Günnis Reviews

Kategorie: Bücher (page 23 of 24)

David Gilmour – Unser allerbestes Jahr

gilmour, david - unser allerbestes jahrEltern sind auch nur Menschen. Und was macht man mit einem Sohn, der nicht mehr in die Schule gehen möchte? David, der Vater, schlägt Jesse einen ungewöhnlichen Handel vor: freie Kost und Logis, aber drei Filme pro Woche. Von Truffaut über Hitchcock bis hin zu „Basic Instinct“. Nachmittage und Abende gemeinsam auf dem Sofa. Kein Kurs in Filmgeschichte, sondern viel Zeit zum Reden über falsche Freundinnen, die richtigen Fehler, verlorene und gefundene Liebe. Und darüber, wie lebenswichtig Leidenschaft ist.
Ein wahres und weises, zärtliches und urkomisches Buch über gebrochene Herzen und gelungene Beziehungen und darüber, dass Erwachsenwerden nichts mit dem Alter zu tun hat.

Bekam ich letztes Jahr geschenkt. Positiv: Das Anschauen von Filmen wird hier nicht als dämliche Zeitverschwendung dargestellt, sondern von einem leidenschaftlichen Film-Fan und -Kritiker als interessante und mitunter sogar lehrreiche Freizeitgestaltung beschrieben. Und im pubertierenden Sohn vermag man sich mitunter durchaus wiederzuerkennen, denkt man an seine eigene Jugend zurück. Darin liegt aber auch schon der Knackpunkt: Was diesem widerfährt, ist die meiste Zeit ziemlich unspektakulär. Er entspringt einer Mittelklasse-Familie, die sich gleich höchst besorgt zeigt und über jeden Scheiß mit ihm redet. Das offene Verhältnis, das er zu seinem Vater, der das Buch aus der Ich-Perspektive schreibt, hat, ist eines, von dem viele andere nur träumen können und mir persönlich viel zu weit ginge. Denke ich an meine eigene Jugend zurück, in der es wesentlich drunterer und drüberer ging, habe ich für die hier beschriebenen Problemchen nur ein müdes Lächeln übrig, und so plätschert die eigentliche Geschichte vor sich hin. Vielleicht müsste man auch selbst Vater sein, um dem Ganzen mehr abgewinnen zu können. Nichtsdestotrotz sind im Nachhinein betrachtet viele Tipps, die der Erzähler für seinen Sohn parat hat, sicherlich nicht verkehrt. Am interessantesten waren für mich aber die vielen Filmtipps, die man diesem Buch entnehmen konnte. Aufgrund des sehr einfach gehaltenen Schreibstils liest sich die Schwarte sehr schnell.

ZEPP OBERPICHLER – GITARRENBLUT

(www.801ruhrgebiet.de)

oberpichler, zepp - gitarrenblutZepp Oberpichler, einigen sicherlich bekannt von den KINSKIS, SCHLAFFKE & ZEPP oder JIMMY KEITH AND HIS SHOCKY HORRORS, ist ein auch als Autor tätiger Musik-Nerd und hat mit „Gitarrenblut“ seinen zweiten Roman veröffentlicht. Vermutlich höchst autobiographisch lässt er seinen Helden Will in loser Folge verschiedene Stationen seines Lebens Revue passieren, bei denen sich alles um Mucke und Mädchen dreht. Dabei werden Unmengen Künstler, Platten und Songs aus allen Dekaden der Rockmusik erwähnt, die für Will von Bedeutung sind und den Soundtrack seines Lebens liefern. Das erinnert stark an „High Fidelity“ von Nick Hornby, und wenn Zepp die Geschmackspolizei raushängen lässt, kratzt er gerade noch so die Kurve, nicht arrogant und von oben herab zu wirken. Zusammengehalten werden die Anekdoten von einem Anfall schlimmen Nasenblutens und der Absicht, das einer verstorbenen Freundin gewidmete Mixtape endlich fertigzustellen. Die rund 170 Seiten sind recht großzügig bedruckt und lesen sich schnell. Wer Spaß daran hat, Musik-Nerds zuzuhören, gut auf Ruhrpottcharme kann oder gerne den einen oder anderen Künstler abseits des Punkrocks für sich entdecken möchte, liegt mit „Gitarrenblut“ goldrichtig. Das herrliche, selbstironische Ende relativiert den Stellenwert von Zepps Musikgeschmack dann auch kräftig und stimmt auch diejenigen versöhnlich, die sich zwischenzeitlich evtl. mal auf den Schlips getreten gefühlt haben oder schlichtweg wenig bis gar nichts mit Musik von vor 1977 anfangen können. Kurzweiliges, sympathisches Lesevergnügen und hervorragend als Geschenk für Leute geeignet, deren musikalische Sozialisation ebenfalls in den 60ern begründet liegt. Dem Buch liegt übrigens eine Mini-CD mit vier von Zepp gesungenen Songs bei, die sich auf die Geschichte beziehen. Schade nur, dass man die Hülle so fest ins Buch geklebt hat, dass es unmöglich ist, sie zu lösen, ohne das Buch zu beschädigen. Kostenpunkt: 8,01 €. Günni

Egon Krenz – Herbst ’89

krenz, egon - herbst '89Statt einer Kurzkritik eine Diskussion zum Thema, die ich einst in einem Forum führte.

Wann das genau war, kann ich nicht mehr nachvollziehen, müsste aber der Herbst 2009 gewesen sein.

Die hell unterlegten Passagen stammen von meinem Diskussionspartner:

Egon Krenz,der noch heute vor Stasioffizieren seine wirren Selbstbetrüge als Geschichte vorträgt und erzählt, wie die Stasi dafür sorgte, dass die 89er Revolution überhaupt stattfinden konnte und so friedlich blieb?

Ich weiß so gut wie nichts über Egon Krenz, weshalb ich eben dieses Buch jetzt lese. Der letzte Beitrag über ihn, den ich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sah, war so dermaßen billig und offensichtlich auf reine Polemik und Vorführung ausgerichtet, dass man meinen könnte, der Kalte Krieg wäre noch in vollem Gange, was letztendlich den entscheidenden Ausschlag dazu gab, dass ich mich dieser Lektüre annahm. Möglicherweise liegt die wahrheit wie so oft irgendwo in der mitte?

Du bezweifelst, dass die DDR-Führung zum weitestgehend friedlichen Ablauf des Umbruchs ihren Beitrag geleistet hat? (keine rhetorische, sondern ernstgemeinte Frage)

Zu seiner Ehrlichkeit und seinem Bild der Vergangenheit reicht es eigentlich zu wissen, dass er bis heute sagt, es habe in der DDR an der Grenze keinen Schießbefehl gegeben. (obwohl die etwaigen Paragraphen ja bekannt sind)

Wie bekannt ist, wurde wenige Tage vor der großen Leipziger Demo noch jedes Treffen von der Stasi und nicht zu vergessen, den Betriebskampfgruppen zusammengeknüppelt, in dermaßen brutaler Form, da ist das, was die Hamburger Polizei diesen Sommer so macht, Kindergeburtstag gegen.

Zwei Dinge haben sie dann zum Nachlassen gebracht:
1. Die schiere Größe der Demos.
2. Fehlende Rückendeckung aus Moskau. Dies verschweigt Krenz ja gern und kann sich so als friedliebender Demonstrantenfreund zeigen.

Bernd Lade sagte dazu passend:
Wenn Breshnew noch an der Macht gewesen wäre, dann hätte Krenz schießen lassen. Die Planungen dafür gab es ja.

Wie gesagt, ich lese mich gerade erst etwas intensiver in die Thematik hinein. Vielleicht schreib ich da später noch mal was zu. Von „was wäre wenn (z.B. Breshnew noch an der macht gewesen wäre)“-Spekulationen halte ich aber nicht viel. Es waren ja nicht nur personelle Faktoren, die den Zusammenbruch der UDSSR bewirkt haben, sondern auch politische und wirtschaftliche.

Dein letzter Satz ist richtig, mein Beispiel sollte nur verdeutlichen, wie wenig unabhängig die DDR-Führer in ihren Entscheidungen waren, sondern sich immer nur im jeweils vorgegebenen Freiraum entscheiden konnten.

Das stimmt natürlich, ist aber nicht Krenz anzulasten. Diesen Umstand macht er in seinem Buch, das ich mittlerweile durch habe, ebenso deutlich wie den völligen Realitätsverlust und die Paranoia des Politbüros, die letztendlich kontraproduktive Machtauf- und -verteilung und vieles andere. Gleichzeitig übernimmt er die Verantwortung, soweit es ihm möglich ist. Er beschreibt auch recht nachvollziehbar den damit einhergehenden, aus meiner Sicht quasi unmöglichen Spagat zwischen Reformwillen auf der einen und Verantwortung für den bewaffneten Machtapparat auf der anderen Seite. Im Übrigen gab es durchaus einen Befehl Honeckers, Gewalt anzuwenden, den Krenz unverzüglich abgewendet und damit seine Kompetenzen überschritten hat. Die in der DDR stationierten Sowjettruppen haben, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ihre Unterstützung angeboten, wurden aber aufgefordert, sich zurückzuhalten. Ich denke nach meinem aktuellen Kenntnisstand sehr wohl, dass er unter seiner Führung einen großen Anteil am unblutigen Verlauf der Wende hat. Das wurde ihm im Urteilstext zu seiner Verurteilung wegen Totschlags sogar höchstrichterlich bestätigt.

Ich muss sagen, ein sehr, sehr interessantes Buch. Man muss natürlich auch ein wenig zwischen den Zeilen lesen können. Aber krenz äußert sich tatsächlich sehr kritisch der DDR gegenüber, aber eben auch ggü. der westdeutschen Politik seinerzeit. Ich glaube, wer sich für das Thema interessiert, kann hier viele interessante Hintergrundinformationen aus erster Hand erfahren. Fast alles, worauf er sich bezieht und woraus er zitiert, wurde übrigens mit Quellenangaben beinhaltenden Fußnoten unterlegt, um für soviel Objektivität wie möglich zu sorgen. Man sollte allerdings etwas Grundwissen mitbringen, da Krenz direkt im Herbst ’89 einsteigt und es leider auch kein Organigramm oder ähnliches gibt, das das damalige System anschaulich mit seinen Abhängigkeiten und Zuständigkeiten skizziert.

Was den Schießbefehl an der Grenze vor dem Herbst ’89 betrifft, so äußert er sich in diesem Buch leider nicht. Spätere Aussagen erscheinen mir widersprüchlich. Es gab ja sozusagen zwei „Versionen“: einen offiziellen Paragraphen (ab 1982?) und „interne“ Handlungsaufforderungen. Wenn ich das richtig (aus zweiter oder dritter Hand) verstanden habe, sagt er, es habe zwar einen Schießbefehl gegeben, der aber nicht mit der Aufforderung zum Töten einhergegangen sei. Inwieweit ihm zu seinen Politbüro-Zeiten die internen Auslegungen bekannt waren, weiß ich nicht.

Hans Modrow – Ich wollte ein neues Deutschland

modrow, hans - ich wollte ein neues deutschlandDie Autobiographie von Hans Modrow, dem letzten Ministerpräsidenten der DDR. Etwas vereinfacht kann man sagen, dass unter Modrow seinerzeit erstmals tatsächliche Demokratie in der DDR stattfand, in deren folge die DDR aufgelöst wurde.

In einem vorangestellten Interview werden ein paar grundsätzliche Fragen („Sind Sie Kommunist?“) vorab geklärt, wodurch man sich auf den eigentlichen Inhalt besser konzentrieren kann. Und dieser liest sich sehr interessant und flüssig. Aus meiner Sicht geht er zwar manchmal vielleicht etwas zu sehr ins detail des politischen Tagesgeschäfts mit seinen bürokratischen Abläufen, für andere vermutlich aber eher sogar noch zu wenig, weshalb ich glaube, dass ein gesundes Mittelmaß gefunden wurde. Apropos Politik: darum geht es natürlich hauptsächlich. Persönliches von Modrow erfährt man eher wenig und nebenbei.

Modrow beschreibt seine Sozialisation (Hitlerjugend, Kriegsgefangenschaft, Antifa-Schule) und seine Beweggründe, am Sozialismus-Experiment DDR in verantwortlicher Position teilzunehmen und immer wieder „für die Sache“ eigenem Empfinden zuwider zu handeln und sich trotz allem weiter mitverantwortlich zu machen, anschaulich und überzeugend, geht mit sich selbst ins Gericht und bezichtigt sich so z.B. des Öfteren des Opportunismus, nennt sowohl Ross und Reiter der SED als auch äußere Gründe für den Niedergang der DDR und wirkt aus meiner sicht sehr reflektiert und um Objektivität bemüht.

Inwieweit das alles mit der stattgefundenen Realität tatsächlich übereinstimmt, vermag ich nicht zu beurteilen, habe aber zum jetzigen Zeitpunkt (knapp über die Hälfte durch) auch keinen Anlass, den Wahrheitsgehalt anzuzweifeln.

So nachvollziehbar das alles auch ist, so deutlich wird für mich aus meiner heutigen Sicht, mit meinen Überzeugungen und Idealen sowie meinem geschichtlichen Wissen, dass ich (hoffentlich) bereits zu einem recht frühen Zeitpunkt anlässlich bestimmter Ereignisse das System nicht mehr guten Gewissens hätte mittragen können, die Modrow zwar kritisiert, mir ehrlich gesagt aber zu leichtfertig zur „Tagesordnung“ übergeht. Aber auch ohne jedes mal seiner Meinung zu sein: Ein hochinteressantes Buch eines Politikers, den ich trotz allem für integerer halte als die gesamte CDU.

Stefan Bonner / Anne Weiss – Generation Doof. Wie blöd sind wir eigentlich?

bonner, stefan + weiss, anne - generation doofDas Buch sitzt sprichwörtlich zwischen den Stühlen. Einerseits eine durchaus unterhaltsame, sarkastische bis zynische Polemik über den heutzutage weit verbreiteten äußerst mangelhaften Grad der Allgemeinbildung (wozu Erkennen unsinniger Modetrends als eben solche und grundsätzliche Kenntnis von Manieren und angemessenem Benehmen durchaus gehören), die fehlende „Weitsicht“ in Hinblick auf den eigenen Lebensweg (womit ich lediglich die direkten Konsequenzen eigenen Handelns meine) und die unrealistischen Einschätzungen der eigenen Fähigkeiten und Positionen innerhalb der Gesellschaft heutiger Jugendlicher und junger Erwachsener.

Dieser Teil gefällt durch seinen humorvollen Schreibstil, der Arroganz und Selbstgerechtigkeit durch das sich selbst Hinzuzählen der Autoren zu jener Generation zu umgehen bzw. relativieren/ironisieren versucht und unterhält mit Anekdoten – selbsterlebten oder den später harsch kritisierten Medien entnommenen. Bis hierhin kann das Buch gut als Ventil für von der „Generation Doof“ Gepeinigte oder auch als selbstironische Abhandlung für sich bewusst, aber dennoch nicht ganz freiweillig zu jener Generation Zählender fungieren.

Andererseits versuchen die Autoren, Erklärungen zu finden und Lösungen aufzuzeigen – und spätestens hier scheiden sich die Geister. Ich persönlich empfinde Einiges, z.B. die Aussagen hinsichtlich der Verhätschelung von Einzelkindern und der medialen Verblödung, als zwar keinerlei wirklich neue Erkenntnisse, aber in jedem Falle gut wiedergegeben. Insgesamt wird aber deutlich, dass die Schreiber keine tatsächlich tiefergehenden, wissenschaftlich fundierten Kenntnisse der Materie(n) haben und sie mitunter argumentativ ins Schlingern geraten (weniger schlimm) oder aber widersprüchliche bzw. objektiver Betrachtung kaum standhaltende und/oder reaktionäre Positionen vertreten (ärgerlich) – und zwar mit einem durchschimmernden Anspruch auf Allgemeingültigkeit (ebenfalls ärgerlich), der ihnen nun weiß Gott nicht zusteht:

Einerseits den „Denglisch“ genannten dümmlichen Hang zu Anglizismen zu kritisieren, ihnen dann aber immer wieder selbst zu verfallen, hätte spätestens dem Lektoren auffallen müssen. Der bemerkt aber auch so einige Rechtschreibfehler nicht und lässt die „Ludlofs“ (gemeint sind die „Ludolfs“, Protagonisten einer herzerfrischenden Doku-Soap auf DMAX) durchrutschen, die undifferenziert zusammen mit einigen anderen TV-Formaten als Beispiel für die Ausrichtung des Senders DMAX auf die „Generation Doof“ herhalten müssen.

Zum Thema Ernährung werden fragwürdige und wissenschaftlichen Erkenntnissen trotzende Standpunkte vertreten, wie der, dass „frische“ Lebensmittel grundsätzlich vitaminreicher und gesünder seien als in welcher Form auch immer konservierte, was zumindest in manchen Bereichen längst widerlegt wurde. Im Übrigen frage ich mich, welcher Alleinstehende in Vollzeit arbeitender Angehöriger der „Generation Doof“ noch über die Zeit verfügt, JEDEN Tag mit frischen Zutaten, die vorher auch noch eingekauft werden wollen, zu kochen? Ist den Autoren nicht bewusst, dass Arbeitsplatz und Berufsausübungsort längst nicht immer nah beieinander liegen und ein nicht unerheblicher Teil der Tageszeit Berufstätiger fürs Pendeln aufgebracht wird, immer weitere Entfernungen vom Arbeitsamt (wer arbeitet wie eine Behörde, bleibt „Amt“, nicht „Agentur“, basta) als akzeptabel bzw. selbstverständlich angesehen werden und sich Umzüge, z.B. in die Stadt, oft allein schon aus finanziellen Gründen ausschließen, weil immer horrendere Wuchermieten verlangt werden? Was ist mit Effizienz und Ökonomie? Alles doof? In diesem Zusammenhang frage ich mich auch, was an „Cocooning“ (Modebegrif fürs Gemütlichmachen in den heimischen vier Wänden) so verkehrt/doof sein soll. Wo soll denn bei aller (teilweise zurecht) propagierten materiellen Bescheidenheit der „Generation Doof“ die Kohle herkommen, ständig auswärtigen Aktivitäten nachzugehen? Und woher sollen die Kraft und Motivation nach einer 40-Stunden-Woche plus ausgiebigen Pendelns kommen? Bestimmt nicht aus dieser halbseidenen Lektüre.

Apropos Ernährung: Mit erhobenem Zeigefinger wird die „Überfettung“ der „Generation Doof“ angeprangert, aber kein wort zum Mager- und „Gesundheits“wahn zu vieler Jugendlicher. Das ist einseitig und in der Hand der komplexbehafteten, sich über Äußerlichkeiten definierenden „Generation Doof“ vielleicht sogar gefährlich.

So viel auch richtig und für mich erfreulich zu lesen gewesen sein mag im Abschnitt über Medien und Medienkompetenz, so doof ist es in meinen Augen, ausgerechnet einen Christian Pfeiffer, der zu jenen gehört, die „Killerspiele“ für gewalttätige Kinder und Jugendliche verantwortlich machen, wohlwollend zu zitieren – insbesondere dann, wenn man selbst (glücklicherweise) deutlich von derartigem Schwachsinn abrückt.

Mit dem Kopf schütteln musste ich nicht zuletzt auch beim der Berufswelt gewidmeten Kapitel. Dort versucht man doch allen Ernstes, den Lesern weiszumachen, Anzug und Krawatte würden Kompetenz ausstrahlen und zum Berufsleben, zumindest in Agentur und Büro, unweigerlich dazugehören; ja, von ihnen sei sogar beruflicher Erfolg abhängig. Was für ein Unfug, den vermutlich nicht einmal die Junge Union oder der Arbeitgeberverband vertreten. Ich persönlich jedenfalls kenne kaum etwas Peinlicheres als in „Business Outfit“ gequetschte Jugendliche, denen man ansieht, dass sie diese Klamotte normalerweise nie anziehen. Peinlicher ist allenfalls noch, auf Augenwischerei durch Kleiderwahl hereinzufallen, wie es, ganz im Sinne der „Generation Doof“, die Autoren offensichtlich taten und tun.

Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, wurde sogar einerseits dazu aufgerufen, sittenwidrige Einstiegsgehälter zu akzeptieren, nur um andererseits ein wesentlich höheres Gehalt trotz aller Aufrufe zur Bescheidenheit als unzureichend zur Familiengründung zu bezeichnen. Wem will man da denn nun nach der Schnauze reden? Vermutlich wirtschaftsliberalen Ausbeutern und Konsumterroristen „irgendwie“ gleichzeitig. Ich muss aber zugeben, mir in diesem Punkt nicht ganz sicher zu sein, ob es in ersterem Falle nicht doch um eine Ausbildungsvergütung ging.

Wie dem auch sei: Anscheinend gehört das Autorenteam weit mehr selbst zur „Generation Doof“, als es ihnen bewusst ist. Trotz aller Kritik bleibt aber ein passabel bis gut unterhaltendes Buch, das sich einfach ab einem gewissen Punkt zu weit aus dem Fenster lehnt und seine Kompetenz überschreitet.

Wer selbst unter den Doofen, besonders im Falle ihres massenhaften Auftretens ohne Ausweichmöglichkeit (z.B. in der Schule) gelitten hat, weiß dieses Buch vermutlich aber einfach mehr zu schätzen als die Fraktionen der getroffenen Hunde auf der einen und der elitären, realitätsfernen, politisch korrekten Pädagogen auf der anderen Seite, weshalb ich drei von fünf Sternen gebe.

Dietmar Bittrich – Achtung Gutmenschen! Warum sie uns nerven. Womit sie uns quälen. Wie wir sie loswerden.

bittrich, dietmar - achtung gutmenschen!Satirisch-polemisch wird gegen Hippies, Ökos etc. gewettert. Ist erfreulich, wenn beliebte Wohlstands-Öko-Thesen auseinandergenommen und widerlegt werden, aber billig bis ärgerlich, wenn zwischenzeitlich selbst so mancher Stammtisch unterschritten wird.

André Meinunger – Sick of Sick? Ein Streifzug durch die Sprache als Antwort auf den »Zwiebelfisch«

meinunger, andré - sick of sickVom provokanten Titel dieser Antwort auf Bastian Sicks „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“-Bände distanziert sich André Meinunger bereits insofern im Vorwort, als er Bastian Sicks Bemühungen grundsätzlich positiv bewertet und angibt, ihn in einigen Punkten dennoch korrigieren zu müssen. Insofern liest sich dieses Buch eher als Ergänzung, als eine Art Nachtrag zu Sicks Bänden.

Ich habe bis jetzt ungefähr zwei Drittel durch. Einiges geht sehr in die Tiefe, um in Sicks einfach zu verstehenden Texten aufgestellte (Faust-)Regeln oder Erklärungen zu widerlegen, anderes sind Spitzfindigkeiten, die Details korrigieren und wieder anderes muss ich nicht unbedingt als richtig erachten und stimme da eher Herrn Sick zu. Meinungers Schreibe ist wissenschaftlicher und weit weniger unterhaltsam als Sicks, macht aber zumindest mir dennoch Spaß, da ich das ganze herrlich „nerdig“ finde.

Eckhard Henscheid – Dummdeutsch

henscheid, eckhard - dummdeutsch‚Dummdeutsch‘, das meint eine Emulsion aus vor allem Werbe- und Kommerzdeutsch, aus altem Feuilleton und neuem Professorendeutsch (und umgekehrt), aus dem Deutsch der sogenannten Psychoszene und dem einer neuen Innerlichkeit, aus eher handfest-törichtem Presse- und Mediendeutsch, aus Sport- und Bürokratendeutsch.

Sehr unterhaltsames wie lehrreiches Wörterbüchlein. Henscheid nimmt herrlich herablassend in selbst nicht immer ganz einfachem, zunächst gewöhnungsbedürftigem Deutsch Wortschöpfungen, -hülsen und sinnentleerte Phrasen aus o.g. Bereichen aufs Korn und schreckt auch vor direkten Beleidigungen nicht zurück.

Und, ja, euer beklopptes „mensch“ statt „man“ wird auch aufgeführt. 😀

Wurde allerdings zuletzt 1993 aktualisiert, ist also nicht mehr auf dem neusten Stand.

HOLLIS, LEE – STRATEGY FOR VICTORY

(www.ventil-verlag.de) ISBN 978-3-931555-73-3 / 9,90 €

hollis, lee - strategy for victorySPERMBIRDS-/ STEAKKNIFE-Sänger und Exil-Ami Lee Hollis bringt mithilfe des Ventil-Verlages seinen mittlerweile dritten Kurzgeschichten-Band in wirklich sehr leicht verständlichem Englisch unter die Leute. Ich muss gestehen, dass dies (abgesehen von seinen Songtexten, versteht sich) die erste Literatur ist, die ich von ihm zu lesen bekomme, also keinen direkten Vergleich zu den vorausgegangenen Werken ziehen kann. Ich wäre normalerweise auch nicht unbedingt auf die Idee gekommen, mir ein Buch mit englischen Kurzgeschichten zu Gemüte zu führen, da ich i.d.R. Prosa in meiner Muttersprache bevorzuge – wodurch mir aber einiges entgangen wäre. Meiner Tätigkeit für Crazy United sei Dank konnte ich an einer humorvoll geschriebenen Mischung aus Autobiographischem und Fiktivem über Hollis’ „Sweet Home Alabama“ (hehe), Drogenkonsum, seinen Job in der Kaiserslauterer Kneipe „Karate Club“, den Gebrauch von Schusswaffen und einigem mehr teilhaben, der immer etwas Bukowskisches in Hinsicht auf (nicht vorhandene) politische Korrektheit und Fatalismus anhaftet, allerdings ohne dessen Grad an Abgefucktheit zu erreichen (was Hollis vermutlich auch niemand abgenommen hätte). Die Rezeptur ist schon ganz richtig so und macht Spaß. Den Lesefluss beeinflussende Sprachbarrieren gab es keine und der Wortwitz konnte sich voll entfalten. Hollis beherrscht auch dieses Metier sehr gut und nimmt sich selbst ganz gerne auf die Schippe. Wer schon immer mal wissen wollte, wie es eigentlich bei der US-Army war, womit man sich als Barkeeper in K’lautern herumschlagen muss, wie man in non-verbalen Auseinandersetzungen die Oberhand behält und an Details über Hollis’ Familie interessiert ist, dürfte auf den gut 100 Seiten gehoben und kurzweilig unterhalten werden. Kein Buch, in dem uns jemand Punkrock erklären oder Politik betreiben will; einfach abgefahrene Geschichten, die das Leben schrieb, die fast alle zünden und durch ein paar wenige Gedichte bzw. Songtexte ergänzt werden. Günni

FRANK LAUENBURG – SKINHEADS UND DIE GESELLSCHAFTLICHE RECHTE

(Tectum-Verlag)

lauenburg, frank - skinheads und die gesellschaftliche rechte„Nicht NOCH ein Buch über Skinheads, und schon gar nicht im Kontext mit rechter Politik!“, höre ich schon die ersten schreien. In der Tat erschloss sich auch mir der Sinn dieses Buches zunächst nicht wirklich. Wie wäre es stattdessen mal mit „Kleingärtner und die Gesellschaftliche Rechte“? Oder „Kakteenzüchter und die Gesellschaftliche Mitte“ ö. ä.? Aber ok, machen wir uns nichts vor – kaum eine andere Subkultur war so empfänglich für rechte Rattenfänger wie die der Skinheads. Frank Lauenburg kreierte für sein Werk den Begriff der „Gesellschaftlichen Rechten“ als Konsequenz der „Neuen Rechten“ und meint damit sich an die bürgerliche Mitte anbiedernde, rhetorisch wie opportunistisch geschickte Rechte bzw. Rechtsradikale, die mit einem neuen Image als friedliche, soziale, demokratische Opposition auf Stimmenfang gehen und um die Gunst der Bürger buhlen. Inwieweit diese noch Interesse an der Rekrutierung von bzw. Unterstützung durch Skinheads, denen nach wie vor ein zweifelhafter Ruf vorauseilt, interessiert sind, ist Gegenstand Lauenburgs Analyse. Diese liest sich wie eine Diplomarbeit und wurde in drei Kapitel unterteilt: Die Geschichte der Skinheads im Allgemeinen, für die er fleißig aus den bekannten Werken von George Marshall und vor allem Klaus Farin zitiert, also nichts Neues bietet. Kapitel zwei erläutert seine Definition der „Gesellschaftlichen Rechten“ in Abgrenzung zur „Alten Rechten“ und „Neuen Rechten“. Diese liest sich recht differenziert und arbeitet ebenfalls viel mit Zitaten, hier aus rechten Publikationen, geht meines Erachtens aber zu wenig auf die nach wie vor bestehende und durchaus gewollte Verknüpfung der „Gesellschaftlichen Rechten“ mit revanchistischen und sozial-darwinistischen Nazis ein. Außerdem wird hier verstärkt mit Fachbegriffen um sich geworfen, was den Stoff nicht unbedingt jedem zugänglich machen wird. Im letzten Kapitel, das den geringsten Teil des Buches einnimmt, untersucht Lauenburg das Verhältnis der „Gesellschaftlichen Rechten“ zu den Skinheads anhand von Texten neo-nazistischer Bands. Dabei achtet er in erster Linie auf das Selbstbildnis der Bands und inwieweit sie sich und ihre Zielgruppen noch als Skinheads bezeichnen. Außerdem zieht er Parallelen zwischen öffentlich propagiertem Gewaltverzicht der „Gesellschaftlichen Rechten“ und aktuellen Songtexten, die eine ähnliche Tendenz aufweisen. Letzten Endes zieht Lauenburg das Fazit, dass die kreidefressenden „Gesellschaftlichen Rechten“ sich immer mehr von Skinheads und deren schlechtem Ruf als gewalttätige, versoffene Krawallmacher distanzieren, da sie sie für ihre politische Arbeit als kontraproduktiv betrachten. Lauenburg geht sogar so weit, die provokante Perspektive zu formulieren, durch das langsame Verschwinden der typischen Boneheads und den damit einhergehenden Image-Verlust der Skinheads als soziopathische Neo-Nazis würden die echten Skinheads das Interesse an ihrem Kult verlieren, der nach Meinung des Autors vor allem von der Außenwirkung leben würde, für die das Bonehead-bedingte schlechte Image zuträglich sei…
Diese Buchveröffentlichung würde ich als semi-professionell und –wissenschaftlich einordnen. So wird der formale Schreibstil oft unterbrochen und einige Rechtschreib- und Grammatikfehler haben sich eingeschlichen. Positiv hervorheben möchte ich aber die überaus berechtigte Kritik des Autors an Oberpseudointellektuellenstudentenlabernervensäge Martin Büsser. Mein persönliches Fazit: Wirklich subkulturtauglich ist dieses Werk nicht, dafür ist zu vieles bereits aus anderen Veröffentlichungen bekannt. Lediglich oben erwähnte These des Autors könnte für Gesprächsstoff sorgen. Für Außenstehende mag aber die politische Analyse der Verbindung Politik und Subkultur von Interesse sein. Hier habe ich allerdings die Berücksichtigung des Phänomens der „Rechtsoffenheit“ sich selbst als nicht-rassistisch einstufender Skinheads, die mitunter rechtsradikale Tendenzen gar nicht mehr als solche erkennen, vermisst. Dieses ist neben dem Fehlen eines politischen Bewusstseins vieler Subkultur-Protagonisten ebenfalls eine Auswirkung der „Gesellschaftlichen Rechten“ und ihrer Vereinnahmung sozialer Themen und Verwässerung politischer Grenzen und Begrifflichkeiten. Dass die politische Rechte in der bürgerlichen Mitte versucht anzukommen, bedeutet nicht, dass diese gänzlich das Interesse an der Einflussnahme auf Subkulturen verloren hätte. Günni

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