Günnis Reviews

Autor: Günni (page 8 of 107)

11.04.2024, Markthalle, Hamburg: SARAH BOSETTI – Wer Angst hat, soll zuhause bleiben!

Die Aktivitäten der Kabarettistin, Satirikerin, Autorin und Moderatorin Sarah Bosetti lernte ich kennen, als mir meine Liebste „Bosetti will reden!“-Beiträge vorspielte, kurze Clips, in denen sie sich seit dem Jahre 2020 rhetorisch ausgefeilt und unheimlich pointiert zu gesellschaftlichen und politischen Themen äußert. Ihren vierteiligen Fernsehversuch „Bosetti die Erste“ fand ich dann nicht so prall und in ihrer seit Ende 2023 auf 3Sat ausgestrahlte monatlichen Late-Night-Show erscheint sie mir politisch zuweilen ein wenig naiv, trumpft aber auch dort immer dann auf, wenn sie ihre Schlagfertigkeit und ihre kabarettistischen Stärken ausspielen kann. Als ich einer Litfaßsäule entnahm, dass sie mit ihrem aktuellen Buch „Wer Angst hat, soll zuhause bleiben!“ (anscheinend bereits seit über einem Jahr) tourt und ich ohnehin noch ein Geburtstagsgeschenk für meine wesentlich bessere Hälfte brauchte, erntete ich rasch zwei Karten ab und war gespannt darauf, was uns erwarten würde.

In der Markthalle war ich bisher lediglich auf Konzerten, noch nie auf einer bestuhlten Veranstaltung wie dieser. Diese war ausverkauft bei freier Platzwahl, rechtzeitiges Erscheinen sicherte also vernünftige Plätze. Bosetti nahm an einem Tisch auf der Bühne Platz, hinter ihr wurden einzelne Zitate von Politikern oder anderen Personen des öffentlichen Interesses an die Wand geworfen. Das Programm entpuppte sich als Mischung aus klassischer Lesung und bissigem satirischen Kabarett: Dem Motto „Mit Poesie gegen Populismus“ entsprach Bosetti, indem sie mit hinsichtlich ihres strukturellen Aufbaus und ihrer Sprachgewandtheit recht anspruchsvollen und inhaltlich ebenso spöttisch-witzigen wie in ihrer Aussage klugen humanistischen Gedichten auf populistische Aussagen reagierte, die mitnichten lediglich im rechtsextremistischen Spektrum zu finden sind. Dies tat sie mit perfekten Betonungen und ohne sich auch nur einmal zu verhaspeln oder in der Zeile zu verrutschen. Zwischen den jeweiligen Deklamationen kommunizierte sie mit dem Publikum, flocht Anekdoten ein und unterfütterte ihre Poesie mit Hintergrundinformationen und blieb dabei stets im sympathischen wie humorigen Duktus.

Nach ungefähr der Hälfte gab es eine Pause, die auf ca. eine halbe Stunde ausgedehnt wurde, sodass auch angesichts der Schlangen am Getränkestand keine Hektik ausbrach. Ich habe nicht auf die Uhr geguckt, aber insgesamt dürfte Bosetti es auf rund zwei Stunden Spielzeit gebracht haben. Mit welcher Eloquenz, Empathie und scheinbarer Gelassenheit Bosetti dem populistischen, rechtsextremistischen oder auch schlicht idiotischen Wahnsinn entgegentritt, ist eine hohe Kunst, die sie offenbar in Form eines solchen Bühnenauftritts am besten ausleben kann – und Balsam für die Publikumsseele. Leider muss sie dafür in Kauf nehmen, angefeindet und bedroht zu werden, wovor in heutigen Zeiten allerdings kaum jemand gefeit ist, der öffentlich Haltung beweist. Auch sprachlich war das alles höchst interessant, denn Bosetti ist nicht zuletzt eine großartige Rhetorikerin. Der viele Applaus, mit dem sie bedacht wurde, war da nur angemessen und gerecht.

Im Anschluss verkaufte und signierte sie noch ihr aktuelles Buch, das bei Rowohlt erschienen ist. Meine Liebste erstand ein Exemplar, das nun die Widmung „Für Flo und Günni“ ziert. Eine schöne Erinnerung an einen überaus gelungenen Abend! So was könnte man eigentlich öfter mal machen.

Ralf Heimann / Jörg Homering-Elsner – Lepra-Gruppe hat sich aufgelöst

Nachdem ich mit Heimanns und Homering-Elsners „Bauchchirurg schneidet hervorragend ab“ bereits meine helle Freude hatte, musste auch dieser erste Band der Reihe her, die „Perlen des Lokaljournalismus“ und „Kurioses aus der Presseschau“ sammelt und so etwas wie Best-of-Bände der eigentlich auf Facebook präsentierten Fundstücke darstellen. Die rund 200-seitigen, querformatigen Taschenbücher erscheinen im Münchner Wilhelm-Heyne-Verlag, los ging’s mit diesem Titel im Jahre 2015.

Pro Seite findet sich ein Presse-Fauxpas aus dem deutschsprachigen Raum in Form eines Fotos bzw. Web-Screenshots, deren Spannbreite von witzigen Rechtschreibfehlern über unglückliche Formulierungen und Stilblüten bis zu irreführenden oder unpassenden Layout-Entscheidungen und purem menschlichen Versagen reicht. Hin und wieder scheint sich indes auch ein bewusst platzierter Scherz seitens der Redaktion eingeschlichen zu haben. Und die launigen Kommentare der Herausgeber setzen oftmals noch einen drauf.

Klar, kann man sich auch alles für lau im Netz angucken und damit den Zehner für das Buch sparen – verpasst dann aber diese hervorragende und vor allem bleibende Zusammenstellung, die mir mehrere Lachanfälle beschert hat und zu den amüsantesten Büchern meiner Bibliothek zählt.

09.04.2024, Bambi Galore, Hamburg: TOXIKULL + VENATOR

Darauf, die Österreicher VENATOR mal live zu sehen, hatte ich mich schon länger gefreut. Die nach dem einheimischen Wort für „Tomate“ benannte 3-Song-Mini-LP aus dem Jahre 2020 hatte es mir angetan; das 2022 erschienene Debüt-Album „Echoes from the Gutter“ enthält ebenfalls feinen Oldschool-Metal-Stoff, der mich an Mitt-‘80er-Mausoleum-Bands oder auch Geheimtipps wie die dänischen RANDY erinnert. Bisschen doof, dass die gemeinsame Tour mit den portugiesischen Heavy-/Speed-Metallern TOXIKULL statt am Wochenende ausgerechnet an ‘nem Dienstag im Hamburger Bambi haltmachte, aber hilft ja nüscht. Dafür war die Bude ganz ansehnlich gefüllt, als VENATOR mit „Blind Ambition“ den Anfang machten und anschließend erwartungsgemäß viel Albumstoff zockten, als dritten Song aber mit dem bisher unveröffentlichten speedigen „Steal The Fire“ auch einen Ausblick aufs offenbar kommende zweite Album gewährten. Hits wie „Nightrider“, „Manic Man“ und das hardrockige „Streets of Gold“ sind auch live wahre Ohrenschmeichler, die – wie der ganze Gig – entsprechend wohlwollend vom Publikum aufgenommen wurden. Leider läutete der Titelsong der Mini-LP, „Paradiser“, dann auch schon das Ende ein, für eine Zugabe war anscheinend keine Zeit mehr. Das ist auch deshalb äußerst bedauerlich, weil sie anderswo angeblich den Überhit „The Beast“ der eingangs erwähnten RANDY als Zugabe gezockt haben. Hrmpf. Zu den Mitt-‘80ern passt bei VENATOR übrigens auch das optische Erscheinungsbild der Musiker perfekt, von den Frisuren über die Schnurries bis hin zu Kleidung und Posen. Das wirkt aber weniger wie bemühter Retrokult als vielmehr wie ein Ausdruck von Authentizität, die die Band mit ihrem wunderbar atmosphärischen Heavy Metal mit zwei Gitarren, dafür ohne jeden Firlefanz erzeugt. Die Monitorprobleme, die einer der Klampfer hatte, schienen sich nicht auf die Qualität seines Spiels auszuwirken, und der P.A.-Sound war grandios. Die Sprachbarriere zwischen Österreichisch und Norddeutsch überwand der vornehmlich dem halligen Klargesang verpflichtete Sänger interessanterweise durch konsequent auf Englisch gehaltene Ansagen. Klasse Band, von der man hoffentlich noch einiges hören wird.

TOXIKULL sind schon ein paar Jährchen länger am Start, ihr Debütalbum datiert aufs Jahr 2016. 2019 folgte dessen Nachfolger „Cursed and Punished“ und im heurigen Februar wurde die neue Langrille „Under the Southern Light“ veröffentlicht – die ich noch gar nicht kenne. Basser Antim leistet sich die Extravaganz, einen fünfseitigen Bass zu spielen, ansonsten regiert aber auch hier ein Sound der alten Schule mit zwei Gitarren. Lex Thunder, einer der Gitarristen, übernimmt zugleich den Gesang und wird dabei vielfach von Antim unterstützt, der beim dritten Song sogar den Hauptgesang übernahm. Speed Metal wie „Nightraiser“ oder „Cursed and Punished“ ging einher mit Material vom neuen Album, das eher im klassischen Heavy Metal zu Hause zu sein scheint. Das davon dargebotene „Around The World“ jedenfalls klang rockiger als das ältere Material, und auch die nächste Nummer, die mit einem kurzen Mitsingspielchen eingeleitete, priestige, an „Metal Gods“ erinnernde Stampfnummer „Battle Dogs“ (witzigerweise hatte ich stets „Metal Dogs“ verstanden…) drosselte das Tempo. Unter den weiteren neuen Songs fand sich sogar ein sehr getragenes Stück, gegen Ende brachte man dafür das sehr kompetent gezockte MOTÖRHEAD-Cover „Iron Fist“ unter.

Ein ausgesprochen schöner Konzertabend für Freundinnen und Freunde des verchromten Echtmetalls.

Katja Berlin / Peter Grünlich – Was wir tun, wenn es an der Haustür klingelt: Die Welt in überwiegend lustigen Grafiken

Der Nachfolger des im Jahre 2012 im Münchner Wilhelm-Heyne-Verlag erschienenen querformatigen Taschenbuchs „Was wir tun, wenn der Aufzug nicht kommt: Die Welt in überwiegend lustigen Grafiken“, einer Art „Best of“ der Grafiken aus dem „Graphitti-Blog“, setzt wenig überraschend aufs gleiche Konzept, wenngleich die verwendeten Diagrammtypen nun etwas abwechslungsreicher ausgefallen sind. Die erneut rund 200-seitige Fortsetzung stellt Alltagsphänomene und menschliche Verhaltensweisen auf satirisch-humorige Art abstrakt dar und verballhornt damit zugleich den Diagramm-Wahn in kommerziellen Präsentationen und wissenschaftlichen Arbeiten. Berlin und Grünlich verzichten diesmal auf ein Vorwort uns steigen direkt ein.

Manches Mal denkt man sich angesichts der scharf beobachteten Verhaltensmuster, die hinter vielen der Diagramme stecken, fast erleichtert: „Es geht also nicht nur mir so!“ Ferner werden Geschlechterklischees aufs Korn genommen, aber auch reproduziert. Demgegenüber steht das eine oder andere nachdenklicher stimmende Diagramm. Wie beim ersten Band ist, das Buch einmal in die Hand genommen, der Durchblätterfaktor hoch, der Spaßfaktor aber ebenfalls und der Preis mit rund 10,- € für ein derart kurzweiliges Vergnügen kein Pappenstiel, aber zu vertreten. Mein Exemplar habe ich mir aber für’n Appel und ‘n Ei antiquarisch besorgt.

Semmels Satire Sammelsurium

Der Kieler Semmel-Verlach (damals noch „-Verlag“) wurde im Jahre 1981 von Winfried „Winni“ Bartnick eigens für die Veröffentlichung der „Werner“-Comics Rötger „Brösel“ Feldmanns gegründet. „Semmels Satire Sammelsurium“ erschien ein Jahr später und dürfte der erste Sammelband des Verlags gewesen sein. Im von den „Werner“-Comics gewohnten etwas größeren Taschenbuchformat vereint er auf seinen leider unnummerierten Schwarzweißseiten Comics und Zeichnungen sechs verschiedener, eingangs kurz vorgestellter Zeichner, die in ihrem Funny-Stil inhaltlich irgendwo zwischen typischem Sponti-Humor und zeitgemäßer punkiger Aggressivität angesiedelt sind – und zwar in einer Direktheit und Radikalität, wie man es heute kaum noch kennt.

Den Anfang macht Brösel, dessen „Werner“ hier nur am Rande auftaucht. Seitenfüllende Einzelzeichnungen treffen auf klassischere mehrpanelige Seiten und changieren zwischen herzlichem Blödsinn und autoritätskritischer Anarcho-Komödie. Tomas M. Bunk wiederum hat dem Band u.a. eine längere, im detailreichen Crumb’schen Schraffurstil gezeichnete Geschichte seines Helden „Karsten Dose – der lachende Miesmacher“ spendiert, die Ausdruck punkiger Endzeit-und-Spaß-dabei-Stimmung ist. Auf eine Einzelzeichnung folgt eine weitere Story, diesmal um „Super-Aujust“, die in der Berliner Hausbesetzerszene spielt – mit massig Zeitkolorit und inklusive einer Seyfried-Hommage (erste Seite rechts unten). Die Bullen greifen ein instandbesetztes Haus an, aber Super-Aujust greift ein und sorgt wieder für Recht und Ordnung – revolutionär, aber anscheinend nur ein schöner Traum. Ein paar Einzelzeichnungen/-Gags (von denen ich den ersten ehrlich gesagt nicht verstanden habe) runden Bunks Anteil am Buch ab.

Harm Bengens Werke bilden mit ihrem weitaus grobschlächtigeren Zeichenstil einen Kontrast, zumal er sehr großzügig mit dem Platz umgeht: Seine inhaltlich in ähnliche Kerben wie seine Kollegen schlagenden Gags beanspruchen meist eine ganze Seite. Rolf Boyke steuert mit „Die Nacht, als der Horror kam“ eine einzelne zusammenhängende Geschichte bei, die im Spontimilieu spielt. Kurioserweise endet auch sie damit, dass sie zu einem Traum erklärt wird. Auch Philips kurze Story spielt in der Besetzerszene, diesmal jedoch aus Sicht ein Bullenspitzels und Agent Provocateurs. Auf ein Intermezzo mit Einzelgags aller Zeichner folgt noch Kai Czucham, der ähnlich wie Brösel sowohl in seitenfüllenden Einzelzeichnungen als auch in Panelform u.a. Autoritäten aufs Korn nimmt. Das Buch schließt mit Werbung für den ersten „Werner“-Band.

„Semmels Satire Sammelsurium” ist nicht nur als frühes Lebenszeichen des herzigen Semmel-Verlachs historisch überaus wertvoll, sondern auch als Zeitdokument einer frechen, aufbegehrenden Underground-Comicszene Deutschlands, die ihre mehr als nachvollziehbare bullen- und kapitalismusfeindliche Haltung in bewegten Zeiten mit reichlich Humor zu Papier brachte und dabei offenbar ohne jegliche Schere im Kopf oder falsche Rücksichtnahme agierte. Für Comic-Archäolog(inn)en, Seyfried-Jünger(innen), U-Comix-Fans und Konsorten!

23.03.2024, Zenit, Stendal: KULTURROTZE + PEST HOLE + DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS

Endlich mal wieder ‘ne Auswärtsfahrt – eine aufgrund der freundschaftlichen Bindungen zwischen der Hamburger Lobusch und dem Stendaler Zenit eigentlich überfällige. Am Samstag war’s endlich so weit, und da wir nur das Nötigste an Equipment mitzuschleppen brauchten, konnten wir bequem mit Regionalbahnen hin und auch wieder zurück. Zumindest fast, aber dazu später mehr. Da wir alle so’n Schland-Ticket haben, fielen nicht mal Spesen an. Dass wir so blöd waren, statt in Schwerin schon in Schwerin-Süd umzusteigen, brachte den Zeitplan glücklicherweise nicht durcheinander, denn unser Anschlusszug hielt auch dort. Auf der letzten Teilstrecke mit einer ungewöhnlich komfortablen S-Bahn sahen wir ganz ohne bewusstseinserweiternde Substanzen einen fetten Regenbogen, bevor wir pünktlich (wenn Könige reisen, oder wat?) am Stendaler Bahnhof eintrafen und stante pede abgeholt und zum Zenit chauffiert wurden. Bei diesem handelt es sich um ein ehemaliges Tanzlokal in sehr angenehmer Größe, das nun von der örtlichen Punkszene verwaltet wird. Die Zeit scheint dort stehengeblieben zu sein: Die 0,33-l-Pulle Bier kostet ‘nen lumpigen Euro, das große Ur-Krostritzer einsfuffzsch. Es gibt ‘ne Bar, ‘ne Küche, wo uns ein schmackhaftes Chili zubereitet wurde, ‘nen großen Billardtisch, Kicker etc., ‘nen Vorraum für Merchstände, einen Proberaum und ‘nen mit Matratzen ausgestatteten Schlafsaal für die Bands. Ich kam mir vor wie im sozialistischen Ausland.

Wir waren nur zu dritt gereist, da unser Basser Holler tags zuvor in Wismar mit seiner anderen Band, den THRASHING PUMPGUNS, gelärmt hatte und direkt von dort mit seinem persönlichen Fahrer anreiste – leider etwas lädiert und ohne Brille. War anscheinend hoch hergegangen, was seinen Tribut forderte. Ziemlich flott konnten wir das Schlagzeug aufbauen, uns auf der Bühne einrichten und soundchecken, während nach und nach die anderen beiden Bands eintrudelten. Probleme machten die Monitore, die partout nicht funktionieren wollten, bis Eisenkarl die Verkabelung zusammen mit dem Soundmann inspizierte und die Ursache fand. Da wir nun ohnehin schon unsere Plünnen und unseren Sound auf der Bühne hatten, bot es sich an, den musikalischen Teil des Abends auch zu eröffnen, was wir gegen 21:15 Uhr in einer zwar nicht rappelvollen, aber für ein sachsen-anhaltinisches Städtchen wie Stendal beachtlich gefüllten Bude taten. Die Stimmung war gut, während wir unsere 16 Nummern durchpeitschten, und ein paar Leute brachten wir zum Tanzen. Bei unserem jüngeren Material holperte es hier und da noch ein wenig, dafür gab’s mit „Another Hero Undead“ eine Live-Premiere. Unser PROJEKT-PULVERTOASTMANN-Cover zockten wir als Zugabe. Anschließend konnten wir das Gefühl genießen, die „Arbeit“ erledigt zu haben und trinkenderweise die anderen Bands zu begaffen.

PEST HOLE aus (passenderweise) Finsterwalde spielen todesmetallischen Crust-Punk und zockten tags zuvor bereits mit den PUMPGUNS in Wismar. Ob sie Hollers Brille auf dem Gewissen haben, ist nicht überliefert, auszuschließen ist es aber nicht, denn der Sound des Trios mit gutturalen, halligen Aggro-Vokills kracht splitternd auf die Zwölf und erfreute insbesondere jenen Teil des Publikums, der auf die grobe, tiefgestimmte Kelle steilgeht. In No-Bullshit-Manier zog man konsequent durch und war schon fertig, als ich mich aus der Merch-Ecke losgeeist und gerade auf sie eingegroovt hatte. ‘ne Zugabe gab’s leider nicht, ging ansonsten aber absolut klar!

Selbstbeschreibung KULTURROTZE, aus dem Netz geklaubt: „Wir spielen dreckigen, ehrlichen Kellerpunk, keine überproduzierte, geleckte Musikstudenten-Heulsusen-Plasticpunk-Scheisse. Wir sehen uns in Tradition alter 80/90er Deutschpunkbands vor allem jedoch in Zonenpunk!“ Dat kann man auch gut so stehenlassen, denn was die drei Bitterfelder und die Bitterfelderin da aufs Tapet brachten, war die gute alte, wütende HC-/Rotzpunk-Schule mit direkten, offensiven Texten und bewusst einfach gehaltenem Sound, der live fast genauso gut sägte wie ich später auf der Matratze. Lief ebenso gut rein wie das Ur-Krostritzer und besiegelte mit der Zugabe, dem VORKRIEGSJUGEND-Cover „Vaterland“, einen geilen Konzertabend.

Ein Großteil der Anwesenden blieb noch länger vor Ort, kaufte fleißig Merch, man konnte sabbeln, feiern und wir uns irgendwann gehackt legen, um in Form eines Schnarchkonzerts ein paar späte Zugaben zu kredenzen und den armen Kai Motherfucker damit um den Schlaf zu bringen… Danke ans Zenit für die herzliche Gastfreundschaft, Essen, Freibier, Pennplätze, das Brötchen-Kaffee-Vita-Cola Frühstück am nächsten Morgen und die unverhoffte Einlage in die Bandkasse, mit der wir gar nicht gerechnet hatten! Zur Mittagsstunde fuhr man uns wieder zum Bahnhof, von wo aus wir diesmal nicht um den Ersatzverkehr mit dem Bus nach Uelzen herumkamen, der quer durch die niedersächsische Tristesse tuckerte… Trotzdem kamen wir auch pünktlich zu Hause an, nix zu meckern also!

Bill Watterson – Calvin und Hobbes: Was sabbert da unterm Bett?

Als ich den Band „Irre Viecher aus dem All“ seinerzeit in die Hände bekommen hatte, schrieb ich hier: „Von 2005 bis 2008 veröffentlichte der Hamburger Carlsen-Verlag ausgewählte Comic-Strips der „Calvin und Hobbes“-Funny-Reihe des US-Amerikaners Bill Watterson in einer achtbändigen Softcover-Albenreihe im Querformat, jeweils 130 Schwarzweiß-Seiten umfassend.“ Mittlerweile weiß ich, dass das nicht ganz korrekt war: Die Reihe ist nicht acht-, sondern elfbändig, wobei die Bände 1 bis 7 im beinahe quadratischen Albumformat erschienen, die Bände 8 bis 11 hingegen im dann jeweils 180 bzw., im Falle des letzten Bands, 170 Seiten umfassenden Querformat.

Nun nahm ich den zweiten Band der Reihe, „Was sabbert da unterm Bett?“, zur Hand, der ursprünglich im Jahre 1988 überm Teich erschien. Diese deutsche Bearbeitung stammt aus 2005 und enthält wie gewohnt die meist aus vier Panels bestehenden Strips, die ursprünglich in einer Vielzahl Tageszeitungen erschienen sind, sowie die Sonntags-Onepager. Vorangestellt wurde ein Vorwort des politischen Karikaturisten Pat Oliphant.

Die Abenteuer des behütet aufwachsenden, aufgeweckten sechsjährigen Jungen Calvin spielen sich zumeist in seiner Fantasie ab, in der auch sein Stofftiger Hobbes zum Leben erwacht und die Rolle eines Spielkameraden oder großen Bruders einnimmt. Übertreibt es Calvin mit seinen Flausen, gerät Hobbes zum Skeptiker und Kritiker Calvins. Was ich in meiner „Irre Viecher aus dem All“-Kritik schrieb, trifft auch auf „Was sabbert da unterm Bett?“ zu: Calvins kindlich-naive Sicht auf die Welt der Erwachsenen ist ebenso komisch wie herzerwärmend und frech zugleich. Zugleich erzeugt die kindliche Perspektive einige karikierende, aber nie böse oder allzu spöttische Seitenhiebe auf die Realität, wie wir sie als Erwachsene kennen. Da würde man es mitunter am liebsten Calvin gleichtun und in die Rolle eines Raumfahrers schlüpfen, der tief im All nach intelligentem Leben sucht…

Wattersons humor- und liebevolle Abbildung kindlicher und kindischer Verhaltensmuster inklusive ihrer ausufernden Fantastereien sind ein sehr sympathisches, klassisches Comicvergnügen.

16.03.2024, Bahnhof Pauli, Hamburg: STOMPER 98 + EMSCHERKURVE 77

Mein viertes Konzert dieses Jahr, davon das dritte, das ausverkauft war – aber auch das dritte, für das ich trotzdem noch ‘ne Karte bekam. Und glücklicherweise nicht nur ich, sondern auch meine Liebste, sodass wir zusammen den Reeperbahn-Club Bahnhof Pauli aufsuchen konnten, der eigentlich nicht dafür bekannt ist, Bands der Punk-/Oi!/HC-Szene zu beherbergen. Vorab: Um STOMPER gab’s in der Vergangenheit einige Kontroversen, die beigelegt zu sein scheinen. Anderenfalls würden Bands wie die BROILERS oder EMSCHERKURVE 77 wohl auch nichts mit den Göttingern machen und würde M.A.D. Tourbooking nicht die Gigs organisieren, Bandkopf Sebi nicht fürs Ox schreiben usw. An mein letztes STOMPER-Konzert kann ich mich nicht mehr erinnern, so lange ist es her – das dürfte in der ersten Hälfte der 2000er gewesen sein…? Aufgemerkt hatte ich erst wieder beim für mich überraschend klugen „Agenda der Angst“ vom 2018er-Album, und die aktuelle Platte der mittlerweile zumindest für Studioaktivitäten um Lars Frederiksen von RANCID verstärkten Band hat neben Pathos und deutlichen Frankfurter Einflüssen doch so einiges zu bieten. Dass auch Freunde das Konzert besuchen würden und ich neugierig wurde, wie so’n STOMPER-Gig heutzutage wohl aussieht und klingt, gab letztlich ziemlich spontan den Ausschlag, noch irgendwo Karten abzugreifen und mal vorbeizuschauen. Im Zweifelsfall (also wenn’s ätzend wird), verbuche ich’s unter Feldstudie.

Als wir uns in den im Stile einer U-Bahnstation eigentlich recht schick gestalteten Laden zwängten und uns an die unglücklich mit den WC-Gängern kollidierende Schlange des mit nur einer Person unterbesetzten Getränkestand anstellten, um überteuertes Bier zu erwerben (Astra und Holsten Edel 0,3 l für 3,80 EUR?! Carlsberg 0,3 l 4,- EUR?! Ernsthaft??), spielte die EMSCHERKURVE schon. Am Rande des Saals klang der Gitarrensound reichlich dünn, also mehr mittig reingedrängelt, wo’s besser wurde – vermutlich wurde auch noch mal nachgeregelt. Die Band aus dem Ruhrpott verstand sich ganz als Anheizer und zockte viele Coverversionen, darunter „Wochenendhelden“ (eingedeutschtes „Saturdays Heroes“ von THE BUSINESS), den SLIME-Klassiker „Religion“, „Alte dreckige Stadt“ (das Traditional „Dirty Old Town“) und „Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist“ vonne befreundeten KASSIERER, aber auch ‘nen eigenen Ohrwurm-Singalong wie „Wir haben den Punk verstanden“, jeweils mit mehrstimmigen Gesängen. Die Stimmung war gerade am bisherigen Siedepunkt angelangt, als EK77 ziemlich abrupt ihren Auftritt beendeten und trotz lautstarker Zugabe-Rufe nicht mehr wiederkamen. Nach dem Konzert sprach ich Sänger Spiller darauf an und er bestätigte, was ich mir schon gedacht hatte: Der Zeitplan war zu eng, weil im Anschluss noch irgend’ne Disco oder so was hatte stattfinden sollen. Boah ey, wie ich so was liebe…

Zum Rauchen ging’s vor die Tür, das Bier musste dafür aus den Glasflaschen in Plastikbecher umgefüllt werden – und zwar schon deutlich vor 22:00 Uhr, obwohl die Verordnung erst ab dann gilt. Drinnen entdeckten wir dann einen wesentlich größeren Ausschankbereich am anderen Ende des Saals, wodurch es sich auch verschmerzen ließ, dass der andere, kleinere, plötzlich dichtmachte. Allerdings war irgendwann das Carlsberg alle. Man hat’s nicht leicht! Davon sangen dann auch STOMPER 98 ein Lied: „Niemand hat gesagt, dass es leicht wird“ klang so viel fetter als auf Platte und wurde wie fast jeder Song von etlichen Anwesenden lauthals mitgesungen, was für eine beeindruckende Klangkulisse sorgte. Sänger Sebi stand am vordersten Bühnenrand und dirigierte mühelos das Publikum, wobei er sich die Bühne mit fünf Bandkollegen teilte: Neben der Rhythmussektion spielt STOMPER mit zwei Gitarristen und einem Saxofonisten, der die eingängigen Melodien mal vorgibt und mal unterstützt oder auch zwischendrin soliert. Man hatte sich ‘ne offenbar zünftige Best-Of-Setlist zusammengeklöppelt, von der ich dann irgendwie doch erstaunlich viel kannte (live ein ziemlicher Hammer: „Antisocial“), ergänzt um Material vom neuen Album, auf das man selbstbewusst immer wieder den Fokus lenkte und bei dem das Publikum genauso textsicher war. Empowernde Oi!-Punk-Hymnen zum Fäusterecken zwischen pathetisch und arschtretend, die manch Klischee nicht nur streifen, sondern anscheinend gezielt bedienen (z.B. „Boots, Bier und Bomberjacken“ – inkl. von den LOKALMATADOREN entlehntem „Bababa“-Intro), damit in jedem Falle Geschmackssache sind, aber den Nerv sowohl der Pogofraktion als auch der Mitbrüllenden dahinter trafen. Im Set fanden sich ferner neue Perlen wie „Wir halten die Fahnen weiter hoch“ über zu früh von einem gegangene Freunde oder das fast schon hardcore-punkige, polit- und gesellschaftskritische „Deutschland im Chaos“, vor dem Sebi in seiner Ansage mit der Legende aufräumte, Oi!-Musik sei komplett unpolitisch, und der verfickten AfD eine unmissverständliche Absage erteilte. Ein Typ im Publikum schwenkte dazu eine „Kein Bock auf Nazis“-Fahne. Damit sollte klar sein, welche Haltung STOMPER 98 in der aktuellen Situation des gesellschaftlichen Rechtsrucks und der mit den Hufen scharrenden Faschisten einnimmt. Gegen Ende wurde das leicht umgedichtete Sesamstraßenlied „Alle haben Bier gern“ vom ersten Album entmottet, obwohl Sebi meines Wissens längst alkoholfrei lebt. Aber gibt ja auch Jever Fun und Konsorten!

Apropos Bier: Je später der Abend, desto mehr glich der Konzertsaal einem Scherbenmeer, da der Bahnhof Pauli kein Pfandsystem hatte und es kaum Möglichkeiten gab, seine leeren Pullen irgendwo abzustellen. Aber das nur am Rande. Leider endete der starke Gig, ohne dass mein Lieblingslied vom aktuellen Album, „Achtundneunzig Nächte“, gespielt worden wäre. Damit, dass dieser Kracher unbedingt in Liveset gehört, lag ich Gitarrist Tommi anschließend noch in den Ohren, bevor’s auf ein bis drölf Absacker ins St. Pauli Eck ging. War ein schönes Konzert, das aber eigentlich in eine Szene-Location wie das Monkeys gehört hätte! Vielleicht ja nächstes Mal?

08.03.2024, Hamburg, Monkeys Music Club: LOIKAEMIE + HARBOUR REBELS

Nachdem ich während der Pandemie die Plauener ‘90er-Jahre-Oi!-Punk-Veteranen LOIKAEMIE auf einem Reunion-Open-Air gesehen hatte (bereits damals zusammen mit den HARBOUR REBELS), war mir klar, dass die’s noch draufhaueben. Hinsichtlich eines neuen Albums war ich aber eher skeptisch, da ich mit der selbstbetitelten Platte aus dem Jahre 2007 nicht mehr allzu viel hatte anfangen können. Umso positiver überrascht war ich vom neuen Langdreher „Menschen“, der jetzt betourt wird. Das für Samstag, den 9. März anberaumte Konzert im Monkeys war ratzfatz ausverkauft, und ich war etwas perplex, als ich realisierte, dass es dem Zusatzgig, der auf den Freitag gelegt wurde, ähnlich erging. Per Kommentarspalte auf Facebook gelang es mir am Freitagabend aber glücklicherweise noch, kurzfristig eines der schicken Hardtickets zum Normalpreis zu ergattern.

Als einer von 350 zahlenden Gästen stellte ich mich brav an eine Einlassschlange, die man in diesem Ausmaß nun auch nicht alle Tage am Monkeys zu sehen bekommt. Als ich endlich meinen Stempel hatte, blieb aber noch Zeit für ein erstes Bierchen am Außentresen, den man für dieses Wochenende aufgebaut hatte und an dem man bereits mit subkultureller Musik beschallt wurde. Der lokale Opener HARBOUR REBELS hatte freundlicherweise gewartet, bis auch wirklich alle drin waren, um anschließend in Quartettgröße abzuliefern. Es war das erste Mal, dass ich sie seit dem Wegfall des in Punkrockrente gegangenen zweiten Gitarristen Benny zu viert sah – und muss der Band zugestehen, das ziemlich gut kompensiert zu haben. Soundlöcher o.ä. waren jedenfalls Fehlanzeige. Überhaupt war der Sound angenehm klar, sodass man Sängerin Jules deutsch- und englischsprachige Texte sehr gut verstehen konnte. Wie gewohnt sang sie sich ebenso kraftvoll wie melodisch durch die hier und da mit Offbeats abgeschmeckten Oi!-Punk-Singalongs mit Ohrwurmcharakter, und meine Favoriten „Raus aus dem Dreck“, „Die Masken sind gefallen“ und natürlich „Trunkenbold“ waren alle dabei. Sogar ‘ne Orgel kam zwischendurch zum Einsatz. Die Bude war voll und die Band wurde gebührend gefeiert. Klasse!

Bei LOIKAEMIE ging’s dann von der ersten Sekunde an richtig rund. Ich glaube, „Wenn wir alle so wären“ von der neuen Platte war die erste Nummer. Nach vorn fliegende Menschen landeten immer wieder in Basser Pauls Mikroständer, der auf die Bühne krachte. Leadgitarrist Edgar riss schon während des ersten Songs eine Saite, aber improvisierend spielte er weiter, um die gerade so schön hochgekochte Stimmung nicht abflauen zu lassen. Die altbekannten Klassiker mischte man mit den vielen Hits der aktuellen Langrille, die tatsächlich beinahe durch die Bank weg genauso gut anzukommen schienen wie die ollen Kamellen – was für die Beliebtheit des Albums spricht. „Nicht die Falschen hassen“, „Meins und nicht deins“, „Lasst uns rein“ usw. sind verdammt gute, reife und zeitgemäße Songs, die dem aktuellen Oi!-Punk zu wiedergewonnener Relevanz verhelfen. Ein wenig obskurer wurd’s mit „Uns’re Szene“ von der Split-EP mit SMEGMA, und mit am geilsten kamen die Hits vom dritten Album „III“ wie „Alles was er will“, „Rock ’n‘ Roller Johnny“, „Wir sind geil, wir sind schön…“, „Good Night White Pride“ und natürlich „Uns’re Freunde“. Letzterer wurde gegen Ende gezockt, als ich dann doch mal im Pub-Bereich eine dampfen gehen musste. Richtig feierlich wurd’s natürlich bei „Trinkfestigkeit“. Die Band hatte Sternburg-Export-Luftmatratzen aufgeblasen und warf sie nun ins Publikum, wo sie zum Crowdsurfen verwendet wurden. Ich habe nicht auf die Uhr geguckt, aber LOIKAEMIE schienen mir ziemlich lange zu zocken – und hielten dabei durchgehend die Stimmung weit oben.

Nachdem der letzte Akkord verklungen war, wollte ich mir endlich das neue Album mitnehmen, geriet dabei aber an die härteste Merchsau überhaupt: 22,- EUR fürs normale Vinyl, wovon er sich auch nicht runterhandeln ließ, und noch nicht mal mein Bier durfte ich abstellen, während ich meine letzten Kreuzer zusammenkratzte. Puh… Ich weiß, dass alles teurer geworden ist, gerade auch ein Luxusgut wie ‘ne Schallplatte, aber es hilft nix: Der Vinylpreisdeckel muss her! Bei 20 Öcken muss Schluss sein! Ampelregierung, mach dich mal nützlich! Naja, ein, zwei Absacker gönnte ich mir anschließend doch noch und sabbelte Unfug mit Freunden, bevor’s nach Hause ging. War mal wieder ‘ne richtig fette Party – danke an alle, die sie ermöglicht und dazu beigetragen haben!

02.03.2024, Lobusch, Hamburg: BOCKWURSCHTBUDE + NÖÖS + SOKO METTIGEL

Zwischen Mett und Wurscht

BOCKWURSCHTBUDE live in Hamburg, zusammen mit zwei lokalen Bands, an ‘nem Samstagabend inner Lobusch? Geil! Da lässt es sich doch prima in den Geburtstag der besseren Hälfte reinfeiern, zusammen mit unserem Berliner Besuch.

In der amtlich gefüllten Lobusch machte das Trio SOKO METTIGEL den Anfang, eine von zwei jungen Hamburger Bands an diesem Abend. Vor zwei Jahren ist das Debütalbum „Dienst nach Vorschrift“ mit deutschsprachigem Punkrock, der auch inhaltlich gen Hardcore-Punk tendiert, erschienen. Von den Inhalten kam live nun nicht so viel rüber, denn weder der Bassist noch der Gitarrist waren an ihren Mikros gut zu verstehen, obwohl es sich um gar nicht allzu kehliges oder gutturales Shouting handelte. Umso deutlicher zu vernehmen war das Schlagzeug, das selbst mir dann doch zu viel Uffta-Uffta fabrizierte. Besser gefiel mir die SOKO, wenn sie etwas den Fuß vom Gas nahm und der Drummer ‘nen normalen Beat dazu spielte. So oder so sehr rustikaler, angepisster, aber noch ausbaufähiger Punk, der auf den Studioaufnahmen besser klingt als live an diesem Abend. Das Publikum störte das aber wenig, vor der Bühne war einige Bewegung.

Noch jünger sind NÖÖS, die derzeit an jeder Steckdose spielen und auch gern kurzfristig einspringen, so auch hier für die ursprünglich eingeplanten, aber leider krankheitsbedingt verhinderten WHAT. NÖÖS sind hungrig und haben anscheinend immer Zeit und Bock, ihren Sound zwischen melodischem Hardcore- und Streetpunk mit englischen Texten unters Volk zu bringen. Trotzdem sah ich sie an diesem Abend erst zum zweiten Mal. Gegenüber dem Gig im Monkeys ist das Set um ein paar Songs gewachsen. Der Sänger macht immer noch gleichzeitig den Animateur, was manchmal etwas drüber wirkt, auf alberne Sperenzien wie eine Wall-of-death-Aufforderung verzichtete er diesmal aber dankenswerterweise. Mit kräftiger Stimme sang und shoutete er sich bei nun hörbar besserem Sound durch die Songs, darunter der kleine Hit „Baptized in Blood“, zu dem NÖÖS ein überraschend professionelles Video gedreht haben, und das LOIKAEMIE-Cover „Good Night, White Pride“. Letzteres wurde zusammen mit „Attack Attack“ (oder so, kein TROOPERS-Cover) einfach noch mal hinten drangehängt, diesmal dann auch mit allen Drumbreaks fehlerfrei durchgeholzt. Überzeugender Gig, der von den Anwesenden entsprechend goutiert wurde.

BOCKWURSCHTBUDE aus Frankfurt anner Oder hatte ich noch nie livegesehen, und auch wenn ich ein älteres Album im Schrank habe, rangierten die mit ihrer eher simpel gezockten Mischung aus Deutsch-, Fun- und Oi!-Punk bei mir – im Gegensatz zu einer aus Lübeck angereisten Fanclub-Clique – eher unter ferner liefen. Dies änderte sich mit dem aktuellen Langdreher „Sippenhaft“ und mit dem Einstieg des CHAOS-Z/FLIEHENDE-STÜRME-Düsterpunk-Urgesteins Andreas Löhr. Das Ding ist ‘ne Hammerscheibe mit, passend zum Zeitgeschehen, vornehmlich ernsten Inhalten geworden, intoniert mit gleich zwei versiert aufspielenden Klampfen und dargereicht von Mikro Mostrichs giftigem Gesang. Eröffnet wurde das Liveset mit dem Klassiker „5 Minuten“, meinem Favoriten unter den alten Songs. Weitere alte Hits waren der Anti-Hamburger-Schule-Song und die von den vor der Bühne Alarm machenden Fans herbeigesehnte und inbrünstig mitgesungene Schwarzfahrhymne „Blackriding Underground“. Am stärksten aber waren die zahlreichen aktuellen Songs von der „Sippenhaft“, von denen ich keinen speziell hervorheben will. Andreas zockte ‘nen fetten Bass dazu und beteiligte sich an den Backgrounds, bevor er für die letzte Zugabe Position und Instrument mit Mostrich tauschte und den CHAOS-Z-Klassiker „Duell der Letzten“ zum Besten gab. Das war dann der gänsehautverursachende Schlusspunkt eines fantastischen Gigs einer unheimlich gut gereiften Band. Knaller! Und dann hatte die Liebste auch schon Geburtstag.

P.S.: Beim Verfassen dieser Zeilen wurden zwei (vegetarische) Bockwürschte verzehrt. Mit Senf!

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