Günnis Reviews

Autor: Günni (page 63 of 107)

14.07.2012, Juki 42, Ahrensburg: EIGHT BALLS + SMALL TOWN RIOT + SUIZIDE QUEENZ

eight balls + small town riot + suizide queenz @juki 42, ahrensburg, 14.07.2012Am Vorabend meines Geburtstags stand nach langen Jahren mal wieder ein konzertbedingter Besuch im fast schon legendären Juki 42 in Ahrensburg, einem der schönsten Jugendzentren der weiteren Umgebung, an. Mit einigen Chaoten im Anhang traf man allerdings etwas zu spät ein, so dass ich, nachdem ich den lächerlich geringen Eintritt abgedrückt hatte, aufgrund diverser Begrüßungsrituale die letzten Songs der SUIZIDE QUEENZ lediglich am Rande mitbekam. Ex-PUSHUPS-Högis und Ex-SMALL-TOWN-RIOT-Andys neue Band hatte einen ihrer ersten Gigs in teils abgefahrener Verkleidung und viel Schminke, offensichtlich an die 80er angelehnter Poser-Glam-Rock’n’Roll mit Punkrock-Rotz. Im Anschluss sollte ich dann endlich Gelegenheit bekommen, die von mir in der jüngeren Vergangenheit sträflich vernachlässigten SMALL TOWN RIOT in der neuen Besetzung mit Timo an der zweiten Gitarre und Neuzugang Herrn Lehmann an der Schießbude zu sehen. SMALL TOWN RIOT spielten sich souverän durch ein ausschließlich aus Hits – derer sie nun wirklich viele haben – bestehendes Set und ernteten die verdiente positive Publikumsresonanz, indem die Meute inkl. meiner lauthals mitsang. Ein englischsprachiger Streetpunk-Kracher der melodischen Sorte jagte den nächsten und der zweistimmige Gesang zwischen Goldkehle (Norman) und Rotzröhre (Timo) war erstklassig wie eh und je. Herr Lehmann entpuppte sich anschließend auch noch als überaus sympathischer Zeitgenosse, so dass er sich perfekt in die STR-Familie einreihte. Klasse Gig, der nach so langer Abstinenz mal wieder richtig Laune machte. Mittlerweile hatte ich auch nicht zuletzt dank der punkrockerfreundlichen Getränkepreise reichlich vorgeglüht, so dass dem Auftritt der unbestrittenen No.-1-Asi-Skin-Oi!-Punk-Heroen EIGHT BALLS nichts mehr im Wege stand. Mit Ladde als festen zweitem Gitarristen nach Mückes Abgang reihte sich auch hier Kracher an Kracher und wurde von mir und anderen frenetisch unter fleißigem Körpereinsatz abgefeiert. Coverversionen von MISFITS („Skulls“) und SLIME („1,7-Promille-Blues“) fügten sich nahtlos in die abwechslungsreiche Songauswahl ein, während ich in meinen Geburtstag hineinprollte – und bei „Für immer Punk“ von den Goldenen Zitronen wurd’s dann noch mal richtig feierlich. Ladde an der Gitarre abzufeiern, wurde zum Running Gag zwischen den Songs. Natürlich war ich einmal mehr schwer begeistert; die Band war mit ihrem Auftritt hingegen anscheinend nicht sonderlich zufrieden. Mir war’s (Achtung, Wortspiel) ladde, denn um irgendwelche Fehler, Verspieler etc. mitzubekommen, war ich eh zu euphorisiert (bzw. voll) und von meiner eigenen Party eingenommen. Wenn ich feiern will, dann feier ich, egal, wie gut oder schlecht die Band gerade drauf ist. Die Nacht nahm einen angenehmen Ausklang während einer chaotischen Odyssee in größerer Gruppe zurück auf den Kiez und ich konnte ein weiteres Lebensjahr abhaken bzw. einläuten. Danke, Jungs!

10.06.2012, Markthalle, Hamburg: SACRED REICH + AFTER ALL + DEGRADEAD

sacred reich @markthalle, hamburg, 10.06.2012

An diesem schönen Sonntagabend sollte ich einen weiteren Haken neben einen Konzertwunsch setzen können: US-Thrash- und 80s-Gasmasken-Ästhetik-Legende SACRED REICH, die mich bereits seit den 80ern musikalisch begleitet, hatte unlängst wieder zusammengefunden und beehrte die Markthalle mit einem Gig. Wie gewohnt begann die Sause recht früh, was mir auf einem Sonntagabend ganz recht war. DEGRADEAD verpasste ich komplett, zu den mir ebenfalls unbekannt gewesenen Belgiern AFTER ALL war ich jedoch pünktlich zur Stelle. Die postierten das sehr gelungene Ed-Repka-Artwork ihres neuen, bereits achten (!) Albums auf der Bühne und legten los. Glatzen und lange Haare hielten sich in der Band ebenso kontrastreich die Waage wie die Farben der Flying-Vs, von denen man eine schwarze und eine weiße zur Hand hatte. Doch was man mit ihnen anstellte, war nun so gar nicht meine Tasse Bier: „Melodischer Power-Thrash“ oder so mit klarem Gesang, der ständig in Falsetthöhen vordrang. So ein bisschen Richtung AGENT STEEL? Keine Ahnung, denn hinzu kam wie häufiger in der Markthalle ein miserabler Sound mit einem Hall, als befände man sich tatsächlich in einer riesigen Halle, ein einziger Soundbrei. Nach zwei, drei Songs ergriff ich die Flucht und verfolgte im Vorraum das EM-Spiel der tapferen Iren gegen Kroatien, das leider die Kroaten für sich entscheiden sollten. Alles anders dann bei SACRED REICH: Der Saal füllte sich, trotzdem hatte man noch genügend Bewegungsfreiheit. Die sympathischen Amis mit ihren intelligenten, autoritäts- und politkritischen Texten und immer mal wieder feister Hardcore-Kante boten eine exzellente, keine Wünsche offen lassende Songauswahl sogar inkl. ein paar Songs aus den maueren 90ern dar und hatten sichtlich Spaß, wieder auf der Bühne zu stehen. Das Publikum schien ebenfalls sehnsüchtig auf die Band gewartet zu haben, glückliche Gesichter allenthalben. Dass die Band zwar bejubelt wurde, es aber nicht wie früher zu größeren Moshpits, Stagediving etc. kam, man also nicht komplett durchdrehte, quittierte Frontmann Phil Rind mit einem augenzwinkernden Kommentar dahingehend, dass wir eben auch alle etwas älter würden sowie einem süffisanten Lächeln. Hinzu kommt aber auch einfach die sterile Atmosphäre des Kommerztempels Markthalle, die nicht gerade zu so etwas einlädt. Dafür stimmte aber diesmal der Sound, der organisch und druckvoll klang und allen Instrumenten ihren verdienten Raum ließ. Für Gitarrensoli kam der entsprechende Gitarrero stets bis an den vorderen Bühnenrand und nahm für ihre Dauer die Position des Frontmanns ein. Natürlich bedeutet so ein SACRED-REICH-Konzert aber nicht in erster Linie Sologefiedel und Gitarrengewichse, sondern hartes, schnelles Geriffe, treibende Drums und kämpferischen Gesang mit punkiger Attitüde. Etwas das Tempo herausgenommen wurde zwischenzeitlich fürs BLACK-SABBATH-Cover „War Pigs“, mitgesungen aus hunderten Kehlen. Klasse! „Death Squad“, „Who’s to Blame“, „The American Way“ und als Zugabe „Surf Nicaragua“ – meine persönlichen Favoriten waren alle dabei und machten mich an diesem Abend enorm glücklich. Sehr gerne wieder, gern auch in einem Laden mit mehr Szenebezug und einem steiler abgehenden Publikum an einem Freitag oder Samstag. Nach wie vor eine geile, relevante Band.

06.06.2012, Hafenklang, Hamburg: CRO-MAGS + MÖRSER

Als ich im zarten Grundschulalter begann, mich für Heavy Metal zu begeistern, bekam ich mal ein selbstaufgenommenes Mixtape geschenkt – es dürfte mein allererstes gewesen sein –, auf dem neben IRON MAIDEN, RUNNING WILD, DESTRUCTION & Co. die CRO-MAGS mit „We Gotta Know“ vertreten waren. Ich war sofort begeistert von der unbändigen Energie dieses Kraftprotzes von einem Song und hielt die Band schlicht für einen weiteren Metal-Act. Nachdem meine Punk- und Hardcore-Sozialisation nach meiner Pubertät so weit vorangeschritten war, dass ich selbst Straight Edgern nicht mehr prinzipiell ablehnend gegenüberstand, entdeckte ich irgendwann endlich auch die CRO-MAGS für mich neu und saugte die alten Kult-Aufnahmen, von denen es ja nun nicht allzu viele gibt, wie ein nasser Schwamm in mich auf. Was für geniale, auf den Punkt gebrachte Mucke prolliger, schwerst tätowierter, durchgeknallter Typen, die ihren New-York-Hardcore mit einer gewissen Metal-Kante verbanden und UNZÄHLIGE nachfolgende Bands damit nachhaltig beeinflussten! Direkt von der Straße in die Fresse. Die Bandköpfe John Joseph (Voc.) und Harley Flanagan (Bass) indes waren längst heillos zerstritten, hier und da gab es mal wieder vereinzelte Gigs, doch mal fehlte der eine, mal der andere. Mir war es nie vergönnt, einem beizuwohnen, doch Joseph begegnete mir in diversen Videos und machte stets einen ultrafitten Eindruck. Nun also war es endlich soweit und ich sollte an einem Auftritt Josephs & Co. partizipieren. Joseph, mittlerweile sogar unter die Bauchautoren gegangen – wer hätte ihm das früher zugetraut? – ist für mich schon so etwas wie ein Respektsperson, auch wenn man sicherlich nicht mit allem einverstanden sein muss, was der Herr so absondert. Besonders faszinierend an den CRO-MAGS finde ich aber, dass sie trotz derber, desillusionierender Straßentexte eine unheimlich positive Ausstrahlung versprühen und sich durch diese spezielle Mischung irgendwann Usus gewordener Kategorisierungen der Marke „Posi-“ oder „Bollo-Core“ entziehen. Damit sind sie für mich eine wunderbare Inspirationsquelle, die eine Nische ausfüllen, die eigentlich gar keine sein sollte, auf dem aktuellen „Hardcore-Markt“ aber anscheinend ist. Klasse finde ich dabei, dass es sie nicht im alljährlichen Package mit x anderen Bands in seelenlosen Kommerzschuppen zusammen mit den Top-Sellern der Szene gibt, sondern sie eben einen kleinen, feinen Clubgig wie diesen im sympathischen Hafenklang absolvieren. Die Bude war natürlich dementsprechend voll, mit meiner Meinung stehe ich alles andere als alleine da. Etwas schade fand ich, dass man keine lokalen Hardcore-Bands im Vorprogramm postierte, sondern mit den Bremern MÖRSER eine Death/Thrash/Grind-Kapelle aufspielen ließ, was meines Erachtens nur bedingt passte. Diese legte sich gut ins Zeug und mit zunehmender Spielzeit gefielen mir die Songs auch besser, insbesondere die thrashigeren Sachen mit akzentuierten Gitarrenriffs. Gleich drei röchelnde Sänger aufzufahren, ist aber mit Sicherheit übertrieben, andererseits sehe ich so etwas nun aber auch nicht alle Tage. Das Publikum nahm die Band irgendwo zwischen verhalten und passabel auf, aber eingestellt hatte ich mich eben auf einen anderen Sound an diesem Abend. Irgendwann war es dann auch soweit und John Joseph und seine Mannen bretterten mit „World Peace“ los, den sie prompt mehr oder weniger verhauten. Meine Skepsis stellte sich jedoch sehr schnell aus unangebracht heraus, denn spätestens Josephs sehr eigener Stil, sich zur Mucke zu bewegen, brachte sofort das „Cro-Mags-Feeling“, zudem sieht der Kerl immer noch wesentlich jünger aus, als er vermutlich ist. Ab dem zweiten Song war dann auch alles perfekt, jeder Song saß, alle Klassiker wurden dargereicht, Joseph klang prima und sein Vibrato in der Stimme, das er hin und wieder einsetzt, versieht die Songs mit einem individuellen Erkennungsmerkmal. Hit folgte auf Hit, souverän und arschtretend. Vorne wurde getanzt, hinten andächtig gelauscht und dazwischen irgendwo ich und andere Interessierte dichtgedrängt, die die Energie des Sounds in sich aufnahmen. Das Publikum war bunt gemischt, Kurz- bis Langhaarige, verschiedene Leute, denen die Band etwas bedeutet, wenngleich ich doch verwundert war, auf kaum bekannte Gesichter zu treffen. Wer trinken wollte, trank, wer rauchen wollte, tat das im Eingangsbereich oder vor der Tür, Dogmatiker, Hardcore-Päpste und Gewalttänzer der nervigen Sorte sind mir nicht aufgefallen. Angenehm. Kurzzeitig sorgte Joseph für Verwirrung, als er seine Lobesrede auf die deutsche Punk- und Hardcore-Szene nicht ausreichend erwidert sah und er in etwa so was wie „Is it still wrong to have German pride?“ fragte. Tja, manch Ami ist da eben etwas anders drauf und wird vermutlich nicht ganz nachvollziehen können, welche Debatten über (vermeintlichen?) Nationalstolz und Patriotismus innerhalb der deutschen Szene(n) gerade anlässlich der Fußball-EM aktuell auch wieder geführt werden. Das möchte an dieser Stelle aber nicht vertiefen. Ansonsten wetterte Joseph kurz gegen Establishment und System, ließ aber in erster Linie die Musik für sich sprechen. Seine vegane Lebensweise machte er genauso wenig zum Thema wie den Hare-Krishna-Kram, es blieb eine undogmatische Hardcore-Show, die kompakt die besten Cro-Mags-Stücke sowie das Bad-Brains-Cover „Attitude“ zusammenfasste und in Form eines frisch klingenden Energieballs ins Publikums blies. Klar, sicherlich wurden die Songs nicht mit dem gleichen Wahnsinn wie früher intoniert und natürlich legte Joseph nicht so viele Kilometer wie zu Jugendzeiten auf der Bühne zurück, und das Publikum rastete auch nicht völlig aus und lieferte sich wilde Stagedive-Schlachten. Wir haben nicht mehr 1986. Stattdessen wirkten die Stücke gereift und die Band erfahren und smart, obwohl die Inhalte die gleichen waren. Das stand ihnen gut, nichts wirkte für mein Empfinden albern oder aufgesetzt, sondern in Würde gealtert. Verdammt, es ist schwer zu beschreiben, jedenfalls hatte ich auch dann noch meinen Spaß an der Sause, als nach bereits 43 Minuten die Setlist nichts mehr hergab und Schluss war. Die relevanten Songs waren gespielt und damit war alles gesagt, es waren nicht unnötig aufgeblähte Nummern, sondern raue HC-Songs, zumeist auf das Wesentliche beschränkt, aber eben dennoch allesamt sofort voneinander unterscheidbar, direkt ins Ohr gehend und dort hängenbleibend, verdiente Genreklassiker mit höchstem Wiedererkennungsfaktor, präzise und prägnant – und in ihrer Schnörkellosigkeit eben bereits nach einer Dreiviertelstunde abgefrühstückt. Es ist ein straightes Oldschool-Hardcore-Konzert und kein mit viel Brimborium angereicherter Heavy-Metal-Gig, um den Bogen wieder zu meinem alten Mixtape zu spannen. Nicht wirklich die alte Schule war hingegen der Eintrittspreis, aber wenn man es geschafft hat, dass ich mir trotzdem nicht verarscht vorkomme, hat man anscheinend alles richtig gemacht. Das mag zugegebenermaßen aber auch daran liegen, dass ich die späteren, metallastigen Cro-Mags-Alben, auf denen zum Teil auch John Joseph singt, gar nicht kenne, mich nie mit ihnen beschäftigt habe, von ihnen überhaupt nichts hören wollte. Wer auf ein Konzert voller Songs dieser Platten gehofft hatte, wird mit Sicherheit enttäuscht gewesen sein. Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mich auch einmal diesen Scheiben widmen sollte…? Ganz gut geklingelt dürfte die Kasse übrigens auch am Merchandise-Stand haben, denn viele stürzten sich geradezu auf die in der Tat recht stilvolle, kleine Klamottenkollektion. Fazit: Für mich alles soweit im grünen Bereich und vor allem einen kleinen Traum erfüllt: Haken hinter „Cro-Mags live“! So, und nun bitte mal zusammen mit Joseph UND Flanagan!

11./12.05.2012: Hamburger Hafengeburtstag

Nach Feierabend ging’s direkt zum Hamburger Hafengeburtstag, wo für gewöhnlich von „offizieller Seite“ auf der Jolly-Roger-Bühne ein paar interessante Acts auftreten, aber auch die inoffizielle Mini-Bühne am Störtebeker in der Hafenstraße den DIY-Ethos hochhält, Getränke zu fairen Preisen feilbietet, sogar eigenhändig Cocktails mixt und viel idealistischen Krach zu bieten hat. Paar Leute treffen, bischn rumgucken, wat futtern – was man halt so macht. Das Wetter spielte mit und war angenehm trocken, das Publikum war dies selbstverständlich nicht und obwohl schon ordentlich Leute auf den Beinen waren, traf ich nicht allzu viele bekannte Gesichter und vielen stand irgendwie Lustlosigkeit ins Gesicht geschrieben. Keine Ahnung, ob’s am frühen Zeitpunkt lag, ob man eine stressige Woche in den Knochen hatte oder was auch immer, so richtig prall war die Stimmung jedenfalls noch nicht. Ich hielt mich hauptsächlich an die Störtebeker-Bühne, wo allerdings nie jemand wusste, wer wann spielen würde, geschweige denn, wer denn da gerade auf der Bühne stünde. Interessant war eine Punk-Band mit recht cooler Sängerin/Gitarristin; das war sehr hörenswert, was da fabriziert wurde. Der eigentliche Grund meines Erscheinens aber war CLUSTER BOMB UNIT, jene schwäbische D-Beat/Crust/HC-/Raw-Punk/Whatever-Combo, von der ich mich akustisch mal so richtig verprügeln lassen wollte. Nach einem minutenlangen Intro mit Kriegssoundkulisse aus der Konserve ging’s dann auch exakt wie erwartet ab und Oliver an den Drums brüllte im Duett oder abwechselnd mit Frontfrau Julia, während der Rest der Band koordinierten, hammerharten Krach absonderte. Ein heftiges Brett, ergänzt von einigen weiteren Soundsamples etc. Das Publikum lauschte dem Treiben wohlwollend und soweit ich das mitbekomme habe durchaus erfreut, zum Asphaltpogo traute sich aber niemand so recht. Drummer/Shouter Oliver kotzte sich über das lahmarschige Publikum aus, was prima zur wuterfüllten Darbietung passte. Der kleine Mitgrölhit „Wut“ war natürlich auch im Set und gefällt mir mit seinem superaggressiven Drumming immer noch mit am besten. Spießig und vernunftbetont wie ich an diesem Abend noch war, ließ ich die letzten ein, zwei Songs oder so sausen, um noch eine verhältnismäßig frühe Bahn nach Hause zu bekommen. CBU hatte ich schon lange auf dem „gerne mal live“-Zettel und ich konnte glücklich meinen Haken danebensetzen. Schönes, brutales Ding.

Am nächsten Tag begann ich entgegen sonstiger Gewohnheiten bereits um 13:00 Uhr zu saufen, denn der straffe Zeitplan sah zunächst eine Bandprobe und einen anschließenden Besuch auf dem Hafengeburtstag vor, um erst diverse Bands auf der Jolly-Roger-Bühne zu verfolgen und später weitere Auftritte am Störtebeker mitzunehmen. Es begann mit den SEWER RATS, Punkabilly aus Köln. In jedem Falle nett anzuhören, wenn auch erst einmal recht harmlos und poppig. Zum Ende hin steigerten sich die Kölner aber deutlich und packten einige Ohrwurm-Melodien aus, die für beste Laune sorgen, die – verglichen mit dem Vortag – anscheinend auch alle anderen ohnehin schon hatten. Es herrschte allgemeine Euphorie und Partylaune, das alkoholhaltige kühle Nass floss die Kehle runter und lockerte den ausgemergelten, alternden Körper ebenso wie die Zunge. An der Störtebeker-Bühne herrschte wieder die allgemeine Verwirrung darüber, wer wann spielen würde und wer aktuell gerade lärmt, im Laufe des Nachmittags und Abends waren jedenfalls diverse dissonante und atonale Klänge zu vernehmen, teilweise mit brachialer Vehemenz und damit energiegeladen-charmant vorgetragen, teilweise aber auch eher zum Weghören. Auf der Jolly-Bühne folgten die TICKING BOMBS aus Schweden. Skinhead-Streetpunk von der Stange, absolut vorhersehbar und schon x-mal gehört. Live am frühen Abend unter freiem Himmel direkt an der Hamburger Elbe natürlich perfekt, um ein paar Pils dabei zu verhaften, aber nichts, was mich jetzt besonders geflasht hätte und dringend auf den Einkaufszettel wandern würde. Mein persönlicher Höhepunkt des Abends sollten einmal mehr die EMILS werden, die sich für ihren dritten Gig, den ich seit ihrer Reunion sehen sollte, wohl keinen Ort mit mehr Credibility als die Hafenstraße aussuchen konnten. Da jedoch abermals niemand wusste, wann die überhaupt spielen würden, mischte man sich eben unters Volk vor der Bühne, laberte mit diversen bekannten Fratzen, trank und hörte sich an, was sonst noch so alles von der Bühne schallte. Was das jetzt im Einzelnen war, weiß ich aber beim besten Willen nicht mehr. Die Stimmung jedenfalls war auf ihrem Höhepunkt, glückliche und besoffene Gesichter überall und alle hatten Bock auf einen Abend in sympathischer Runde bei Punkrock und Bier. Als die EMILS endlich anfingen, muss ich bereits verdammt voll gewesen sein, aber auch nüchtern wäre der Auftritt der reinste Genuss gewesen. Der Set wurde für den Auftritt zurechtgestutzt, komplexere Songs wurden gestrichen und damit eine spitzenmäßige, festivaltaugliche, ultrakompakte Songauswahl ausschließlich aus großartigen gottverdammten Hits bestehend präsentiert, dass mich nichts mehr hielt und ich bedingungslos alles abfeierte und dabei so ekstatisch zuckte, dass ich es noch Tage später in den Nackenwirbeln spürte. Über die Qualitäten der EMILS und ihren deutschsprachigen Hardcore-Punk habe ich in jüngerer Vergangenheit bereits reichlich Worte verloren, deshalb genug davon, nur noch soviel: Ein perfekter, großartiger Gig, der mich so dermaßen durchschüttelte, dass der Alkohol die Kontrolle über jede einzelne Pore meines Körpers übernahm und mein Gehirn nur noch auf Durchdrehen programmiert war. Nach diesem absoluten Positivbeispiel für hamburgischen Altherrenpunk ging’s direkt die Treppe runter zur Jolly-Bühne, wo sich mit RAZZIA eine noch ältere Hamburger Punk-Legende an einem Gig in Originalbesetzung versuchte. Eigentlich hatte man doch aber mit dem ganzen HC-Punk-Ding von früher nichts mehr zu tun und ich erinnere mich nur zu gut an ein Interview mit Original-Sänger Rajas vor einiger Zeit, in dem er sich negativ und abfällig darüber ausließ, dass Punks zu öffentlichen Straßenfesten billiges, selbst mitgebrachtes Bier trinken, statt die überteuerte Plörre an den Ständen zu kaufen – und ihn als Kirmes-Veranstaltungsheini o.ä. damit arm zu machen drohten… oder irgendsoeine Scheiße jedenfalls. Dementsprechend skeptisch war ich und als ich dann sah und hörte, wie man ohne einen Funken Energie oder Authentizität den alten Klassiker „Arsch im Sarge“ verunstaltete, hatte ich nur noch den gestreckten Mittelfinger für diese Farce übrig, wollte mir aber die Laune nicht verderben lassen und zog schnell wieder von dannen – in die nächste Kneipe, wo die Party weiterging und die Nacht in einem meiner schlimmsten Abstürze seit Jahren endete. Doch darüber hülle ich den Mantel des Schweigens und Vergessens.

10.03.2012, Villa, Wedel: ABOUT FACE + THIS BELIEF + LAST LINE OF DEFENSE

Wieder einmal ein Hardcore-Konzi mit lokalen Bands in der sympathischen Wedeler Villa und wieder einmal anlässlich Lars‘ und Lars‘ Geburtstags. Das Besondere diesmal war jedoch zugleich ein etwas trauriger Anlass: Alle drei Bands sollten ihr jeweils letztes Konzert spielen und galten eigentlich schon als aufgelöst. Nun wollte man es aber noch mal so richtig krachen lassen und sich auch für die Nachwelt verewigen, weshalb die Gigs mit Kameras festgehalten wurden.

Das Publikum ließ sich trotz zweier Konkurrenzveranstaltungen in Hamburg nicht lumpen und erschien so zahlreich, dass die Villa restlos ausverkauft war – Derartiges hatte ich dort noch nie erlebt. Nicht unbedingt wenige und zum Teil von weit her Angereiste konnten nicht mehr hineingelassen werden, was verständlicherweise zu enttäuschten Mienen führte. Ich kam glücklicherweise rechtzeitig, also flugs die zu vernachlässigenden 4,- EUR Eintritt gelöhnt, den Freibierstempel abgeholt (danke, Lars!) und hinein ins Vergnügen. Die im Original-Line-Up zu diesem Anlass reformierten ABOUT FACE machten den Anfang mit ihrer Mischung aus rasantem, gern aber auch eher im Midtempo-Bereich angesiedeltem, punkigem Hardcore und brachten den rappelvollen Saal auf Temperatur. Da ich von der Band nichts von Konserve kenne und mich auch an kein Konzert erinnern kann, fehlte mir natürlich der Bezug, weshalb ich das Geschehen vom Rande aus beäugte und Zeuge eines guten Gigs einer sympathisch wirkenden Band wurde.

THIS BELIEF betraten zum geschmackvoll gewählten Intro, dem „Cannibal Holocaust“-Titelthema des italienischen Komponisten Riz Ortolani, die Bühne und hatten ihr zweites Album „Reputation For Nothing“ im Gepäck, das die Auflösung der Band umso bedauerlicher erscheinen lässt. Ihr aggressiver Newschool-Hardcore mit Metaleinschlag, aber auch zwischenzeitlichen Streetpunk-Versatzstücken wurde unerbittlich in die Meute gebolzt und Shouter Valentin gab ebenso alles wie der Rest der Gruppe, der mit zwei Gitarren eine breite Krachwand auffuhr. Das kam nicht nur klasse an, das hatte auch Klasse und machte unmissverständlich klar, dass man sich zwischen gehypten Metalcore-Bands und anderen modernen Szeneauswüchsen nicht nur nicht zu verstecken braucht, sondern mit seiner Authentizität und sympathischen D.I.Y.-Attitüde als Gesamtpaket so manche Brüllaffencombo locker in die Tasche steckt. Die SMEGMA-Coverversion „Die Jungs von nebenan“ bewies wie immer Humor und Selbstironie. Ein zu Recht umjubelter Gig, der der beste gewesen sein dürfte, den ich bisher von THIS BELIEF zu sehen bekam. Obligatorisch, dass ich die neue, auf nur 100 Exemplare limitierte CD gleich mitnahm.

Die Wedeler Lokalheroen LAST LINE OF DEFENSE bürgen seit jeher für die volle Kelle Oldschool-Street-Hardcore und ließen wie zu erwarten war die Sau raus. Energiebündel Eloi am Mikrophon muss das Publikum vor heimischer Kulisse nicht lange, genau genommen: gar nicht bitten und LLOD feierten zusammen mit dem ausgelassenen Pöbel einen wahrhaft ehrenvollen Abschiedsgig. Schlag auf Schlag reihte sich Hit an Hit, angereichert mit der einen oder anderen Coverversion wie z.B. dem unvermeidlichen „Porno-Nazi“ von SCHLIMME AUGENWURST. In diesem Zusammenhang schmerzlich vermisst habe ich leider „Tied Down“ von NEGATIVE APPROACH, das durch den Standard „Crucified“ von IRON CROSS ersetzt wurde. Zwischenzeitlich verteilte man Luftschlangen zum Sprühen aus der Dose, was zu einer weiteren Erhöhung des Spaßfaktors führte. Die flotten, energisch vorgetragenen Songs mit ihren griffigen, zum Fäusterecken und Mitgrölen einladenden Songs weisen trotz selbstgewählter Beschränkung auf das Wesentliche einen hohen Wiedererkennungswert auf, was bei Weitem nicht jeder diesen oder einen ähnlichen Stil spielenden Gruppe gelingt. Ein weiterer Gig, der glücklicherweise festgehalten wurde, so dass sich nachfolgende Generationen ein Bild davon machen können, welch großartige HC-Band die schleswig-holstein’sche Kleinstadt da hervorgebracht hatte. Diese Lücke zu füllen wird schwierig, wenn nicht gar unmöglich.

Der Sound war stets wie in der Villa üblich top, das Publikum umgänglich, trotz Gedrängels rücksichtsvoll und rekrutierte sich aus unterschiedlichen subkulturellen Bereichen, wobei man respektvoll miteinander umging. Einige alte Bekannte und Szenehasen waren anzutreffen und manch Klönschnack trug seinen Teil zum Gelingen des Abends bei. Nicht unerwähnt lassen möchte ich an dieser Stelle die aus meiner Sicht als Gast gelungene Organisation und das lockere, nette Villa-Personal, das es immer wieder vollbringt, dass man sich willkommen und gut aufgehoben fühlt – wofür sich die etwas längere Anreise aus meiner sympathischen Kleinstadt doch immer wieder und vor allem mehr als in den nächsten Kommerztempel lohnt. Es würde mich freuen, wenn sowohl THIS BELIEF als auch LAST LINE OF DEFENSE sich zukünftig vielleicht doch dann und wann wieder zusammenraufen und für sporadische Gigs zu haben wären, wofür sich der alljährliche Doppellarsgeburtstag natürlich anbieten würde.

13.01./11.02.2012, Hasenschaukel/Skorbut, Hamburg: DOGS ON SAIL

Am Freitag, dem 13.01.2012, luden die Punkrocker DOGS ON SAIL zu einem kostenlosen Unplugged-Gig in die schicke Hamburger Kiezkneipe Hasenschaukel, um mit ihrem neuen Sänger George einen Vorgeschmack aufs kommende zweite Album zu bieten. Dass das englischsprachige, melodische Midtempo-Material der DOGS mit gelegentlicher Hardcore-Kante auch ohne Stromgitarre funktioniert, bewiesen sie bereits in der Vergangenheit, so auch an jenem Tag. Die eingestreuten neuen Songs klangen vielversprechend und die Umarrangements funktionierten prima, außer vielleicht beim Hit „I Don’t No“, der mir in der stark verlangsamten Form zu kraftlos klang. Es fanden sich einige Interessierte ein, so dass es recht eng bzw. gemütlich wurde. Bewegt wurde sich auch ein bisschen, mitgesungen ebenfalls, vor allem natürlich bei den Coverversionen „New England“ von BILLY BRAGG, „Kids in America“ von KIM WILDE und der „Bro Hymn“ von PENNYWISE. Hat Spaß gemacht, wie eigentlich immer, und weckte die Neugier auf die neue Scheibe.

Diese stellte man – jetzt verstromt – am Samstag, dem 11.02.2012 im Hamburger Skorbut vor. Die Hunde riefen, der Pöbel folgte und als nach den ersten drei Songs endlich der Sound vernünftig abgemischt wurde und man Jörgs famoses Gitarrenspiel nicht nur sehen, sondern auch hören konnte, nahm die Release-Party ihren Lauf. Neues und altes Zeug, interessiert vom Publikum aufgenommen und teilweise sehr ordentlich betanzt, dargeboten vom bis auf eine kleine Ausnahme sehr souveränen neuen Sänger George, der die undankbare Aufgabe hat, in die Fußstapfen von Rampensau und Ex-Sänger Stulle zu treten und sich an ihm messen lassen zu müssen. Das bedeutet weniger Kaspereien, aber dafür eine für diese Musik prädestinierte, raue Stimme von jemanden, der zum Punkrock-Sänger geboren ist und seine Erfahrung mit einfließen lässt, so dass er souverän seinen Job meistert. Textsicher und mit dem richtigen Gespür für Betonungen etc. drückt er den alten Songs seinen Stempel auf und geht in den neuen, ich glaube etwas chorlastigeren auf, die er mit sichtlicher Freude dem Publikum um die Ohren rotzt. Dieses bedankte sich mit mal mehr, mal weniger Gefühlsregungen; etwas unverständlich war mir, weshalb sich der Platz vor der Bühne ca. zu Beginn des letzten Drittels sichtbar lichtete. Wurde die Aufmerksamkeitsspanne des verwöhnten Hamburger Publikums etwa überstrapaziert? Vielleicht war es aber auch einfach das Ambiente der engen, verrauchten Kneipe, das einige frische Luft schnappen oder sich Plätze am Tresen, der Quelle des zu fairen Preisen dargebotenen Nasses, zu sichern. Die Anzahl der Coverversionen wurde etwas zurückgeschraubt, aber bei der „Bro Hymn“ gingen wieder zahlreiche Arme hoch und wurde zum Chor angestimmt. Unterm Strich ein für meinen Geschmack sehr schöner Gig, in dessen Anschluss ich mir für einen lächerlichen Fünfer das neue D.I.Y.-Werk „Low“ mitnahm, das wie die neuen Songs live im CD-Player natürlich erst recht sofort zündet und neue, kämpferische Ohrwürmer bereithält. Lediglich die Spielzeit ist mit nicht einmal einer halben Stunden viel zu kurz, gemessen am Potential der Band. Immer wieder angenehm, wie sie ohne erzwungen wirkende Provokationen, ohne skandalträchtiges Image und ohne peinlichen Promo-Overkill oder was man sonst heutzutage gemeinhin so veranstaltet, um Aufmerksamkeit zu erregen, ihr Ding durchziehen, das den Augenmerk darauf richtet, worauf es wirklich ankommt. Einfach geilen Punkrock!

31.12.2011, Skorbut, Hamburg: SS-KALIERT

Da ich eigentlich Winterschlaf halte und mich mit meiner Filmsammlung in mein urgemütliches Zuhause mümmle, war, was Konzerte betrifft, bei mir zuletzt nicht so viel los. Silvester ließ ich mich dann aber doch vom allgemeinen Ausgehwahn anstecken und wohnte dem SS-KALIERT-Gig im Hamburger Skorbut bei. Hatte nach dem ersten Album den weiteren Werdegang der Krawalleros nicht mehr großartig verfolgt, doch die Band war überraschend, beinahe erschreckend gut. Der stark Punkcore-beeinflusste Sound vergangener Zeiten schien mir mehr hardcorigem Getrümmer gewichen, auch die Attitüde der Jungs scheint sich dahingehend entwickelt zu haben – was ihr gut zu Gesicht steht. Der Auftritt war jedenfalls überaus energetisch und mitreißend, gutes Set aus neueren und älteren Stücken, die ich noch kannte. Deutlich gereifte Band, die ordentlich losbrettert und spielerisch längst auf einem recht hohen Niveau angelangt ist, ohne die Aggressivität dabei zu vernachlässigen. SS-KALIERT wurden gut aufgenommen und verteilten musikalische Arschtritte, um rechtzeitig zum Jahreswechsel um Mitternacht durch zu sein. Das Publikum erschien zahlreich und war ebenfalls angenehmer Natur. Kein Haarspray-Poser-Punk-Getue, weder auf, noch vor der Bühne, sondern ehrlicher, harter Sound für eine gerechte Meute der Freunde der härteren Gangart.

Carl-Heinz Janson – Totengräber der DDR. Wie Günter Mittag den SED-Staat ruinierte

janson, carl-heinz - totengräber der ddrEin enger Mitarbeiter Günter Mittags rechnet gnadenlos ab. Ist als eine Art Gegenentwurf zu Mittags Rechtfertigungsbuch zu sehen und geht durchaus auch auf die allgemeinen Fehler im System ein, Stichwort: Kommandowirtschaft. Recht interessante, intimere Einblicke hinter die Kulissen. Aber natürlich oft auch von einer tief verwurzelten, persönlichen Abneigung des Autors gegen Mittag geprägt. Insofern etwas zweischneidig.

09.12.2011, Goldener Salon, Hamburg: EMILS + POPPERKLOPPER + GRøLBÜDELS

Die wieder vereinten EMILS waren der Hauptgrund meines Erscheinens, nachdem sie mich vor wenigen Monaten bereits im Molotow in höchstem Maße überzeugt hatten. Das ’nen Zehner kostende Dreierpack eröffneten die lokalen Grølbüdels. Deutschsprachiger Midtempo-Punkrock mit dem ersten SMALL-TOWN-RIOT-Basser David an einer der Gitarren. Mir fehlt bei dieser Band der Dreck, der Schmutz, die Straße… die Texte wirken dazu passend teilweise sehr verkopft. Aber auch die Grølbüdels haben ihre kleinen Hits, die Laune machen und das Publikum gut auf das kommende Inferno vorbereiten. Sehr schön auch die DAILY-TERROR-Coververion „Klartext“. Und perfekt aufeinander eingespielt ist man, das muss man ihnen lassen.

Die EMILS legten dann ein ähnlich grandioses Brett auf die Bretter wie kürzlich im Molotow. Genialer HC-Punk, mal mehr, mal weniger metallisch, intelligent, hart, trotzdem ohrwurmtauglich, einfach vor allem mit ihrer Best-Of-Setlist genial. Der einzelne Gitarrist hat wieder Krach gemacht für drei, der Drummer hielt punktgenau alle zusammen und beherrschte alle Tempowechsel etc. der komplexeren Songs auf dem Effeff. Der Sänger wie immer mit ein paar spaßigen Sprüchen auf den Lippen, kein einstudiertes Gelaber. Beim gekreischten „Krieg und Frieden“ wurde ihm nach eigenem Bekunden kurz schwindelig; ich bin mir sicher, dem einen oder anderem im Publikum auch. Eine Spitze gegen die anwesenden Skins konnte er sich ebenso wenig verkneifen wie Anspielungen auf das Alter der Bandmitglieder („Hätten wir damals gewusst, dass wir heute noch hier stehen und spielen, hätten wir langsamere Songs geschrieben!“), die Songs selbst wurden inbrünstig gesungen, gebrüllt und gekreischt und genau so von einigen tanzbeinschwingenden Menschen aufgenommen, doch auch der Rest schien begeistert. Das Bier spritzte, der Schweiß floss, die Kehlen wurden heisergebrüllt. Genauso solche Gigs alter Helden meiner Jugend haben mir längere Zeit gefehlt. Bleibt also zu hoffen, dass die EMILS von nun an in hübscher Regelmäßigkeit wieder für ein altes Publikum spielen und sich dabei ein neues, jüngeres erkämpfen. Molotow und Goldener Salon gingen genau in diese Richtung.

Nach ich glaube drei Zugaben, darunter das BUTTOCKS-Cover „Nein nein nein“, war Schluss und die POPPERKLOPPER erklommen die Bühne. Ich hab mir die ersten beiden Songs angehört und bin dann los, um meine Mandelentzündung auszukurieren. Bis zu diesem Zeitpunkt ein sehr angenehmes Konzert in einem nicht ganz billigen, aber sympathischen Laden, der große Publikumsresonanz genoss. Es freut mich, dass so eine Bandkonstellation noch immer ein relativ großes und gut gemischtes Publikum anspricht.

03.12.2011, Störtebeker, Hamburg: CONTRAREAL + AFFENMESSERKAMPF + SPECIAL EDUCATION

Viele waren noch erledigt vom LOIKAEMIE-Konzert des Vortags bzw. der After-Show-Party und zogen es vor, zu Hause zu bleiben. Das Störtebeker war trotzdem gut gefüllt. Ich kam leider etwas zu spät und verpasste den Anfang von CONTRAREAL, der zu zwei Dritteln aus Mädels bestehenden Hamburger HC-Punk-Band, wegen der ich in erster Linie erschienen war. Wie üblich legte das Trio einen klasse Gig hin und rotzte seine kritischen Texte inkl. der einen oder anderen Coverversion wuterfüllt heraus. Die Schlagzeugerin, die bei den meisten Songs auch noch den Gesang übernimmt, bewältigte ihre schweißtreibende Doppelbelastung wieder souverän, wovor ich erneut meinen Hut ziehen muss. Das Publikum hingegen zeigte sich durchaus interessiert, aber bewegungsresistent und allgemein reaktionsarm, was mich ziemlich irritierte. Zu verwöhnt? Zu nüchtern? Fehlten irgendwelche „Anheizer“ in den ersten Reihen, die den Vortänzer machen und den restlichen Pöbel mitreißen? Ich weiß es nicht, fand’s für die Band aber schade. Nichtsdestotrotz ein feiner Auftritt, wenn ich auch die Rudi-Carrell-Coverversion „Wann gibt’s mal wieder richtig Riot“ mittlerweile dann doch etwas sehr albern finde. 😉

AFFENMESSERKAMPF aus Schleswig-Holstein waren mir bis dato unbekannt und spielten kurze HC-Punk-Songs mit deutschen Texten so ein bisschen Richtung KNOCHENFABRIK/CHEFDENKER oder so, aber eigentlich auch anders, was weiß denn ich. Was ich so rausgehört hatte – der Sound war wieder sehr gut – klang humorvoll, dazu passend gab man sich auf der Bühne zu selbstironischen Späßen aufgelegt. Sehr unterhaltsamer, kurzweiliger Gig, musikalisch einwandfrei. Ging gut ab!

SPECIAL EDUCATION waren dann sozusagen der „Headliner“, eine sechsköpfige israelische HC-Punk/Crust-Band mit männlich/weiblichem Wechselgeröhre und -geschimpfe, denen die Bühne natürlich etwas eng wurde. Der eine Gitarrist stellte sich daher kurzerhand ins Publikum, ins selbige sprang der aufgedrehte Sänger ganz gerne mal und heizte den mittlerweile eingesetzten Pogo zusätzlich an, unterstrich außerdem die Aggressivität des dargebotenen Materials. Mir hat’s gefallen, wenn man an den Gitarren statt hauptsächlich Krach zu produzieren ein wenig nach Metal-Manier riffte und die Songs akzentuiert statt breiig spielte. Das hatte wirklich was, vor allem in Verbindung mit dem hochmotivierten Einsatz des Gesangsduos. Irgendwann nutzte sich das aber auch ab, zumal alles recht ähnlich klang. Allerdings schien man seinen Hamburger Gig so lange wie möglich ausreizen zu wollen, so dass Song auf Song folgte, bis mein Interesse doch ziemlich nachgelassen hatte. Den Laden leergespielt haben sie aber nicht, war also alles in allem noch im grünen Bereich. Letztlich erneut ein lohnender Abend im Störtebeker.

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