Günnis Reviews

Autor: Günni (page 67 of 107)

14.01.2011, Villa, Wedel: KEIN HASS DA + INSIDE JOB (+ weitere)

Vergangenes Wochenende am Freitag ging’s dann mal wieder in die Wedeler Villa, wo eigentlich Unholy Handjob, Inside Job und Kein Hass Da spielen sollten. Wie vorher schon bekannt war, fielen Unholy Handjob aus, was aber nicht bekannt war: irgendwie wurden zwei Konzerte zusammengelegt, so dass vor Inside Job und Kein Hass noch drei andere Bands spielten. Dementsprechend früher ging’s los, wobei ich die erste Band verpasst hab. Die zweite waren dann ein paar Metal-Kiddies, die ihren ersten Auftritt hatten, inkl. Mamas und Papas vor der Bühne. Ihre Instrumente beherrschten sie durchaus respektabel, aber die Mucke war so’n modernes Zeugs, mit dem ich nix anfangen kann. Thrashig, ohne richtig loszubrettern, dass es einen mitreißen würde, und mit so Emo-Gesangseinlagen zwischen dem Gebrülle und Gegrunze. Naja. Schlimmer noch war die folgende Band, die mehr Pop-Rock oder so spielte und sich „Fast berühmt“ nannte. Unerträglich und mit vermeintlich lustigen Spielchen, die das Publikum mit einbeziehen sollte. Jemand wurde ausgewählt, der zwischen den Songs per Würfel den nächsten Song bestimmen sollte, die Wahl fiel ausgerechnet auf Ladde… ich verbrachte die Zeit lieber mit Klönschnack und wartete auf Inside Job, eine HC-Band, die wohl auch einen ihrer ersten Auftritte hatte. Haben aber auch schon ’ne 7″ draußen. Fing recht vielversprechend an, anfangs hatten die Songs auch noch kurze Gitarrensoli etc., worauf mit zunehmender Spielzeit und Geschwindigkeit aber irgendwann ganz verzichtet wurde. Schnörkelloses, blitzschnelles Geballer und die Band war sich nicht immer ganz einig, wie die Songs gespielt werden sollten. Dem energiegeladenen Sänger ging das tierisch auf den Sack und wie er seine Band bepöbelte, sich schlug und wälzte, war sicherlich etwa aufgesetzt, man wusste aber nicht, wieviel davon, so dass die Show etwas Unberechenbares, Gefährliches bekam. Am Schluss gab’s einen Strauß Coverversionen von Negative Approach, Black Flag usw., war echt nicht schlecht. Dann hieß es aber irgendwann Bühne frei für Kein Hass Da um Karl Nagel, Bad-Brains-Coverversionen auf deutsch und mit ganz eigener Note. Hatte die ja erst kürzlich im Molotow gesehen, aber auch dieser Gig war wieder genial. Karl Nagel bewies einmal mehr, dass er ein klasse Entertainer ist, ging aber glaub ich im größeren Molotow, wo er trotz verhältnismäßig wenig Publikums den Raum voll für sich vereinnahmte, noch bischn mehr ab. Leider war sein Gesang anfangs etwas leise abgemischt, aber das gab sich mit der Zeit. Ein umfangreicher Zugabenblock wurde eingefordert und gegeben, sehr geile Scheiße. Irgendwann entließ man aber Karl und seine Band, womit ein interessanter, angenehmer Abend in der Villa mit sehr gemischtem Publikum sein gutes Ende nahm.

Mareile Kurtz – Pfui Spinne, Watte, Knopf!

kurtz, mareile - pfui spinne, watte, knopf!Kurzweilige Kurzgeschichtensammlung über ungewöhnliche Phobien. Unterhaltsam und leicht konsumierbar geschrieben, wenngleich ich nicht allen Geschichten ihren Realitätsgehalt ganz abkaufe. Zu häufig gibt es „rein zufällige“ Begegnungen mit Traummännern und Happy Ends… das riecht mir etwas zu sehr nach fiktiver Weiberlektüre. Zudem spielen einige Geschichten in widerlichen Yuppie-Millieus. Die Schilderungen der einzelnen Phobiesymptome sind aber stets sehr interessant und helfen vielleicht tatsächlich, Betroffenen mehr Verständnis entgegenzubringen.

08.01.2011, Skorbut, Hamburg: SMALL TOWN RIOT

Ich war am 08.01. im Skorbut, wo anlässlich Franzis Geburtstags dann doch nicht Eight Balls oder Schloidergang unplugged, sondern Small Town Riot plugged ein Set zum Besten gaben. Man hat einfach die Anlage bischn leiser gedreht, hier und da was abgedämpft und da die Wohnung unmittelbar darüber an einen vom Skorbut vermietet ist, ging das dann schon lautstärketechnisch. War sehr nett, nur Normans Stimme war nach der Hälfte nicht mehr ganz da.

KEIN HASS DA – Die Welt erobern / Brauch’ ich nicht / Lass mich in Ruh’ 7“

(www.keinhassda.de) / (www.alligatorfarm.de)

Das geniale BAD-BRAINS-Tributprojekt KEIN HASS DA mit eigenen, deutschen Texten um ex-APPD-Strippenzieher Karl Nagel habe ich Ende letzten Jahres ja bereits gebührend abgefeiert. Freundlicherweise hat man mir jetzt noch die Vinyl-Single nachgeschickt (vielen Dank!), die der Buch+CD-Ausgabe beiliegt, wenn man sie direkt bei der Band bestellt und zwei Songs enthält, die leider nicht mehr auf die randvolle CD gepasst hatten. Klasse, dass sowas dann nicht einfach fallengelassen, sondern auf eine schicke 7“ im stabilen Pappcover gepresst wird. Das steigert den ohnehin schon hohen enormen äußeren wie inhaltlichen Wert des Gesamtpakets noch einmal zusätzlich. Ein drittes Stück gibt es auch noch, eine alternative Kurzversion des Hits „Lass mich in Ruh’“, für die auf den „Gene Machine“-Teil des Originals verzichtet wurde. „Die Welt erobern“ ist im Original „Big Takeover“ und „Brauch’ ich nicht“ war zu BAD-BRAINS-Zeiten „Don’t Need It“. Alle drei Songs fräsen sich wieder durch Nagels manischen Gesang und den breiten Gitarrensound ins Hirn und sind einfach geile, flotte Hardcore-Stücke. Auf der Record-Release-Party in Hamburg war ich übrigens auch zugegen und konnte mich erstmals seit einem der ersten Gigs erneut von den Live-Qualitäten der Band überzeugen. Karl zappelte und stolzierte umher, wirkte agiler, als mancher von uns es jemals war, mischte sich unters Publikum und hatte die ganze Zeit etwas Wahnsinniges in der Mimik. Obwohl die BAD BRAINS ja bekanntlich vor mittlerweile recht langer Zeit unterwegs waren, wirkt ein Projekt wie KEIN HASS DA heutzutage erfrischend anders und geradezu neuartig. Die Musiker sind erste Sahne und haben den Sound voll drauf, viel besser können die BAD BRAINS, die ich nie sah, auch nicht geklungen haben. Wer sich das entgehen lässt, ist doof. 1. Günni

18.12.2010, Molotow, Hamburg: DOGS ON SAIL + KEIN HASS DA

Das Konzert begann recht früh und hatte mit starker Konkurrenz zu kämpfen in Form von SLIME in der ausverkauften Markthalle und einem St.-Pauli-Heimspiel. Dementsprechen war das Molotow nun nicht gerade rappelvoll, aber einige Interessierte hatten sich doch eingefunden.

Für DOGS ON SAIL war’s der erste Auftritt mit neuem Sänger George, nachdem Stulle ausgestiegen war, und für KEIN HASS DA die Release-Party ihres „Hirntrafo“-Albums und -Buchs.

George hat sich sehr gut als Sänger der DOGS gemacht; war anscheinend die richtige Entscheidung, ihn zum Frontmann zu machen. Seine Stimme passt hervorragend zur Band und er ist allgemein einfach ein geiler und sympathischer Sänger. Man spielte sich durch ein Hit-Set, das überraschend gut saß, garniert mit Coverversionen wie „We’re The Problem“ und dem unvermeidlichen „Kids In America“ sowie in einer kurzen, saitenrissbedingten Unterbrechung „Walk This Way“. Das Publikum hat’s gefreut und Zugaben gab’s auch. Müßig zu erwähnen, dass die neuen Songs ebenfalls einwandfrei klangen und sofort zündeten. Schönes Ding, weiter so!

Anschließend fegte ein Orkan namens KEIN HASS DA mit seinen deutschsprachigen BAD-BRAINS-Coverversionen und wenigen eigenen Songs gleichen Stils über die Bühne, personifiziert in erster Linie durch den kürzlich 50 gewordenen Karl Nagel, der agiler wirkte, als mancher von uns es jemals war. Der Sound war astrein, die Songs sowieso und Karl zappelte und stolzierte tuntig umher, mischte sich unters Publikum und hatte die ganze Zeit etwas Wahnsinniges in der Mimik. Die alte Rampensau ging voll in ihrer Rolle auf, das sicherlich zunächst etwas gewöhnungsbedürftige Songmaterial mit seinen mitunter unkonventionellen Strukturen wurde den Anwesenden hervorragend „verkauft“ und irgendwann taute das Volk auch auf und bewegte sich, auch ich schwang auf meine gefürchtete grobmotorische Weise verzückt das Tanzbein und grölte Refrainfragmente mit (die Songs sitzen halt noch nicht so richtig…), bis ich mir am Ende irgendwie das Knie verdrehte – man wird halt auch nicht jünger. Hat aber keinen bleibenden Schaden hinterlassen. 😀 Zwischen den Songs kommunizierte Karl mit dem Publikum, man spielte Songs auf Zuruf, zog Leute auf die Bühne und machte unmissverständlich klar, dass man hier ist, um eine geile Party zu feiern. Obwohl die BAD BRAINS ja bekanntlich vor mittlerweile recht langer Zeit unterwegs waren, wirkt ein Projekt wie KEIN HASS DA heutzutage erfrischend anders und geradezu neuartig. Die Musiker sind erste Sahne und haben den Sound voll drauf, viel besser können die BAD BRAINS, die ich nie sah, auch nicht geklungen haben. Nagel ist ein hervorragender Entertainer, was er mal wieder eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Spitzenkonzert, das nach einem ausgiebigen Zugabenblock und einer halben Stunde Überziehung sein Ende fand. Vollgepumpt mit P.M.A. trat ich glücklich die Heimreise an und freute mich schon auf das nächste Konzert einer der beiden Bands.

PLASTIC BOMB #73

(www.plastic-bomb.de)

Zum Abschied von diesem Online-Fanzine noch eine letzte Rezension der Duisburger Bombe. Und weil Abschiede ja oftmals etwas Versöhnliches haben, weil das Fest der Liebe mit seinem frostigen Klauen unbarmherzig an die Pforte hämmert und weil ich zuletzt von Ausgabe zu Ausgabe ohnehin immer weniger zu meckern hatte, will ich diesmal auch gar nicht so oberkritisch sein und einfach von vornherein feststellen, dass das PLASTIC BOMB mit dieser Nummer nahezu in Hochform ist und ich es verschlungen habe wie kaum eine Ausgabe zuvor. Sicherlich, am fragwürdigen Layout und dem Billigstpapier wird sich wohl nichts mehr ändern, aber inhaltlich ist das hier fast die erste Sahne. Durch Interviews mit Bands wie ANTI-FLAG, SPERMBIRDS, YOUTH BRIGADE, NORMAHL, MASSHYSTERI, YUPPICIDE, THE UNDERTONES, JINGO DE LUNCH, AGROTOXICO, AYILAR etc. wird ein ausgewogenes internationales Programm aufgeboten und die Art und Weise der Befragungen passierte häufig sehr ausführlich und interessant; es wurde sich anscheinend viel Zeit genommen und dadurch viel Relevantes und Tiefgreifendes aus den Bands herausgeholt. Zu manchen Interviews wird auch erwähnt, dass sie viel Vorbereitung und Aufwand gekostet haben, wovor ich meinen imaginären Hut ziehe. Insbesondere Helge Schreiber scheint mir diesmal sehr aktiv gewesen zu sein und versprüht mit seinem nicht mehr ganz jugendlichen Alter einen Eifer und eine Begeisterungsfähigkeit, von der sich viele Jüngere eine dicke Scheibe abschneiden können! Über den eigenen Tellerrand hinaus blickte man z.B. in Form eines Interviews mit den Hip-Hoppern K.I.Z., die sich zunehmender Beliebtheit auch in Punkkreisen erfreuen. In Ullahs „Deutschpunk-Tribunal“ werden diesmal T.O.D. vorgestellt, die einen tollen Humor haben und das Gespräch allein schon deshalb lesenswert machen, und für die „Herstory of Punk“ nahm sich Ronja der Berliner BLOODY SLIPS an (genialer Bandname!). Sehr schmunzeln musste ich bei den häufig kurz angebundenen und irgendwie angepissten Antworten von NORMAHL, die aber auch über einen gewissen Humor verfügen, obwohl dort sicherlich noch mehr herauszuholen gewesen wäre. Auch Bastis mitunter ziemlich arrogante Schreibe gefällt mir zwar grundsätzlich immer besser, wenn er sich auch für meinen Geschmack zu häufig in langen, sarkastischen Ausführungen verliert, die mit dem jeweiligen Thema nur noch bedingt etwas zu tun haben. So berichtet er vom Treffen der „Abgefuckt-liebt-dich“-Netzgemeinschaft, während Micha und Ronja eine gewohnt anschauliche, unterhaltsame und gerne mal selbstironische Retrospektive der letzten Plastic-Bomb-Party bieten. Ein heißes Eisen wird im Interview mit einem ehemaligen „autonomen Nationalisten“ angepackt, der jetzt in Punkkreisen weilt. Ingo vom „Punk Deluxe“ hat eine Übersicht über argentinische HC-Punk-Bands zur Verfügung gestellt, inkl. Kurzinterviews. Bei AYILAR handelt es sich übrigens um eine türkische Oi!-Band, AGROTOXICO stammen bekanntlich aus Brasilien, MASSHYSTERTI aus Schweden… Punk ist ein weltweites Phänomen, was einem mit dieser Bomben-Ausgabe mal wieder so richtig bewusst gemacht wird. Vascos „wunderbare Welt der Propaganda“ nimmt sich in dieser Ausgabe der meist ziemlich einseitig und dämlich geführten Integrations- und Islamismus-Debatte an, wobei ich diesmal in ein, zwei Punkten allerdings auch Vascos Sicht auf die Dinge etwas wenig differenziert finde, da bestünde meines Erachtens durchaus Diskussionsbedarf. Ansonsten aber wieder klasse, wie er vermeintlich komplizierte, politische Sachverhalte einfach und verständlich darlegt. Die von harter staatlicher Repression verfolgte österreichische „Animal Liberation Front“ bekommt im Plastic Bomb ein Forum, um auf die Probleme aufmerksam zu machen und ihre Sichtweise darzustellen sowie ihre Erfahrungen mitzuteilen und in der „Anders leben!“-Rubrik geht es um Punk, Autonomie und politischen Aktivismus in Mexiko. Chris Scholz’ Kolumne fiel diesmal leider etwas nichtssagend und kurz aus, das aber auf gewohntem Niveau. (Häh? Egal.) Die Plattenverrisse der „Führerecke“ gefallen wie gewohnt und sind Balsam auf die Seelen von miesen Promos geplagter Fanziner, wenn auch VENERA eigentlich nichts dort verloren hätten. Dafür freut es mich umso mehr, dass Ullah über die gleichen miesen Scheiben gestolpert ist wie ich zuletzt, haha. Ansonsten gibt’s natürlich wieder Persönliches in Form der Vorworte, innerhalb derer Micha seinen Bartwuchs thematisiert, Helge sich überaus streitbar gegen Akustik-Gitarren-Folk-Punk ausspricht, Ronja kritische Tendenzen beim Halloween-Fest ausmacht, Philipp über die neue, bürgerliche Protestkultur à la Stuttgart 21 nachdenkt und Basti mit neuerlichen soziologischen Feldforschungen auf Punk-Festivals droht. Ein kleines Dankeschön an korrekte Konzertorte, in denen man sich wirklich wohl- und gut aufgehoben fühlt, gibt es in Form von Dirks Top-10 selbiger, wobei Hamburg mit der Lobusch vertreten ist. Die „Global Punx“-Rubrik fehlt diesmal, macht aber nichts, der Inhalt des Hefts ist auch so schon global genug, Stanley Heads Ska-Ecke ist aber ebenso vertreten wie massenweise, angenehm kritische Tonträger- und Lektüre-Rezensionen und natürlich Kleinanzeigen, Neuigkeiten, Veranstaltungstermine etc. Vermisst habe ich lediglich eine persönliche Kolumne von Micha, die über sein Vorwort und den PB-Partybericht hinausgeht, denn diese zählen doch immer zu meinen Höhepunkten des PLASTIC BOMB. Ergo: Sehr starke Bombe, in der ein Haufen Arbeit steckt und hoffentlich so manchen Leser inspiriert, Denkanstöße liefert oder einfach gut und informativ unterhält. In dieser Form weitermachen! Kommt wie immer mit „Pay-To-Play“-CD und kostet in Deutschland 3,50 EUR. Günni

DIE BOCKWURSCHTBUDE – UNBESCHREIBBAR / IMMER WIEDER SONNTAGS 7“

(www.bockwurschtbude.de)

In der Oder-Frankfurter BOCKWURSCHTBUDE hatte man offensichtlich sowohl Lust auf Coverversionen als auch auf die Veröffentlichung der ersten 7“ in der Bandgeschichte, so dass letztlich „Unbeschreibbar“, im Original ein kleiner, feiner DRITTE-WAHL-Song, und „Immer wieder Sonntags“, im Original ein Stimmungsschlager von CINDY & BERT, auf rundes, siebenzölliges Bildvinyl gepresst wurden. Über Sinn und Unsinn lässt sich streiten, den Songs aber hört man den Spaß, den die Musikanten beim Einspielen hatten, an und ein nettes Sammlerstück ist’s nicht zuletzt aufgrund der Limitierung auf 150 Exemplare sowieso. Ein kurzweiliges Vergnügen. 2-3. Günni

DIE GEFAHR – HIER KOMMT HAMBURG CD

(www.diegefahr.com)

Oh je, eine Fußball-CD, und dann auch noch über den HSV. 14 Songs und eine knappe Dreiviertelstunde lang besingt DIE GEFAHR ihren Lieblingsclub und ihre Heimatstadt, ohne dass auch nur einmal kritische Töne, außer natürlich gegen andere, laut würden. Das war vermutlich auch nicht Sinn dieses Konzeptalbums, hier gibt es einfach nur ein Thema und das wird wenig variiert. Absoluter Tiefpunkt ist der stumpfe Anti-Werder-Bremen-Song und ebenfalls aus der alleruntersten Schublade stammt „Täglich beten“, ein Song, in dem der FC St. Pauli auf Steine werfende, zündelnde, am Fußball desinteressierte Möchtegern-Revoluzzer reduziert wird. Wow, da ist ja selbst „Bild“ differenzierter! Das wäre so ähnlich, als würde man den HSV auf dümmliche Asis und Halbfaschos reduzieren, die besoffen und pöbelnd durch die Straßen laufen und mit allem, was optisch nicht in ihr spießbürgerliches Weltbild passt, Streit suchen. Wer sich einmal eine Hamburg’sche Hochhaussiedlung angeschaut wird, wird wohl auch kaum unterschreiben, dass es im Süden so trist wäre, wie in „Arroganz Arena“ beschrieben. Ein Anti-FC-Bayern-Song: ok; aber daraus gleich ein fragwürdiges Lied gegen eine ganze Region zu machen, ist einmal mehr diese typische Hamburger Arroganz (und das sag ich als Quasi-Hamburger). Unreflektiertes, eingebildetes Hamburg-Abgefeiere geht mir ohnehin schon länger auf den Sack. Musikalisch ist das alles gar nicht so verkehrt, hymnischer Mid-Tempo-Punkrock, der oftmals so in die grobe Richtung TOTE HOSEN o.ä. tendiert, kompetent gespielt und mit einem gewissen Gespür für Melodie. Apropos DIE TOTEN HOSEN: Eigentlich wollte man deren „Hier kommt Alex“ für diese Scheibe auf „Hier kommt Hamburg“ umtexten, in einem ihrer wenigen lichten Momente untersagten die HOSEN dieses Vorhaben jedoch. So kam es, dass eine bemüht originalgetreue „Hier kommt Alex“-Version mit Originaltext auf der CD landete, während im Booklet der ursprünglich geplante Text abgedruckt wurde. Zur gelungenen musikalischen Untermalung stellt der klare, hin und wieder angeraute Gesang leider den Kontrastpunkt dar, denn der klingt häufig leierig und schief. Im Booklet wurden einige der Texte abgedruckt, paar Grußworte und Fotos finden sich dort ebenfalls. Ich als jemand, der mit dem HSV nicht allzu viel anfangen kann, habe mich wirklich um eine halbwegs objektive Betrachtungsweise bemüht, aber das hier ist trotzdem einfach eine Scheißplatte. Günni

THE STATTMATRATZEN – EGOSHOOTER LP/CD

(www.statt-matratzen.de) / (www.aggressivepunkproduktionen.de)

Der Name dieser ausschließlich aus Mädels bestehenden Berliner Punkrockband geistert nun auch schon etwas länger durch die Szene, gemäß meiner Recherchen gab es 2008 wohl schon eine EP und dies hier müsste nun das Debüt-Album sein. Ziemlich schnörkellos und geradeaus, dabei aber spielerisch versiert, vor allem aber erfrischend frech, selbstbewusst und spürbar mit Herz bei der Sache. Die Sängerin trägt die wohltuend klischeearmen, guten deutschen Texte rotzig und klar verständlich vor und wird begleitet von rockigem, treibendem Pogo-Sound, der mir immer dann am besten gefällt, wenn er über feine Melodien verfügt, die den Songs einen recht hohen Wiedererkennungswert und Ohrwurmcharakter verleihen. Die Damen wissen, was sie wollen, nehmen es sich und lassen den Zuhörer daran teilhaben. Um mal einen hinkenden Vergleich zu bemühen, würde ich die THE STATTMATRATZEN als das fehlende Bindeglied zwischen den PARASITEN und SUPABOND bezeichnen, aber nur, um euch in etwa einen Anhaltspunkt mitzugeben. Auch die Produktion fiel wohltuend unpompös aus, ohne dabei in Lo-fi-Gefilde abzugleiten. Sprich: klasse Sound, klasse Attitüde, sympathischer Gesamteindruck – eine kleine Perle im Wust der Veröffentlichungen. Ich gratuliere! Zur Aufmachung kann ich noch nichts sagen, da mir nur eine Vorab-Version vorliegt; die Platte soll erst Ende Januar 2011 in den Handel kommen. Die LP-Version wird einen Bonus-Song enthalten, sehr löblich und praktiziertes „Save the vinyl“. 15 bzw. 16 Songs in knackigen 39 Minuten (bzw. eben paar mehr). 2. Günni

PLASTIC-BOMB-PARTY 1995 + 1996 DVD-R

In den 1990ern war Olli Prien fleißig auf Konzerten unterwegs und hat gefilmt und die Ergebnisse anschließend auf seinem D.I.Y.-Videolabel „Olli Videos“ auf VHS angeboten, in einer Zeit, in der es noch kaum Internet, kein Youtube gab und noch nicht jeder Hans und Franz mit HD-Equipment herumgelaufen ist und mitgeschnitten hat. Ollis Kassetten waren – vermutlich dem Medium geschuldet – nicht ganz billig und vor allem streng amateurhaft, aber für so manchen im Prä-DVD-Zeitalter eine schöne Möglichkeit, sich den unbearbeiteten Geist von Punkkonzerten ins heimische Wohnzimmer zu holen oder sich Erinnerungsstücke von beigewohnten Veranstaltungen zu sichern. Witzigerweise habe ich erst kürzlich mein „Olli-Video“ eines frühen KASSIERER-Konzerts digitalisiert, als mir die digitale Version der alten Aufnahmen Ollis von den Plastic-Bomb-Partys 1995 und 1996 im Oberhausener „Druckluft“ als gebrannte DVD ins Haus trudelten. Dieser hat nun vor, seine alten Tapes – entsprechendes Interesse vorausgesetzt – auf DVD-R jeweils im Doppelpack und ohne Drumherum für 5,- EUR + 1,45 EUR Porto zur Verfügung zu stellen. Eine gute Sache, wie ich finde, handelt es sich doch um authentische Zeitdokumente von Bands, von denen es teilweise gar keine offiziellen Videoaufnahmen gibt und damit um wichtige Kulturgüter voller Zeitkolorit. Wie gesagt, es handelt sich um Amateur-Aufnahmen aus dem Publikum heraus, erwartet also keine professionellen Hochglanzprodukte; auch ’ne Bildstörung muss man hin und wieder in Kauf nehmen. Bei den mir vorliegenden Plastic-Bomb-Partys kann man sicherlich auch streiten, welche Bands mehr und welche weniger Spielzeit verdient gehabt hätten, gerade auch natürlich im Rückblick mit dem Wissen von heute. Mit dabei waren jedenfalls SCHLAFFKE & ZEPP, LA CRY, DOG FOOD FIVE, DADDY MEMPHIS, STAGE BOTTLES, OXYMORON (1995) sowie NOVOTNY TV, RAWSIDE, PSYCHISCH INSTABIL, N.O.E., GROWING MOVEMENT, IMPACT und SICK, SUCK & FUCK (1996). Historisch Interessierte sollten also gerne mal den guten Olli unter Olli Prien, Plauener Straße 23, 30179 Hannover kontaktieren und ihm den einen oder anderen Mitschnitt aus den Rippen leiern. Ich für meinen Teil finde es jedenfalls klasse, dass es ihn noch gibt und er sein Zeug weiterhin zu einem sehr fairen Kurs vertreibt. Unfassbar allerdings, wie lange diese Zeit schon wieder her ist… Günni

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