Günnis Reviews

Kategorie: Bücher (page 21 of 21)

HOLLIS, LEE – STRATEGY FOR VICTORY

(www.ventil-verlag.de) ISBN 978-3-931555-73-3 / 9,90 €

hollis, lee - strategy for victorySPERMBIRDS-/ STEAKKNIFE-Sänger und Exil-Ami Lee Hollis bringt mithilfe des Ventil-Verlages seinen mittlerweile dritten Kurzgeschichten-Band in wirklich sehr leicht verständlichem Englisch unter die Leute. Ich muss gestehen, dass dies (abgesehen von seinen Songtexten, versteht sich) die erste Literatur ist, die ich von ihm zu lesen bekomme, also keinen direkten Vergleich zu den vorausgegangenen Werken ziehen kann. Ich wäre normalerweise auch nicht unbedingt auf die Idee gekommen, mir ein Buch mit englischen Kurzgeschichten zu Gemüte zu führen, da ich i.d.R. Prosa in meiner Muttersprache bevorzuge – wodurch mir aber einiges entgangen wäre. Meiner Tätigkeit für Crazy United sei Dank konnte ich an einer humorvoll geschriebenen Mischung aus Autobiographischem und Fiktivem über Hollis’ „Sweet Home Alabama“ (hehe), Drogenkonsum, seinen Job in der Kaiserslauterer Kneipe „Karate Club“, den Gebrauch von Schusswaffen und einigem mehr teilhaben, der immer etwas Bukowskisches in Hinsicht auf (nicht vorhandene) politische Korrektheit und Fatalismus anhaftet, allerdings ohne dessen Grad an Abgefucktheit zu erreichen (was Hollis vermutlich auch niemand abgenommen hätte). Die Rezeptur ist schon ganz richtig so und macht Spaß. Den Lesefluss beeinflussende Sprachbarrieren gab es keine und der Wortwitz konnte sich voll entfalten. Hollis beherrscht auch dieses Metier sehr gut und nimmt sich selbst ganz gerne auf die Schippe. Wer schon immer mal wissen wollte, wie es eigentlich bei der US-Army war, womit man sich als Barkeeper in K’lautern herumschlagen muss, wie man in non-verbalen Auseinandersetzungen die Oberhand behält und an Details über Hollis’ Familie interessiert ist, dürfte auf den gut 100 Seiten gehoben und kurzweilig unterhalten werden. Kein Buch, in dem uns jemand Punkrock erklären oder Politik betreiben will; einfach abgefahrene Geschichten, die das Leben schrieb, die fast alle zünden und durch ein paar wenige Gedichte bzw. Songtexte ergänzt werden. Günni

FRANK LAUENBURG – SKINHEADS UND DIE GESELLSCHAFTLICHE RECHTE

(Tectum-Verlag)

lauenburg, frank - skinheads und die gesellschaftliche rechte„Nicht NOCH ein Buch über Skinheads, und schon gar nicht im Kontext mit rechter Politik!“, höre ich schon die ersten schreien. In der Tat erschloss sich auch mir der Sinn dieses Buches zunächst nicht wirklich. Wie wäre es stattdessen mal mit „Kleingärtner und die Gesellschaftliche Rechte“? Oder „Kakteenzüchter und die Gesellschaftliche Mitte“ ö. ä.? Aber ok, machen wir uns nichts vor – kaum eine andere Subkultur war so empfänglich für rechte Rattenfänger wie die der Skinheads. Frank Lauenburg kreierte für sein Werk den Begriff der „Gesellschaftlichen Rechten“ als Konsequenz der „Neuen Rechten“ und meint damit sich an die bürgerliche Mitte anbiedernde, rhetorisch wie opportunistisch geschickte Rechte bzw. Rechtsradikale, die mit einem neuen Image als friedliche, soziale, demokratische Opposition auf Stimmenfang gehen und um die Gunst der Bürger buhlen. Inwieweit diese noch Interesse an der Rekrutierung von bzw. Unterstützung durch Skinheads, denen nach wie vor ein zweifelhafter Ruf vorauseilt, interessiert sind, ist Gegenstand Lauenburgs Analyse. Diese liest sich wie eine Diplomarbeit und wurde in drei Kapitel unterteilt: Die Geschichte der Skinheads im Allgemeinen, für die er fleißig aus den bekannten Werken von George Marshall und vor allem Klaus Farin zitiert, also nichts Neues bietet. Kapitel zwei erläutert seine Definition der „Gesellschaftlichen Rechten“ in Abgrenzung zur „Alten Rechten“ und „Neuen Rechten“. Diese liest sich recht differenziert und arbeitet ebenfalls viel mit Zitaten, hier aus rechten Publikationen, geht meines Erachtens aber zu wenig auf die nach wie vor bestehende und durchaus gewollte Verknüpfung der „Gesellschaftlichen Rechten“ mit revanchistischen und sozial-darwinistischen Nazis ein. Außerdem wird hier verstärkt mit Fachbegriffen um sich geworfen, was den Stoff nicht unbedingt jedem zugänglich machen wird. Im letzten Kapitel, das den geringsten Teil des Buches einnimmt, untersucht Lauenburg das Verhältnis der „Gesellschaftlichen Rechten“ zu den Skinheads anhand von Texten neo-nazistischer Bands. Dabei achtet er in erster Linie auf das Selbstbildnis der Bands und inwieweit sie sich und ihre Zielgruppen noch als Skinheads bezeichnen. Außerdem zieht er Parallelen zwischen öffentlich propagiertem Gewaltverzicht der „Gesellschaftlichen Rechten“ und aktuellen Songtexten, die eine ähnliche Tendenz aufweisen. Letzten Endes zieht Lauenburg das Fazit, dass die kreidefressenden „Gesellschaftlichen Rechten“ sich immer mehr von Skinheads und deren schlechtem Ruf als gewalttätige, versoffene Krawallmacher distanzieren, da sie sie für ihre politische Arbeit als kontraproduktiv betrachten. Lauenburg geht sogar so weit, die provokante Perspektive zu formulieren, durch das langsame Verschwinden der typischen Boneheads und den damit einhergehenden Image-Verlust der Skinheads als soziopathische Neo-Nazis würden die echten Skinheads das Interesse an ihrem Kult verlieren, der nach Meinung des Autors vor allem von der Außenwirkung leben würde, für die das Bonehead-bedingte schlechte Image zuträglich sei…
Diese Buchveröffentlichung würde ich als semi-professionell und –wissenschaftlich einordnen. So wird der formale Schreibstil oft unterbrochen und einige Rechtschreib- und Grammatikfehler haben sich eingeschlichen. Positiv hervorheben möchte ich aber die überaus berechtigte Kritik des Autors an Oberpseudointellektuellenstudentenlabernervensäge Martin Büsser. Mein persönliches Fazit: Wirklich subkulturtauglich ist dieses Werk nicht, dafür ist zu vieles bereits aus anderen Veröffentlichungen bekannt. Lediglich oben erwähnte These des Autors könnte für Gesprächsstoff sorgen. Für Außenstehende mag aber die politische Analyse der Verbindung Politik und Subkultur von Interesse sein. Hier habe ich allerdings die Berücksichtigung des Phänomens der „Rechtsoffenheit“ sich selbst als nicht-rassistisch einstufender Skinheads, die mitunter rechtsradikale Tendenzen gar nicht mehr als solche erkennen, vermisst. Dieses ist neben dem Fehlen eines politischen Bewusstseins vieler Subkultur-Protagonisten ebenfalls eine Auswirkung der „Gesellschaftlichen Rechten“ und ihrer Vereinnahmung sozialer Themen und Verwässerung politischer Grenzen und Begrifflichkeiten. Dass die politische Rechte in der bürgerlichen Mitte versucht anzukommen, bedeutet nicht, dass diese gänzlich das Interesse an der Einflussnahme auf Subkulturen verloren hätte. Günni

SUSANNE EL-NAWAB – SKINHEADS, GOTHICS, ROCKABILLIES – GEWALT, TOD & ROCK’N’ROLL

(www.jugendkulturen.de)

el-nawab, susanne - skinheads, gothics, rockabilliesUnd ein weiteres Buch über Subkulturen, ein weiteres Buch über Skinheads… derer Autorin El-Nawab bereits zwei verfasst hat, die ich beide nicht kenne. Über Rocka-/Psychobillies hat sie auch schon was veröffentlicht und ich frage mich ehrlich gesagt, ob es nicht langweilig wird, immer wieder über das gleiche zu schreiben und worin die großen inhaltlichen Unterschiede bestehen sollen…? In jedem Fall kommt dieser ca. 370 Seiten starke Schmöker mit festem Einband und hochwertigem Papier ziemlich edel daher, was sich allerdings auch im Preis von 28,- Talern niederschlägt. Außerdem enthält der Band viele Fotografien, wobei die Skinheads mit z. T. verdammt üblen „Gürtel+Hosenträger“-Fotos etc. am Schlechtesten wegkommen. Zum Inhaltlichen: Erstmal gilt es, sich durch die vor wissenschaftlichen Fachtermini und Fußnoten nur so strotzende Einleitung zu boxen, die mich beinahe dazu veranlasst hätte, das Buch zur Seite zu legen und nicht mehr anzurühren. Eigentlich kann man sich den Part aber auch getrost sparen und damit einsteigen, worum es eigentlich geht: Aus allen drei Subkulturen wurden jeweils zehn (oder so) Angehörige (aus Deutschland, wohlgemerkt) durch die Autorin, die mehrfach betont, sich selbst auch aus privatem Interesse seit etlichen Jahren in subkulturellen Kreisen zu bewegen, befragt, um einen Gesamteindruck von ihnen und damit von der jeweiligen Szene zu gewinnen. Die Fragen und Antworten werden allerdings eher selten direkt wiedergegeben als mehr in ein durch die Autorin möglichst neutral gehaltenes Profil des jeweiligen Interviewpartners umgeschrieben, das anschließend durch die Autorin kommentiert und bewertet wird. Dies ist zwar einerseits, wie El-Nawab auch ganz richtig feststellte, die einzige vernünftige Möglichkeit, einen wirklich authentischen Einblick in Subkulturen zu bekommen, bietet andererseits dennoch die Möglichkeit der Manipulation durch tendenziöse und/oder provokante Fragestellungen, die die Gespräche in eine bestimmte Richtung lenken sollen oder durch die persönliche Gewichtung der Antworten durch die Autorin beim Erstellen der Profile der Befragten – was ich El-Nawab aber nicht unterstelle. Die Skinheads erzählen mal mehr, mal weniger Schwachsinn, ziemlich durchwachsen, das Ganze. Für die anschließende Bewertung sind diese zehn Befragten aber einfach zu wenig (repräsentativ). Dafür ist die Szene viel zu breitgefächert, als dass sie durch die Autorin nach zehn Gesprächen mit deutschen Skinheads und der Angabe lächerlich weniger, stellenweise falsch zitierter Songtexte beurteilt werden könnte. So werden die sozial- und gesellschaftskritischen Texte vieler Oi!-Bands komplett ausgeklammert, Hardcore findet so gut wie gar nicht Erwähnung etc. pp. Erwartungsgemäß werden den Skinheads auch am wenigsten Seiten im Buch zur Verfügung gestellt. Stattdessen wieder das heutzutage moderne Geseiere über den angeblichen Sexismus in der Szene und die „homo-erotischen“ Anhaltspunkte, bla bla bla… Die nicht-rechte Skinhead-Szene ist, so wie ich sie wahrnehme, besonders verglichen mit dem, was anschließend die Knochenlutscher und Schmalzlocken vom Stapel lassen, zwar „prollig“, aber nicht unbedingt sexistisch ausgerichtet. Wenn überhaupt kommt es durch den gewaltigen Männerüberschuss zu einem „umgekehrtem Sexismus“, d. h., die Mädels werden besonders hofiert etc. Dass es nichts mit Sexismus zu tun hat, über Sex zu singen (und das auch noch häufig selbstironisch) oder sich nicht künstlich „unmännlich“ zu geben, werden einige vermutlich nie kapieren. Übrigens: Nicht „American History X“ wurde in s/w gedreht, sondern „Oi! Warning“. Aber ich will nicht kleinlich werden. Die Gothics, denen der größte Teil des Buches gewidmet wurde, bestätigen viele meiner Vorurteile durch ihre Begeisterung für irgendwelchen Esoterik-Quatsch und andere Hippiescheiße, ihre Oberflächlichkeit in Bezug auf Klamotten und Styling und ihre zum Teil ausgeprägte Weltfremdheit. Trotzdem sind auch hier fitte Leute mit vernünftigen Aussagen und Einstellungen vertreten; halt ebenfalls recht durchwachsen. Großen Wert legte El-Nawab offensichtlich auf die Konfrontation der Interviewten mit rechtsradikalen Einflüssen und Tendenzen in der Szene, wobei die Antworten oft sehr gleichgültig ausfielen. Dafür hat sie selbst umso mehr Hintergrundinformationen diesbzgl. in das Buch eingearbeitet, da ihr die weit verbreitete Ignoranz sehr zu schaffen zu machen scheint. Die Rockabillies schießen letztendlich allerdings den Vogel ab: Verklärter Retro-Kult und spießig hoch zehn, sofern die meisten der Profile repräsentativ für die Szene sein sollten. Keine Ahnung, was das alles noch mit der ursprünglichen Rebellion der Jugendlichen in den 50ern zu tun haben soll. Dies erkennt allerdings auch die Autorin und benennt diese Widersprüchlichkeit. Vor lauter Geilheit auf das Thema „Sexismus“ vergisst die Autorin allerdings, angemessen auf einige verdammt bedenkliche Aussagen zum Thema Militär und Zweiter Weltkrieg einzugehen. Alles in allem fällt beim Lesen des Buches auf, dass die meisten Befragten nicht mal halb so rebellisch und anders sind, wie sie es entweder vorgeben zu sein (sofern sie sich überhaupt als „Rebellen“ sehen) oder wie sie von außen betrachtet werden, sobald es um (gesamtgesellschaftlichte) Themen geht, die den eng gesteckten subkulturellen Rahmen übersteigen. Inwieweit dieses Werk tatsächlich als ernstzunehmende Studie taugt, vermag ich nicht zu beurteilen. Positiv hervorheben möchte ich allerdings, dass die Autorin verdammt gut den Stellenwert der Medien und deren Wechselwirkung mit der jeweiligen Subkultur, insbesondere der der Skinheads, in Bezug auf ihre Entwicklung herausgearbeitet und formuliert hat. Rein formell gibt’s neben der Einleitung in schlimmstem Fachchinesisch ein paar – trotz aller Fußnoten, haha – nicht erläuterte szenetypische Begriffe und die nicht immer gewahrte Form in Hinsicht die typographische Darstellung von Eigennamen etc. zu kritisieren. Den Skinhead-Part empfand ich als überflüssig, die anderen beiden interessant über (Vor)Urteile bestätigend bis desillusionierend. Günni

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