mit übertrieben Schauspiel-Einlagen und reichlich Sexismus. Vom Biertresen aus kurios, aber höchst unterhaltsam anzusehen. Klingen live außerdem mit viel mehr Power als aus der Konserve.

Broilers – Guter Auftritt, wurden ebenfalls sehr gut aufgenommen. Leider viele Frei.Wild-Anhänger im Publikum und sogar ein Verirrter mit „Kategorie C“-T-Shirt. Die Broilers waren eine gelungene Abwechslung für meine metalgeschädigten Ohren.

Voivod – Enttäuschung. Nur zwei, drei alte Songs, überwiegend der langweilige neuere Kram. Aber dafür sehr geil: „Ripping Headache“ und natürlich „Voivod“. Das kam schon echt gut, die mal live zu hören.

Endstille – Nicht so mein Ding. Kreischiger Black-Metal-Krach. Dafür aber nette Show mit mexikanischem Gastsänger. Und ein Song wie „Frühlingserwachen“ kam dann irgendwie doch ganz gut. Zumindest memorabel.

Unleashed – Sehr anhörbarer Viking-Death-Metal (oder so).

Cannibal Corpse – Anfangs ja irgendwie witzig, dann aber irgendwann langweilig und mir echt zu stumpf.

Overkill – Find ich auf Platte bis jetzt nicht so doll, live aber gute Songauswahl und Laune machend. „Rotten To The Core!“

Die Kassierer – …spielten auf der Zeltbühne. Die war SO dermaßen überfüllt, dass sich schon außerhalb des Zelts die Leute stapelten. Dafür hat sich aber im Laufe Konzerts das Publikum durch Crowdsurfing ins Zelt hinein ausgetauscht. 😀 Ich hab die Band nur gehört, nicht aber gesehen. War der übliche Kassierer-Quatsch, diesmal ohne ausufernde Showeinlagen. Paar neue Songs wurden gespielt. Ist die Platte schon draußen?

W.A.S.P. – Rein interessehalber mal angeguckt. Mag ich eigentlich nicht sonderlich, finde aber zwei Songs sehr geil: „Scream until you like it“ und „I wanna be somebody“. Beide wurden gespielt, ersterer aber so schlecht, dass ihn erst gegen Ende überhaupt erkannt habe. „I wanna be somebody“ dann aber sehr geil. Dafür hat sich’s gelohnt. Außerdem hatte der eine Typ ’ne geile Kreissägen-Gitarre.

Immortal – Corpse-Paint-Black-Metal, betont evil und monoton. Kasperletheater.

Soulfly – Geil!

U.D.O. – Hammer! Genialer Sound und mit „Midnight Mover“, „Metal Heart“ und vor allem „Balls To The Wall“ mit die besten Accept-Songs gespielt. War mein letzter Wacken-Gig, den ich mir dieses Jahr angesehen hatte, und wurde hier endlich richtig heiser.

Am Mittwoch oder Donnerstag wollte ich eigentlich beim Metal-Karaoke auf der Hauptbühne mitmachen und „The Trooper“ von Iron Maiden singen, leider (oder zum Glück?) kam ich aber nicht mehr dran. Kein Wunder, wenn die anderen Leute irgendwelche Acht-Minuten-Songs nachsingen…

Das Wetter hat die meiste Zeit mitgespielt, meines Erachtens sogar zu doll. Das war ja schon Force-Attack-mäßig, wie die Sonne auf die Rübe gebretzelt hat.

Was da im Dorf los ist, ist kurios und beachtlich zugleich. An der Hauptstraße hat fast JEDES Haus irgendeinen Fress- oder Saufstand zu wesentlich günstigeren Preisen als auf dem Gelände aufgebaut und die Bewohner quatschen mit den Gästen und laden sie in den Vorgarten ein. Kinder fahren die Bierpaletten mit Go-Kart und Bollerwagen durch die Gegend etc.

Mir hat’s echt Spaß gemacht und ich komme gerne wieder.

Im Wacken-Forum sind übrigens einige Leute der Meinung, dass das Publikum immer schlimmer werden würde, ähnlich wie es hier bzgl. des Force Attacks diskutiert wurde. Keine Ahnung, ob das nur typische Internet-Meckerheinis oder „True-Metaller“, die es in ihrer armseligen Existenz nicht abkönnen, dass auch Typen wie ich da rumlaufen, sind, oder da wirklich was dran ist.

Hier mal meine Kritikpunkte, die ich dort gepostet habe (copy/paste):

„1. Super, dass es sanitäre Anlagen wie Duschen und Bezahl-WCs gab. Wenn ich aber schon satte 2,50 EUR für die Dusche bezahle, soll sie bitte auch über warmes Wasser statt wirklich EISkaltem verfügen und nicht nur tröpfchenweise funktionieren. Der Nachschub an Öl für die Duschen hat leider nicht richtig geklappt und das Personal am Eingang war nur unzureichend über den Zustand der Duschen informiert. Ähnliches gilt für die Bezahl-WCs: Aufgefüllte Seifenspender sind ein absolutes MUSS. Das Personal hatte aber leider keine Ahnung, wie Nachschub geordert werden kann und niemand fühlte sich zuständig. Das muss besser werden. Evtl. findet man auch eine Lösung gegen die verdreckten Böden in den Duschen…? Einzelkabinen wären auch etwas Feines, gäbe es da Möglichkeiten?

2. Preise für Waren des täglichen Bedarfs waren zu hoch. Versteht mich nicht falsch, viele Preise fand ich fair (Ticket, ’nen Zehner fürs Zu-früh-kommen, belegte Brötchen etc.), aber ’ne Buddel Billig-Mineralwasser z.B. sollte wesentlich günstiger abgegeben werden.

3. Für eine Band wie Torfrock ist die Wackinger-Bühne bzw. der Platz davor viel zu klein. Auch die Zeltbühne platzte bei mancher Band aus allen Nähten.

4. Der Versuch, Circle Pits zu unterbinden, war wirklich albern. Sollte das aber dazu geführt haben, dass Besucher deshalb Probleme mit dem Sicherheitsdienst bekommen haben, wird’s wirklich ärgerlich. Eine Kampagne, die sich gegen Violent Dancing ausspricht, würde ich befürworten – Pogo, Circle Pits etc. zählen aber NICHT dazu!

5. Bands wie die unsäglich gehypten Frei.Wild oder auch Varg würde ich persönlich nicht auftreten lassen. Ebenso würde ich das Tragen und vor allem den Verkauf von Burzum-Shirts untersagen.

6. Gab es tatsächlich keine Hähnchen-Döner auf dem Gelände? Habe zumindest keinen gefunden… nur Rind-Döner anzubieten ist nun wirklich nicht mehr zeitgemäß. Und die Gyros Pita war übrigens eine Beleidigung. Unschön fand ich auch, dass es nach U.D.O. am letzten Tag im Biergarten kein Pils mehr gab, aber auch keine Weizengläser mehr. Während man also ein Weizen aus ’nem normalen Becher trank, wurde um einen herum in Windeseile alles abgebaut und zugemacht, als solle einem deutlich gezeigt werden, dass man nicht mehr willkommen ist. Trinkkultur ist etwas Anderes… Gerade nach den letzten Tönen des Festivals sollte man noch in Ruhe ein paar Absacker trinken und dabei das Festival Revue passieren lassen können.

Mal meine paar Kreuzer zu ein paar kontroversen Themen:

Die Crowdsurfer gingen mir auch auf die Nerven, zumindest bei Iron Maiden. Da war’s mir echt zuviel. Ansonsten lasse ich den Leuten aber gern ihren Spaß. Wer surfende Mädels befummelt, hat was aufs Fressbrett verdient. Wer meint, eine leichtbekleidete Frau ist ein Freifahrtschein für sexuelle Belästigung, ist ein Arschloch.

Ich fand’s klasse, dass es soviel Verschiedenes zu gucken gab, inkl. Showwrestling. Kurzweiliges, trashiges Vergnügen, netter Ausgleich zum Bandsgucken. Die Wet-T-Shirt-Contests waren allerdings irgendwie grenzwertig…“

25.06.2010, Villa, Wedel: DRITTE WAHL + DOGS ON SAIL + ARRESTED DENIAL

Freitag DRITTE WAHL + DOGS ON SAIL + ARRESTED DENIAL in der Wedeler Villa. Spitzenkonzert, eines der besten seit langem. DOGS ON SAIL machten den Opener und waren fantastisch, ARRESTED DENIAL folgten und hatten einen wesentlich besseren Sound als im Hafenklang. Klasse Streetpunk mit genialer MAYTALS-Coverversion, von dieser Band wird man hoffentlich noch sehr viel hören. Dann DRITTE WAHL in der bis auf den letzten Centimeter gefüllten Villa. Auch hier ein großartiger Live-Sound, sympathisches Auftreten und eine unvergleichliche Atmosphäre. Bei einigen melancholisch angehauchten Hits bekam ich regelrecht Gänsehaut und bei einem uralten Song wie „Mainzer Straße“ entwickelte sich ein ganz besonderes Gefühl. Kann ich schlecht beschreiben, man sollte einfach selbst dabeigewesen sein. Als Sänger und Gitarrist Gunnar anfangs ständig der Mikroständer um die Ohren flog, befürchtete ich kurz, dass der Konzertort vielleicht dann doch etwas ZU klein für die Band ist, das die ganze Zeit so weiter geht und er sich womöglich noch die Kauleiste raushaut, aber im weiteren Verlauf ging alles gut. Er rückte ein klein wenig nach hinten und das euphorische Publikum nahm Rücksicht.

Zwischenzeitlich betrat jemand die Bühne, bedankte sich bei der Band und stellte die Frage in den Raum, welche in den 90er-Jahren ähnlich bedeutende deutsche Punkband heutzutage überhaupt noch solche Gigs spielt. Spontan fiel auch mir kaum jemand ein.

Respekt an die Band für den geilen Auftritt, Danke ans Villa-Team und Grüße und ebenfalls Dank an DOGS ON SAIL für den Gästelistenplatz.

EXKREMENT BETON – SCHÖN, STUR, ARROGANT CD

(www.plastic-bomb.de) / (www.myspace.com/exkrementbeton)

Von dieser Band habe ich mir ehrlich gesagt mehr versprochen. Die Platte dümpelt musikalisch langweilig vor sich hin, die Texte sind nichtssagend bis daneben und ich frage mich, worauf die Selbstverliebtheit der Band fußt. Einfachster Midtempo-Punkrock mit rauem Gesang, was ja nicht schlecht sein muss, hier aber so dermaßen durchschnittlich und austauschbar dargebracht wird, dass mir schon beim Schreiben dieser Kritik die Augen zufallen. Ein Lichtblick ist das SCHLEIMKEIM-Cover „Ich schau in deine Augen“, der Rest ist wenig memorabel. Und so richtig scheiße ist „Brandenburg“, eine Coverversion von STEAMs „Na Na Hey Hey Kiss Him Goodbye“. Als CD-Bonus gibt’s die „Jetzt wird’s schmutzig“-EP, die noch mal schrammeliger, aber dafür charmanter klingt. Nee, da hat Plastic Bomb schon wesentlich interessantere Bands herausgebracht. Im Booklet gibt’s Texte und Fotos und die Spielzeit beträgt 40 Minuten bei 15 Songs + Intro. 4. Günni

DIE SHENKS – ENDLICH ACHTZEHN – JETZT EIN GLÄSCHEN SEKT CD

(www.platzda-produktion.de) / (www.dieshenks.de)

Auf dem Bandfoto dominieren graumeliertes bis nicht vorhandenes Haupthaar (ok, ehrlich gesagt nur bei 2/5), es handelt sich also augenscheinlich um eine Altherrencombo, die es noch mal wissen will. Dementsprechend entspannt wird der melodische Punkrock in deutscher Sprache vorgetragen, der durchaus etwas Hymnisches hat, mir persönlich aber zu sehr mit angezogener Handbremse unterwegs ist. Nee, jetzt mal Butter bei die Fische: Das ist vollkommen austauschbares Lala-Gedöns, die Stimme des Sängers ist scheiße und die Texte ebenso. Vermutlich ein Hobby-Projekt, das besser nie die Garage des fast abbezahlten Eigenheims verlassen hätte. Können auf lokalen Stadtfesten auftreten, wo die bierbäuchigen Mittvierziger-Kumpels an der Festzeltgarnitur zustimmend nicken und zuprosten, aber mehr auch nicht. Trotzdem möchte ich der Band ein gewisses Gespür für gefällige Melodien attestieren, die angereichert mit Tempo, Wut und so etwas wie Attitüde vielleicht mal zu richtigen Punk-Nummern reifen könnten, sofern man das überhaupt will. Zur Aufmachung kann ich nicht viel sagen, da mir nur eine Vorab-Version im Pappschuber vorliegt. Zum Glück nur fünf Songs in zwölf Minuten. 5. Günni

SUPABOND – NARBEN CD

(www.plastic-bomb.de) / (www.myspace.com/supabond)

SUPABOND haben sich ja zurecht einen guten Namen erspielt und dieses Album wird mit Sicherheit dazu beitragen, dass dieser wie selbstverständlich fallen wird, wenn es um wütenden, engagierten, deutschsprachigen Punkrock geht. Diese Platte ist ein echter Kracher geworden. 15 kurze Songs lang geht’s in bester TOXOPLASMA-Manier ab wie die Lutzi, getragen von der hervorragenden Sängerin. Die Texte sind eher persönlicher Natur, klischeefrei und eigenständig. Gefällt mir echt gut und es freut mich, dass heutzutage doch noch solche Platten rauskommen und Bands diesen Sound spielen, ohne längst Vergangenes zu kopieren oder in beschränkten Allgemeinplätzen zu verharren. Authentisch, kraftstrotzend und voller Energie – Respekt! Allzu viele Worte will ich auch gar nicht weiter verlieren, hört euch diesen Wirbelsturm einfach selbst an – ihr werdet es nicht bereuen. Einzig die NOTDURFT-Coverversion von „Süße Heimat“ gefällt mir im Original besser. Die Texte sind im Booklet nachzulesen und das Hörvergnügen dauert 34 kurzweilige Minuten. 2. Günni

DIE LOKALMATADORE – SÖHNE MÜLHEIMS CD

(www.teenage-rebel.de) / (www.lokalmatadore.com)

Alles beim Alten bei den Lokalmatadoren. Das heißt: 70er-Jahre Blues- und Glamrock beeinflusster Proletarier-Punkrock mit Texten aus dem völlig normalen Leben, die dabei helfen, über eigene Eskapaden humoristisch hinwegsehen zu können. Eine Therapie-Platte für den Asi in uns, sozusagen. Bei „Surfin’ Tolstoi“ wird sogar astrein gesurft, Songs wie „Pipi machen, Zähne putzen, ab ins Bett!“ und „Arsch voll Kot“ haben das Zeug zu Hymnen und mit der PETER & THE TEST TUBE BABIES-Coverversion „Lokalverbot“ („Banned From The Pubs“) qualifiziert man sich auf jeden Fall fürs Achtelfinale gegen England. Und wer nicht nur spaßeshalber im Proberaum zu Easy-Listening-Sound das Alphabet rülpst, sondern es wirklich fertig bringt, das auf Platte zu pressen, hat bei mir ohnehin einen Stein im Brett vorm Kopf. Die Hitdichte eines „Heute ein König… morgen ein Arschloch“-Albums wird zwar nicht erreicht, aber wer schafft das schon? Die CD kommt mit Booklet mit allen Texten, und vermutlich gilt wieder: Wer alle Coverversionen und Plagiate errät, bekommt einen Keks (voll Kot). 16 Songs in 31 Minuten. 2. Günni

PLASTIC BOMB #71

(www.plastic-bomb.de)

Die neue Bombe beginnt mit einem langen, nachdenklichen und selbstkritischen Vorwort von Micha, der auf die neue Situation durch den Weggang von Swen Bock eingeht, Helge berichtet vom Fanziner-Treffen in Wermelskirchen, die engagierte Ronja liefert eine Art Blick hinter die Kulissen, fordert etwas selbstherrlich konstruktive Kritik am Zine ein und hat keinen Bock auf „die Grauzone“, hört aber trotzdem Republikaner ALICE COOPER und Häktor freut sich über den Aufstieg St. Paulis. Interviewt werden LEATHERFACE (gut und interessant), THE CAPACES aus Barcelona (mit einigen Fragen zur Szene Barcelonas, ebenfalls interessant), die Dänen von NIGHT FEVER, TEXAS TERRI BOMB (lang und ausführlich), die polnischen EYE FOR AN EYE, die deutschen LIGHTS OUT (ebenfalls sehr ausführlich, klasse!), die Amis THE FREEZE, die eigenwilligen HERPES, GRUPPE 80 aus Bremen und die Fotografin Lucja Romanowska. Das letztere Interview fand im Rahmen der „Herstory of Punk“ statt und hat mit am meisten meine Aufmerksamkeit erregt, geht es doch um das interessante Straßenpunk-Bildband-Projekt und um Grundsätzliches zum Thema Fotografien von Menschen und den verantwortungsvollen Umgang damit. DIE SCHWARZEN SCHAFE berichten von ihrer Polen-Tour, Micha war auf einem „Konterbox“-Konzert von OIRO und DRAMAMINE und stellt die seiner Meinung nach fünf besten Live-Scheiben vor, wobei mir wieder seine metapherreiche, emotionale Wortwahl ausgezeichnet gefällt, und „Anders leben“ heißt diesmal „Anders lesen“ und wird von Helge genutzt, um Informationsquellen zum Nationalsozialismus vorzustellen. Überaus gelungen sind diesmal auch Bastis „Geschichten aus der Gruft“, die sich diesmal der katholischen Kirche annehmen und u. a. vom tief verwurzelten katholischen Antisemitismus handeln Weitere Höhepunkte sind wie üblich Vascos „Wunderbare Welt der Propaganda“ zum Thema Steuersenkungen und Chris Scholz’ sarkastische, bissige Kolumne. Latti schreibt einen interessanten Konzertbericht übers „Battle Of The South“-Festival inkl. Stellungnahme vom Veranstalter. Darüber hinaus finden sich natürlich auch in dieser Ausgabe die üblichen Rubriken wie Stanley Heads Ska-Ecke, Plattenverrissen, Klein- und Kontaktanzeigen, reichlich Neuigkeiten und Terminen etc. Meines Erachtens ist die „Bombe 1 nach Swen“ überraschend stark geworden, wenn auch sehr interviewlastig. Dafür ist die Bandauswahl aber sehr international ausgefallen und bekanntere und unbekanntere Namen halten sich die Waage. Insgesamt wirkt diese Ausgabe irgendwie mehr wie aus einem Guss und weniger fehlerbehaftet als zuletzt. In dieser Form ist mit dem Plastic Bomb weiterhin als feste Fanzine-Institution zu rechnen. Kommt wie immer mit „Pay-To-Play“-CD und kostet in Deutschland 3,50 EUR.

KALTFRONT – LIVE ’88 CD

(www.kaltfront-dresden.de)

Neuauflage der ausverkauften KALTFRONT-Live-LP auf CD, die das Cottbusser Konzert vom 09.12.1988 enthält. Die Scheibe wurde mit sechs Bonustracks angereichert, der Sound nochmals nachbearbeitet und ein zwölfseitiges Booklet mit Songtexten und alten Fotos sowie einem Zitat aus einem alten Fanzine erstellt. Das sieht nicht nur gut aus, sondern kann sich auch hören lassen – die Dresdner Punk-Pioniere mit ihren durchdachten, teilweise melancholisch bis düsteren Texten wurden in der Vergangenheit von mir bereits wohlwollend besprochen und der Live-Sound dieser Scheibe ist natürlich nicht mit heutigen Maßstäben vergleichbar, aber für eine alte DDR-Aufnahme echt in Ordnung. Gefällt mir gut und ist wunderbar authentisch und von historischer Bedeutung. Herrlich auch die Coverversionen alter Punkklassiker im Zugabenteil in schönstem Fantasie-Englisch, haha. Wer an der „Zieh dich warm an“-Zusammenstellung Gefallen fand, wird auch mit dieser CD etwas anfangen können. Und wer generell an DDR-Punk interessiert ist, KALTFRONT aber bisher noch nicht kannte, sollte schnellstens mal ein Ohr riskieren. Sinnvolle Vergangenheitsaufarbeitung. 18 Songs in 67 Minuten. Ohne Wertung. Günni

RADIO HAVANNA – LAUTER ZWEIFEL CD

(www.fatsound.de) / (www.radiohavanna.de)

RADIO HAVANNA, ex-Thüringer Wahlberliner, haben sich geschmackssicher nach dem grandiosen RANCID-Song benannt, auf ihrem dritten Album aber nicht viel mit dem rauen Ami-Streetpunk gemein. Hier regiert sehr zeitgemäß (sprich: klar und fett) produzierter „Melodicore“ mit derben Gitarrenwänden und sehr akzentuiertem, sehr gut verständlichem, deutschem Gesang. Man gibt sich kritisch und engagiert und lässt auch Raum für Persönliches. Das klingt natürlich nicht sonderlich eigenständig, aber sehr gekonnt umgesetzt. Der Sound dürfte ein jüngeres Publikum ansprechen, das sich gern an Szenegrößen wie ANTI-FLAG, PENNYWISE etc. verdingt und den eingängigen Soundtrack zu Skateboardfahren, Biertrinken im Park und Pogo sucht. So in etwa zumindest. Mir ist das etwas zu steril und die großen Hits, die solche Bands aus der Masse hervorheben, fehlen dann leider doch. Etwas mehr „Spirit“ hätte der Platte gutgetan. Zur Aufmachung kann ich nichts sagen, da mir nur eine Promo-Version im Pappschuber vorliegt. 11 Songs in 35 Minuten. 3-. Günni

V.A. – IM SCHATTEN DER GROSSSTADT – PUNK IN DRESDEN 1982-1989 CD

Und weiter geht’s in Sachen Ostpunk-Aufarbeitung. Dieser Sampler enthält für den einen mehr, für den anderen weniger historisch interessantes Proberaum-, Keller- und Live-Material der Dresdner Interpreten GEGENSCHLAG, ROTZJUNGEN, PARANOIA, GARAGENTRIO, HORTEL, SUIZID, LETZTE DIAGNOSE, KALTFRONT und FRÖHLICHER GRIESSBREI in teils wirklich ganz übler Qualität, vereinzelt aber auch gut anhörbar. Underground pur, sozusagen. Für Punkhistoriker bestimmt von Interesse, für die meisten anderen aber gerade auch in Anbetracht anderer Zusammenstellungen, die im Gegensatz zu diesem Sampler in liebevoller Aufmachung mit vielen Hintergrundinfos daherkommen, eher verzichtbar. Hier gibt es lediglich kurze Infos zu den Bands, keine abgedruckten Texte oder Kommentare der Combos o.ä. Regional aber sicherlich von Bedeutung. 25 Songs + Intermezzo in 59 Minuten. Ohne Wertung. Günni

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