So ein Montag ist oft schon hart genug. Wenn man dann noch erfährt, dass es einen Kumpel dahingerafft hat, wird er noch beschissener. Ex-DMF-Basser Stef war am Wochenende plötzlich und unerwartet einem Herzinfarkt in seiner französischen Heimat zum Opfer gefallen. Spontan beschlossen wir vier verbliebenen Motherfucker daher, das Gaußplatz-Konzert seiner französisch-hamburgischen Freunde von ANTI-CLOCKWISE zusammen mit den Landsmännern von YALLAH aufzusuchen. Die meisten dort wussten längst Bescheid, andere noch nicht. Einige fanden tröstende Worte oder Gesten und unsere Stimmung puschten wir mit Bier. Wir hatten die Idee, noch vor YALLAHs Gig ein, zwei DMF-Songs, die Stef mit in die Band gebracht hatte, zu zocken. ANTI-CLOCKWISE-Fred vermittelte, dass wir das kurzerhand über YALLAHs Equipment tun konnten und so spielten wir nach einer kurzen Ansage zum Wie und Warum „Les Rebelles“ von BERURIER NOIR. Mehr als den Refrain am Schluss bekam ich aber nicht heraus, denn das Ding hatte Stef früher immer gesungen und ich kann kein Französisch, auch keiner der anwesenden Franzosen war textsicher genug. So steht man als Sänger schön blöd da. Anders dann bei „Cop Killing Day“, das Stef von seiner vorherigen Band SCHÖNES GLATTES FELL mitgebracht hatte, von der nur eine Woche zuvor bereits jemand das Zeitliche gesegnet hatte. Hat dann auch wirklich noch mal Spaß gemacht und war wahrscheinlich das Beste, das wir an diesem Abend tun konnten. Während unseres Auftritts ging dann wohl eine SMS ein, dass nun auch die letzten lebenserhaltenen Maßnahmen abgeschaltet worden seien. Bon voyage, Stef…
YALLAH traten dann in Trio-Formation mit, wenn ich mich nicht verzählt habe, 17 HC-Punks-Songs in Landessprache an, die mal vom Gitarristen, mal vom Bassisten gesungen wurden und ihren eigenen Stil mit Wiedererkennungseffekt hatten. Zeitweise ging das fast in Richtung Streetpunk, nur eben doppelt so schnell gespielt. Griffige Refrains ließen uns das eine oder andere Mal die Fäuste recken und auf Fantasie-Französisch mitgrölen. Den schwer schuftenden Drummer tauften wir Hans Guck-in-die-Luft, denn sein trotz allem irgendwie teilnahmslos bis verwundert wirkendes Gesicht reckte er i.d.R. gen Raumdecke oder sonst wohin, während der Ärmste zwischen seinem Mikro und der Mauer hinter ihm schrecklich eingeklemmt wirkte – was an seinem rasanten Power-Drumming indes nichts änderte. Drummer beobachten kommt sowieso meistens gut. Spitzen-Liveband jedenfalls, die von der gerade für einen Montag echt gut besuchten Platzkneipe zu Recht bejubelt wurde. Also LP eingesackt und das ANTI-CLOCKWISE-Album, das ich aus unerfindlichen immer noch nicht hatte, auch gleich mitgenommen.
- Yallah
Der totale Abriss folgte dann mit ANTI-CLOCKWISE. Ich verabschiedete mich von Kalle und Tentakel und blieb vor Ort, denn meine Vorsätze, nicht allzu lange zu bleiben, hatte ich längst mit Jever heruntergespült. Die international besetzte Band scheint mir live immer härter zu werden und diesmal war auch Freds asoziales Reibeisenorgan schön in den Vordergrund gemischt worden, so dass die HC-Punk-Songs ihr volles Aggressionspotential entfalteten. Nun wurde auch getanzt, mit Bier gespritzt, englische Textpassagen mitgebrüllt (gern auch direkt in die Bandmikros) und die Sau rausgelassen. Freds Frage nach der besten Punkband beantwortete ich wahrheitsgemäß mit THE CLASH, was die Band jedoch mit dem MOTÖRHEAD-Cover „Iron Fist“ erwiderte. Auch nichts gegen einzuwenden. Drei Zugaben wurden ANTI-CLOCKWISE abverlangt und eine davon dürfte THE ADICTS‘ „Viva la Revolution“ gewesen sein, wofür Freds Mikro dann auch direkt im Publikum rumging.
- Anti-Clockwise
Aufs Trübsal scheißen und einen Abend feiern, wie er Stef gefallen hätte, das war die Devise. Mit der letzten Bahn trottete ich schließlich nach Hause und ließ schön meine Platten in ihr liegen – wie gewonnen, so zerronnen. Die Gewissheit, dass Stef tot ist und weder in Frankreich noch in Hamburg noch einmal glücklich werden wird, realisierte ich erst langsam nach und nach so richtig. Die nächsten Tage waren hart und bestimmt von Gedanken an die gemeinsame Zeit. Schon heute ist seine Beerdigung in Frankreich und niemand von uns hat es derart kurzfristig geschafft, ihr beizuwohnen. Dennoch wird jeder von uns auf seine Weise von Stef Abschied nehmen oder hat es bereits getan und ein Teil davon war ganz sicher dieser Abend, der sich stärker noch als andere Konzerte im Langzeitgedächtnis festsetzen wird. Zudem war dies der Abend, an dem wir es uns gegenseitig mit Handschlag schworen, es noch ein paar Jahre zu machen. Der Gaußplatz-Schwur – wer ihn bricht, ist des Todes! Danke an ANTI-CLOCKWISE, YALLAH und die Gaußbande für die Unterstützung sowie an Katharina, die unseren kleinen Tribut per Video festhielt:













Punk-Karaoke, die Dritte: Diesmal hatte das Dresdner Trio Halt im Gängeviertel gemacht und die überaus gut frequentierte Fabrik zum Kochen gebracht. Das kann man fast wörtlich nehmen, denn die Temperaturen bewegten sich gen Siedepunkt und die Band mit ihrem von einer Pause unterbrochenen ca. vierstündigen Set schien irgendwann nur noch aus Schweiß und Instrumenten zu bestehen. Der mitgereiste Texteherausgeber machte mit SLIMEs „Deutschland“ den Anfang und diesmal gab’s auch keinerlei Berührungsängste seitens der Gäste; Schlag auf Schlag folgte eine Top-Performance auf die nächste, wofür man stets mit einem Pfeffi belohnt wurde. Meinst einzeln, bisweilen aber auch zu zweit oder zu mehreren gab’s ein buntes Potpourri quer durch die Stilrichtungen, von MOTÖRHEADs „Ace of Spades“ über WIZOs „Quadrat im Kreis“, „Fight for your Right (to Party)“ vonne BEASTIE BOYS und LOIKAEMIEs „Good Night White Pride“ bis hin zu „Anarchy in the U.K.“ von den SEX PISTOLS, THE CLASHs „Should I Stay or Should I Go“ und AUFBRUCHs „Abend in der Stadt“ – und vielem mehr. Der ehemalige ARRESTED-DENIAL-Basser gab „Basket Case“ zum Besten (woraufhin man den Shouter einer lokalen Hatepunk-Combo beobachten konnte, wie er jenen Pop-Punk-Klassiker angetrunken inbrünstig abfeierte…), irgendwer bog mit ‘nem Song um die Ecke, den anscheinend keine Sau kannte (war das evtl. „Lederhosentyp“ von HANS-A-PLAST?), TURBONEGROs „All My Friends Are Dead“ brachte die Bude ebenso zum Wackeln wie das unvermeidliche „Gotta Go“ der AGNOSTIC FRONT, EAT-THE-BITCH-Jona adaptierte einen THE-DISTILLERS-Song und gegen Ende lagen sich alle bei der PENNYWISE’schen „Bro Hymn“ in den Armen. Ich ließ mich auch nicht lumpen und rotzte SLIMEs „Alptraum“ raus, nach der Pause musste KNOCHENFABRIKs „Filmriss“ dran glauben (dafür dann doch aufs Textblatt schielen zu müssen, ist mir natürlich äußerst unangenehm).




















































































Mein erstes Konzert des jungen Jahres führte mich in die Lobusch, in der die TRASHKIDS aus Eschwege RAUFASA vertraten, die verletzungsbedingt absagen mussten. Es dauerte ‘ne ganze Weile, bis es losging und einem die nicht mehr ganz so jungen Kids Melodic-Punk grob Richtung US-Westküste boten, der gut ins Ohr ging. Die Songs waren abwechslungsreich genug, um keinesfalls in die „MelodiCore“-Falle o.ä. zu tappen und irgendwann nur noch hookbefreit vorbeizurauschen. Auch an den Instrumenten zeigte man sich recht versiert; man kam zudem schnell auf den Punkt und blieb unprätentiös, ohne auf den einen oder anderen Überraschungseffekt, der die Darbietung spannend hielt, zu verzichten. Sicherlich nicht dazu gehörten die Probleme mit ihrem Banner, der irgendwann komplett von dannen segelte und den Blick auf die plakatierte Bühnenmauer wieder frei gab. Unbedingt dazuzuzählen ist jedoch der kurze „Hotel California“-Einwurf mitten in nominell letzten Song „Joe Marry Jane“, auf den jedoch ein weiterer folgte (war das ein Cover?), ganz zu schweigen von der geforderten Zugabe, einer dem Original angemessen ironiefreien Interpretation des MICHAEL-JACKSON-Klassikers „Man in the Mirror“ im Punkrock-Gewand, der anscheinend auch das Selbstverständnis der Band unterstrich, zu dem jedwede Klischeeerfüllung ebenso wenig zählt wie aufgesetztes Image oder überstrapazierte Attitüde. Grob geschätzt die Hälfte des Sets wurde die Band übrigens von einem zweiten Gitarristen begleitet, sodass der Sänger derweil seine Klampfe aus der Hand legen konnte. Die TRASHKIDS zeigten sich sichtlich erfreut über die Gelegenheit, in der rustikalen Lobusch zocken zu können, was für die offenbar bereits seit Anfang der ‘90er existierende Band anscheinend eine willkommene Abwechslung darstellte. Ansonsten gab man sich sehr freundlich und bescheiden und hatte nach eigenem Bekunden die Sorge, dass die „richtigen Punks“ sie verprügeln würden – natürlich unbegründet. Sympathische Band, die live vor allem denjenigen Laune macht, die gut auf melodische Sounds können und die einen stilistisch breitgefächerten Abend einläutete.































Geballte und stilistisch abwechslungsreiche Punk-Power im Gängeviertel, zu der so viele Gäste erschienen, dass man den Einlass irgendwann kurzerhand wegen ausgereizter Kapazitäten dichtmachen musste – das gibt’s auch nicht alle Tage. Die Hamburger RACCOON RIOT betraten gegen 21:30 Uhr die Bühne für ihren erst dritten Gig überhaupt. Mit zwei Klampfen und in englischer Sprache gab’s ‘ne Mischung aus HC- und Streetpunk auf die Löffel, die von superkurzen eruptiven Songs wie dem Opener bis zu längeren, ausarrangierteren Stücken reichten, zwei an der Zahl sogar mit weiblicher Bratschenbegleitung! Mal was anderes. Musikalisch ist natürlich noch Luft nach oben, doch es rumpelte nicht uncharmant. Aus den Gitarren lässt sich aber, gerade wenn gleich zwei zur Verfügung hat, noch einiges mehr herausholen. Der durchgestylte Shouter hat dafür ‘ne ordentliche Bühnenpräsenz und ein angenehmes, raues Organ. Ohne Zugabe ging’s dann auch nicht von der Bühne, es folgte noch einmal der erste der beiden Bratschen-Songs.


























