Eigentlich sollten die Rostockerinnen von TORTENSCHLACHT, auf einer Mini-Tour aus Köln kommend, an diesem Abend in Kiel spielen, doch wegen der Absage des Hauptacts fiel das Konzert flach. Auf der kurzfristigen Suche nach einem Ersatz-Gig konnte ich sie jedoch erfolgreich an die BeyondBorders-Konzertgruppe vermitteln, die sich spontan und unkompliziert bereiterklärte, TORTENSCHLACHT als Opener fürs Konzert im Gängeviertel aufzunehmen. Somit ging’s dann auch relativ früh gegen 21:15 Uhr oder so los und die Technik meinte es zunächst nicht sonderlich gut mit den Mädels: Erst funktionierte Shiftys Mikro nicht, dann war der Gesang allgemein zu leise, Rückkopplungen quietschten und pfiffen durch die P.A. und dann riss Gitarristin Biene auch noch die E-Saite. Ersatz war jedoch bald dank des kollegialen Verhaltens der anderen Bands gefunden und so konnte es mit charmantem, etwas rumpeligem deutschsprachigen Punk weitergehen, dessen provokante Texte sich das Trio auf seine Ostsee-Kodderschnauzen gerecht aufteilt und der immer mal wieder mit gediegenen Bassläufen oder auch dem Einsatz halbcleanen Klampfensounds hervorsticht. Die Heiserkeit vom Vortags-Gig hörte man ihnen nur während der Ansagen an und Shiftys melodischer Background-Gesang war die Sahnehaube auf manch Tortensong. Chaotisch wurd’s beim SCHLEIMKEIM-Cover „In der Kneipe zur trockenen Kehle“, bei dem kurzerhand das Publikum die Mikros annektierte, sich mit der Originalstruktur des Songs jedoch als nicht gänzlich vertraut erwies. Lustig war’s allemal und aus dem anfänglichen Bauernpogo entwickelte sich im Laufe des Gigs dann auch doch noch positive, ausgelassene Stimmung. Daumen hoch!

Die weiteren drei Bands kannte ich wiederum überhaupt nicht. DONKANAILLE stammen ebenfalls aus MeckPomm, genauer: aus Gadebusch, bestehen seit 2012 und haben mit „Honig & Stacheldraht“ ein Album am Start. Der Sound des Quartetts klang wie ‘ne Mischung aus D-Punk und Hardcore und erinnerte mich zeitweise grob an die EMILS abzüglich deren Metal-Einflusses. Textlich gibt man sich kritisch und bissig und klang live rauer, aggressiver und bischn mehr auf dicke Hose als auf dem Album, was der Band ganz gut zu Gesicht stand. Aggressive Backgrounds sorgten für zusätzlichen Kick und der Rollifahrer, der den Gesang eines der Songs übernahm, ebenso für Abwechslung wie die Gesangseinlage eines Freundes der Band. Mittlerweile hatte sich der Laden noch weiter gefüllt und die Stimmung weiter gelockert, vor der Bühne war immer was los und der Sänger mischte sich unters Publikum. Guter, sehr souveräner Gig, dem es in den Midtempo-Parts etwas an Hooks und ansonsten vielleicht ein wenig an individueller Note mangelte, mit Engagement, Spielvermögen und Attitüde aber zu überzeugen wusste.

SELBSTBEDIENUNG aus Aargau hätten zu den Pechvögeln des Abends werden können, als direkt beim ersten Song die Bassanlage den Dienst versagte und eine gefühlt stundenlange Reparationspause einläutete. Auf vielen anderen Konzerten hätte sich die Butze sicherlich schnell spürbar geleert, doch nicht hier: Die Leute ließen sich die Laune nicht verderben, tranken weiter und beobachteten die schwitzende Technik-Crew bei ihren Versuchen, der Lage wieder Herr zu werden. Letztendlich sind besonders fieser Weise wohl gleich zwei Komponenten in‘ Dutt gegangen, was die Sache verkomplizierte. Als der Tieftöner irgendwann endlich wieder lief, wurde erst mal ein Bass-Solo gefordert und die Band konnte – ab nun störungsfrei – weitermachen. Offenbar wären die Eidgenossen lieber Hamburger, so oft, wie sie St. Pauli besangen. Fürchtete ich zunächst nervigen Schunkel-Fun-Punk, steigerte sich das Trio schnell mit flotteren, raueren Songs auch ernsterer Natur, die auf viel Publikumsresonanz stießen. Bei drei Alben kann die 2007 gegründete Band aus dem Vollen schöpfen und spielte auch recht lang. Zum eigenen Material gesellte sich ein Medley aus „Antifa Hooligans“, „God Save The Queen“ und „Das Herz von St. Pauli“, doch war mittlerweile meine Aufmerksamkeitsspanne leicht erschöpft, weshalb vieles doch ziemlich an mir vorbeirauschte, so kurzweilig die Schweizer auch unterhielten.

Jener reduzierten Aufmerksamkeitsspanne kam dann die Hamburg-Lübeck-Connection NASTY JEANS entgegen: Schnelle, kurze, eruptive Punk-/Oldestschool-HC-Songs ohne Intros, Intermezzi, Outros oder sonstige Schnörkel, immer direkt von Null auf 100 und geschultert von einer kleinen, zunächst unscheinbar wirkenden Sängerin, die mit einer kräftigen Rotzröhre überraschte. Das war genau das Richtige zur mittlerweile reichlich fortgeschrittenen Stunde und wurde entsprechend vom noch keine Ermüdungserscheinungen zeigenden Publikum gefeiert. Geiler Abschluss eines etwas pannenreichen, nichtsdestotrotz lohnenden Abends, der neben musikalischer Abwechslung das gewohnte Gängeviertel-Flair bot und mal wieder Laune machte – wie üblich bei Eintritt in selbst zu definierender Höhe auf Spendenbasis. Danke an BeyondBorders und alle Mitverantwortlichen!