Günnis Reviews

Kategorie: Konzertberichte (page 1 of 45)

06.06.2025, Kulturpalast, Hamburg: DARK ANGEL + KRYPTOS

DARK ANGEL, ‘80er-Jahre-US-Thrash-Größe aus der zweiten Reihe hinter den ganz Großen, sind wieder am Start, wenn auch leider ohne den mittlerweile verstorbenen Original-Gitarristen Jim Durkin, und unternahmen kurz vor Veröffentlichung ihres neuen Albums einen Abstecher in den Kronensaal des Billstedter Kulturpalasts (nachdem sie zuvor fürs wesentlich kleinere Bambi galore im selben Gebäude angekündigt worden waren), u.a. um ihr brutalstes Werk, den Klassiker „Darkness Descends“ aus dem Jahre 1986, in voller Länge zu kredenzen. Für Durkin ist nun Drummer Gene Hoglands Ehefrau Laura Christine an einer der beiden Gitarren dabei, und als Sänger fungiert nach wie vor Ron Rinehart, der seit der 1987er Langrille „Leave Scars“ diese Position innehat. Mit über 30 Öcken Eintritt kein Pappenstiel, aber das war’s mir dann doch wert.

Den Einheizer machten die indischen Heavy-/Thrash-Metaller KRYPTOS, die nun auch schon seit 1998 mitmischen und seither sieben Alben auf dem Buckel haben. Diese konnten mich auf volle Albumdistanz zwar nie 100%ig überzeugen, dennoch hat sich im Laufe der Zeit einiges Songmaterial angesammelt, das ich verdammt gerne höre. Als das Quartett pünktlich um 20:00 Uhr anfing, war der Saal noch nicht sonderlich üppig gefüllt, was sich im Laufe des Sets aber ändern sollte. Der Sound war von Beginn an gut und der häufig sich eher im Midtempo-Bereich bewegende Heavy/Thrash-Stil sorgte in Kombination mit der bunten Lightshow und reichlich Nebel für Atmosphäre. Am besten gefällt mir die Band aber, wenn sie ihr Tempo variiert und deutlicher Richtung flottem Thrash tendiert. Sänger/Gitarrist Nolan hat ‘ne geil giftige Stimme und nahm sich zwischendurch die Zeit, seine Band vorzustellen, die das Publikum mit jedem Song mehr auf ihre Seite zog. Die Konsequenz waren „KRYPTOS, KRYPTOS!“-Rufe aus dem Publikum nach einer halben Stunde. Mit „Cold Blood“ und „Afterburner“ entdeckte ich dann auch zwei meiner Lieblingssongs im Set, wobei letzterer mit Mitsinginstruktionen einherging – das „Watch out!“ sollte doch bitte kräftig mitgebrüllt werden, was auch gut funktionierte. Mein persönlicher Höhepunkt dieses Gigs, der nach 50 Minuten endete und für den die Band gut abgefeiert wurde – sie hatte sich ihr Publikum redlich erspielt. Etwas gewöhnungsbedürftig war lediglich der Anblick des Schlagzeugs, das am rechten Bühnenrand aufgebaut werden musste, da es nicht vors schon in vollem Umfang bereitstehende, ausladende DARK-ANGEL-Kit passte.

Nach relativ kurzer Umbaupause stiegen DARK ANGEL für mich überraschend mit „Time Does Not Heal“ ein, dem (geilen) Titelstück des bis dato letzten, melodischeren Albums aus dem Jahre 1991. Leider übertönten die Drums alle anderen Instrumente und auch den Gesang. Es folgten Nummern des „Time Does Not Heal“-Vorgängers „Leave Scars“ und auch ein, zwei Stücke des bevorstehenden Albums, wobei der Sound immer besser wurde – recht bald passte alles, wenngleich man den Gesang für meinen Geschmack gern generell etwas dominanter in den Vordergrund hätte mischen dürfen. KRYPTOS-Mitglieder mischten sich ins Publikum, die Bude war längst gut voll und alle warteten auf die „Darkness Descends“-Vollbedienung. Wie würde diese mit Rinehart am Mikro klingen, der auf jenem Album ja noch gar nicht zu hören war? Nun, Rinehart war superagil, eine Rampensau vor dem Herrn, trug ‘nen schnieken Irokesenschnitt, ließ sich sein Alter nicht anmerken (ganz im Gegenteil) – und war stimmlich variabel und fit genug, um die Songs in seiner Mischung aus echtem Gesang, Shouting und ein bisschen Growling sowie gelegentlichen Kopfstimmenausflügen auf seine eigene Weise respektvoll zu interpretieren und überzeugend rüberzubringen. Der gesamten Band gelang es, mit diesem dem verstorbenen Durkin gewidmeten Set authentische Spielfreude und Energie wie ein ganzes Kraftwerk aufs Publikum zu übertragen, das mittlerweile freidrehte und seinem Bewegungsdrang freien Lauf ließ. Welch brachiales Gebretter in Höchstgeschwindigkeit, welch herrliches Geholze, das einem die Rübe abschraubte! Das ausgepowerte Publikum schrie gar nicht erst nach einer Zugabe, es hatte alles bekommen, was es brauchte. Da bin ich doch direkt mal aufs neue Album gespannt.

17.05.2025, Lobusch, Hamburg: BOCKWURSCHTBUDE + BOMBE

Ein gutes Jahr nach ihrem letzten Lobusch-Besuch kehrte die BOCKWURSCHTBUDE aus Frankfurt/Oder zurück, deren aktuelles Album „Sippenhaft“ noch immer die Wurscht vom Teller zieht. Den Anfang aber machten BOMBE aus Hamburg, die übrigens vor Kurzem ihr Material auch aufgenommen haben. Den zweiten Song musste das Quartett direkt abbrechen weil wegen irgendwas mit Kabel, ab da lief aber anscheinend alles glatt. Eines der Alleinstellungsmerkmale der Band ist die von der Sängerin gespielte Geige, die bei einigen Songs zum Einsatz kommt, ein anderes der Instrumententausch, sodass die einzige Konstante der Gitarrist ist. Nicht alltäglich ist auch die respektabel verrauchte, kratzige Stimme der Sängerin. Diejenigen der überwiegend deutschsprachigen Songs, die in recht getragenem Tempo gespielt werden, sind nicht so ganz meine musikalische Heimat, wenngleich man ihnen eine angemessen düstere Atmosphäre nicht absprechen kann. Gegen Ende übernahm die Bassistin/Drummerin den Gesang dreier Songs, die dann ganz anders klangen, nämlich nach flottem ’77-Punk, englischsprachig zudem. Das hob meine Stimmung, die beim anwesenden Volk aber generell sehr gut war, sodass lautstark Zugaben gefordert wurden. Die gab’s dann auch: Die geigende Sängerin sang „Du mieses Stück“, gefolgt von ‘ner amtlichen Pogonummer und mit „Solidarity“ (kein Upstarts-Cover) einem allerletzten Stück, für das sie dem Gitarristen dann doch noch die Klampfe wegnahm, damit dieser sich auf den Gesang konzentrieren konnte. Hat sich zu ‘nem geilen Gig entwickelt, der mir gegen Ende hin immer besser reinlief.

BOCKWURSCHTBUDE, ja seit einiger Zeit mit CHAOS-Z/FLIEHENDE-STÜRME-Andreas am Bass verstärkt, zockten ein klasse Best-of-Set vor ansehnlicher Kulisse, das sich von dem ihres letzten Besuchs ein wenig unterschied. Der Hamburger-Schule-Diss fehlte aber genauso wenig wie mein alter Favorit „5 Minuten“, lockerere Nummern gaben sich mit dem ernsteren Material der aktuellen Langrille die Klinke in die Hand und am Schluss sang Andreas den ersehnten CHAOS-Z-Klassiker „Duell der Letzten“. Vor der Bühne war man in Bewegung und auch ich kam mal wieder aus mir raus, sprang, tanzte und sang mit, so weit es mir möglich war. Die direkt ins Ohr gehenden Songs und ihr pogokompatibles Tempo luden schlichtweg dazu sein. Der Sound mit seinen zwei Klampfen machte gut Dampf, die Background-Gesänge der Rhythmusfraktion saßen. Steht ja so oder so ähnlich alles auch in meinem Bericht von vor ‘nem Jahr. Anschließend wurden noch die Kühlschränke ausgetrunken, sodass es doch wieder spät wurde. Gelungener Konzertabend im gewohnt angenehmen Lobuschambiente, zu dem ich hiermit auch meinen Senf (wegen Bockwurscht, gelle?) dazugegeben hätte.

10.05.2025: ANTIGEN + ALTERI auf dem Hamburger Affengeburtstag

Die Hansestadt lud mal wieder zum Hafengeburtstag; abseits des häufig egalen, häufig nervigen offiziellen Trubels und Touristenmagnetismus gab’s vor der Vokü und am Störtebeker wieder zwei Gratis-Open-Air-Subkultur-Bühnen. Aus Zeit- und Motivationsgründen war ich nur am Freitag und nur am Störtebeker zugegen, und dies zudem recht spät. Zumindest die letzten beiden Bands konnte ich mir nach der traditionellen Veggie-Döner-Zufuhr geben. Da die Running Order etwas durcheinandergewirbelt worden war, kam ich zunächst in den Genuss eines Auftritts der Kölner Crusties ALTERI, die einen fetten Bastard aus Metal-Crust, D-Beat und Grindcore ballerten. Der Gesangsmensch war permanent in Bewegung und fegte über die Bühne, als bekäme er Kilometergeld, während er die (weitestgehend unverständlichen) offenbar deutschen Texte growlte und keifte, dass es eine Art hatte. Der musikalische Abwechslungsreichtum verhinderte gekonnt etwaige Monotonie und ließ sogar die eine oder andere Gitarrenmelodie zu. War ‘ne herrlich brutale, beeindruckende Show, die nicht nur wegen der zwei Klampfen schön ins Gesicht drückte. Im Pit vor der Bühne war ordentlich was los und generell war’s gerammelt voll, weshalb ich meine Schnappschüsse von irgendwo aus dem Mittelfeld versuchte, die entsprechend scheiße aussehen. Zeitweise überwog auch schlicht der Smalltalk mit zum Teil wunderbar angeheiterten Freunden und Bekannten, wozu ALTERI den Soundtrack peitschten.

Ein bisschen schade, dass mit ANTIGEN anschließend bereits die letzte Band des ersten Tags auf der Bühne stand. Die hatte ich zuletzt 2019 in der Lobusch gesehen. Das Trio ist in Prag beheimatet, wo es die deutsche Sängerin/Bassistin Steffi einst hin verschlug. Stilistisch irgendwo zwischen Hardcore-Punk und melodischem Crust, tobte man sich durch englischsprachige, aggressive Songs, über denen Steffis wütender, rotziger Gesang lag. Vor der Bühne ging’s nun ein wenig ruhiger zu, abgefeiert wurde die Band aber natürlich dennoch zurecht und musste ein, zwei Zugaben geben. Zwischendurch gelang es Steffi immer mal wieder, Betrunkene davon abzuhalten, die Bühne zu erklimmen und ihr Mitteilungsbedürfnis durch ihr Mikro zu befriedigen. Klasse Gig, der Laune gemacht und mich noch mal auf Temperatur gebracht hat, sodass noch das eine oder andere Bierchen die Kehle runterlief, während um mich herum die Buden abbauten. Nach vielleicht ‘ner knappen Stunde war’s das dann aber dieses Jahr mit dem Hafengeburtstag für mich.

Respekt: Unabhängig von ihrem jeweiligen Zustand an diesem Abend habe ich alle, die ihr Erscheinen beim AFC-Spiel am nächsten Nachmittag angekündigt hatten, tatsächlich dort gesehen – einen sogar so, wie ich ihn vom Vorabend in Erinnerung hatte: Mit einem Bier in jeder Hand.

Danke allen, die die Punk/HC/etc.-Fahne weiterhin konsequent auf dem Hafengeburtstag hochhalten, sich den Arsch für ein Alternativprogramm aufreißen und Viertel/Wochenende somit nicht dem Tourikommerz überlassen.

11.04.2025, Lobusch, Hamburg: SOCIAL DECLINE + GIF

Fox von ABRUPT feierte ihren Geburtstag mit einem Wochenende in Hamburg und hatte meine Liebste gefragt, was so los sei. U.a. schlugen wir diesen Gig vor, der ihren Zuschlag bekam. Also hin da. GIF kannte ich schon von der THRASHING-PUMPGUNS-Record-Release-Party im Sommer letzten Jahres, die Dänen SOCIAL DECLINE hingegen noch nicht. ‘nen alten Kumpel, der gerade aus der Schweiz auf HH-Besuch war, lockte ich auch noch dorthin. Obwohl zahlreiche Parallelveranstaltungen aus dem Punkbereich stattfanden, fand sich reichlich Volk ein, das es etwas deftiger mochte.

GIF machten exakt da weiter, wo sie aufgehört hatten, und ballerten konsequent hookbefreiten, dafür mit Breaks und ein paar Tempo- bzw. Rhythmuswechseln versetzten Hardcore ins Gebälk. Der Shouter legte, unterstützt von Gitarrist und Drummer, seine meist deutsch, mal englischsprachigen Texte über negative Facetten menschlicher Existenz darüber und befand sich dauerhaft vor statt auf der Bühne, wo er mit dem Publikum tanzte (weshalb er auf keinem Foto ist). Und das hatte Bock, haute kräftig, aber fair auf die Kacke und ließ sich die Lauscher durchpusten. Die Band spielte präzise statt chaotisch und ließ sich zu zwei Zugaben überreden. Der Shouter war noch gar nicht ganz fertig, da baute seine Band schon ab. Wat ‘ne Hektik!

Die im Jahre 2019 gegründeten SOCIAL DECLINE aus Kopenhagen waren musikalisch dann doch ganz anders geartet und lieferten vor allem Riffs, Riffs, Riffs aus zwei Klampfen. Der Thrash Metal des Quartetts wies ein paar Hardcore-Einflüsse auf, erinnerte mich aber vor allem an SACRED REICH und ähnlich klingende Bands. Kontrollierter, wuchtiger Abriss zum Headbangen also, weniger überdrehter Stoff à la MUNICIPAL WASTE und Konsorten. Der Sound hatte Druck, für meinen Geschmack hätte es aber gern etwas weniger Mid-, dafür mehr Uptempo sein dürfen – das flottere Zeug lief mir verdammt gut rein, aber generell machte der Auftritt Laune. Ein neuer, bisher unveröffentlichter Song war auch dabei und vor der Zugabe gab’s ‘ne etwas längere Ansage, in der man sich gegen dänische wie deutsche Faschoparteien und Menschenfeindlichkeit allgemein auskotzte. Die Band hinterließ einen sympathischen Eindruck und mit Sicherheit den einen oder anderen Nackenmuskelkater.

Schöner Konzertabend zum schmalen Eintrittskurs im gewohnt herrlich rustikalen DIY-Umfeld!

05.04.2025, Volksbad, Flensburg: OI!STURM ASOZIAL+ HEROES 2 NONE + BOLANOW BRAWL

Wie hier bereits vermerkt, bekamen wir die Möglichkeit, aufgrund des kurzfristigen Ausfalls der SPARTANICS einen Tag nach unserem ersten Auftritt in neuer BOLANOW-BRAWL-Besetzung einen zweiten Gig an der Grenze zu Dänemark dranzuhängen, also die von uns besungene „Two Day Session“ draus zu machen. Kurzentschlossen sagten wir zu und machten uns am frühen Samstagnachmittag auf den Weg nach Flensburg – ein Teil im Auto, ein Teil per Bahn (die sogar pünktlich war). Das Volksbad ist eine richtig geile Location, in der verschiedenste Veranstaltungen stattfinden und in die sich die Skinhead Crew Flensburg mehrmals im Jahr für ihre „Kleinstadtwahnsinn“-Konzertreihe einmietet. Witzigerweise hatte unser Gitarrist Christian Teile der Crew erst eine Woche vorher in Bad Oldesloe auf einem Konzert getroffen, wo man über ein mögliches Konzert ins Gespräch kam – das dann unverhofft rasch stattfand. PR-mäßig waren die auch auf zack, die Online-Flyer wurden rasch aktualisiert.

Wie tags zuvor im Bambi brauchten wir auch hier nur das Nötigste mitzubringen, was die Anreise sehr entspannte, und auch hier erwartete uns eine richtig fette Anlage mit sogar vier Monitorboxen am vorderen Bühnenrand. Backstage hatte man mehr als üppig für uns aufgefahren – ein riesiges Buffet, das nie und nimmer komplett verzehrt wurde, und Bier in zig Sorten, darunter sogar das ostdeutsche Kult-Arbeiterbier Sternburg Export, das die Thüringer OI!STURM ASOZIAL sich gewünscht und die Veranstalter tatsächlich kistenweise herangekarrt hatten, nachdem sie es im Bad Oldesloer Netto-Markt ausfindig machen hatten können. Der Soundcheck fand unter professionellen, entspannten Bedingungen statt und so bekamen auch wir einen amtlichen Sound zusammengemischt. Und auch hier waren Monitorboxen im Einsatz, die einfach ihren Dienst taten, ohne herumzuzicken oder nervige Rückkopplungen zu erzeugen. Ein Traum!

Anschließend gab’s lecker Mampf, wobei ich – und mein Umfeld – vom Aioli noch gefühlt drei Tage etwas hatten. Respekt! Inklusive ‘ner zweiten Koffeindosis und Konterbier half das, meinen leichten Kater vom Vortag zu bekämpfen. Mit dem Einlass füllte sich die Bude rasch und wir fingen pünktlich um 21:00 Uhr an. Unser Set war identisch zum Vorabend, der uns hier und da noch etwas in den Knochen steckte. Meine Sorge, dass meine mit aufeinanderfolgenden Gigs keinerlei Routine aufweisende Stimme versagen könnte, erwies sich aber als unbegründet. Dummerweise hatte sich Christian seine Klampfe am Vortag geschrottet, weshalb er auf ein völlig ungestimmtes Ersatzexemplar zurückgriff, dessen Saiten er nach jedem zweiten Song in Panik vor schiefen Tönen komplett durchstimmte. Das nahm etwas den Fluss aus unserer Darbietung, die Zwangspausen überbrückten wir mit dem üblichen debilen, alkoholgeschwängerten Gesabbel. Das Publikum meinte es nichtsdestotrotz gut mit uns. Vor der Bühne waren stets ein paar Leute am Tanzen und die Flucht ergriff niemand. Zwei Viertel der COCK-UPS, mit denen wir am Vorabend gespielt hatten, waren sogar eigens nach Flensburg nachgereist, um uns noch mal zu sehen. Völlig bekloppt, aber geil – herzliche Grüße! Der OI!STURM-Drummer hatte uns freundlicherweise sein Getränkehalterstativ zur Verfügung gestellt, sodass ich diesmal nicht ständig versehentlich mein Bier umtrat oder mit dem Mikrokabel zu Fall brachte. Feuchte Kehle, aber trockene Bühne! So’n Ding will ich jetzt immer. Den ganzen Abend wurden übrigens professionelle Fotos geschossen, die aber anscheinend erst noch entwickelt werden. Gibt aber ein, zwei Livevideos:

Die HEROES 2 NONE stammen aus dem dänischen Aarhus und setzen sich offenbar aus (ehemaligen) Mitgliedern dänischer Oi!-/Streetpunk-Bands wie LAST SEEN LAUGHING, THE GUV’NORS (mit denen wir mal in Kiel gespielt hatten) und THE OUTFIT zusammen, sind Teils etwas älteren Semesters und zocken ‘ne unterhaltsame, gut in Ohren und Beine gehenden Mischung aus klassischem Oi!-Punk, Punkrock, aber auch Pubrock mit durchgehend englischsprachigen Texten. Die Band hat ‘ne verdammt sympathische Ausstrahlung und kam bestens an. Anfänglich sprang der Bassist ins Publikum, um kurz mitzupogen, woraufhin sich die Tanzfläche immer stärker füllte und die Band gebührend abgefeiert wurde, während ich zwischen Merchstand, Schmauchen vor der Tür, Bier holen und -wegbringen mäanderte, also nicht den ganzen Gig auf die Band fixiert verfolgte. Auch von diesem existieren Videos:

Mehr als am Vortag sah ich aber vom Headliner Oi!STURM ASOZIAL, allein schon aufgrund der wesentlich breiteren Fläche vor der größeren Bühne.  Das Quartett packte die gröbere Kelle aus und zockte sich durch seine Trinker- und Szenehymnen und musikgewordenen Mittelfinger an Gesellschaft, Spießer und Faschos. Die Band hat die Kraft der zwei Gitarren, sechs Basssaiten, sechs Sternikästen und acht Eier – und sorgte für eine vor der Bühne im Vergleich zu Hamburg nicht ganz so körperliche, harte, sich dafür über mehr Reihen erstreckende Ekstase. Ich erinnerte mich daran, am nächsten Tag gar nicht so viel vorzuhaben, und gab mir nun auch wider jede Vernunft die Kante, indem ich ihnen das Export wegsoff und mich irgendwann vor der Bühne den einen oder anderen Refrain mitskandierend wiederfand. Songs wie „Spinnennetz“, „Erzähl mir was“ oder auch das besonders prollige „Drecksau“ setzten sich als hartnäckige Ohrwürmer fest, gecovert wurden zeitlose Hits wie „74.000“ der GEWOHNHEITSTRINKER und „Filmriss“ von KNOCHENFABRIK, und immer mal wieder lockerte die Posaune den aggressiven, rauen Oi!-Punk-Sound mit seinem heiseren Gesang und den kräftigen Chören auf. In den vorderen Reihen spritze man euphorisiert mit Bier, die Stimmung war auf ihrem Höhepunkt und total mitreißend. Gegen Ende befanden sich noch zwei Leute mehr auf der Bühne, weil einer von ihnen Geburtstag hatte und mitsingen sollte oder so… Kriege ich nicht mehr 100%ig zusammen.

Irgendwann verschwimmen dann meine Erinnerungen und ohne Christians wesentlich bessere Hälfte Sandy, die einen Teil von uns völlig selbstlos nach Hause und mich sogar bis vor die Haustür brachte, wäre ich mit meiner Oi!STURM-LP unterm Arm wohl nicht mehr nach Hause gekommen. El Christian und Don Raoul hingegen schlugen sich noch die Nacht in Flensburg um die Ohren. Ach ja, und Christian nickte alles ab, sogar den Arsch vom OI!STURM-Drummer im Takt zur Reggaemusik (kleiner Insider) 😉 Sonntag lagen zwei feucht-fröhliche Konzertabende hinter uns, die uns angefixt haben. An beiden hat man uns überaus freundlich empfangen und aufgenommen, es hat uns an nichts gemangelt! Im Bericht vom Vortag schrieb ich ja bereits, dass mich OI!STURM ASOZIAL an den Sound des Oi!-Revivals in den ‘90ern erinnern. In Flensburg kamen stilecht die zwischenzeitlich ja fast ausgestorben gewähnten bunten aufgestellten Iros und Domestosjacken hinzu – und, und das ist wahrscheinlich das Schönste: gar nicht so wenig Jungvolk. Von der so oft beschworenen Überalterung der Szene war hier nicht viel zu sehen.

Danke an die Skinhead Crew Flensburg für die leidenschaftliche, liebevolle Organisation, den Volkshaus e.V., Sandy und Sheila, Oi!STURM ASOZIAL und HEROES 2 NONE sowie alle Konzertbesucherinnen und -besuchern – das hat geflenst!

04.04.2025, Bambi galore, Hamburg: OI!STURM ASOZIAL + BOLANOW BRAWL + COCK-UPS

Der gute Rolf vonne THRASHING PUMPGUNS hatte mich gefragt, ob ich jemanden wüsste, der für die Thüringer Oi!-Punk-Band OI!STURM ASOZIAL im Billstedter Bambi galore Support machen könnte – und in von mir ungewohnter Geistesgegenwart antwortete ich: „Wir!“ Womit ich BOLANOW BRAWL meinte, denn mittlerweile waren wir, so unsere Selbsteinschätzung, in der neuen Besetzung mit Urko am Bass und Jogi an der Leadgitarre endlich wieder fit für die Bühne. Als dritte Combo brachte ich die COCK-UPS ins Spiel, womit das Line-Up stand. Das Bambi weist die perfekte Kombination aus Underground-Club-Charme und Professionalität auf und sah mich schon häufig als zahlenden Gast. Nun also selbst mal auf der Bühne.

Als wir vor Ort eintrafen, gefiel uns der Gedanke, OI!STURM ASOZIAL seien mit dem auf dem Parkplatz stehenden protzigen Nightliner angereist, doch die waren noch gar nicht da und das Gefährt gehörte dann wohl doch eher zur parallel im großen Saal stattfinden und fast ausverkauften Death-Metal-Sause mit BENEDICTION, MASTER und JUNGLE ROT. Aufgrund der vorhandenen Backline mussten wir nur „kleines Besteck“ mitbringen, was meist von Vorteil ist. Trotz relativ kleiner Bühne war Platz für drei Monitorboxen am vorderen Bühnenrand, die ungewöhnlicherweise keinerlei Anstalten machten, rückzukoppeln oder sonstwie rumzuzicken, sodass wir uns einen vielleicht etwas übertrieben lauten Monitorsound einstellen ließen. Mehr ist nun mal mehr! Anschließend ging’s im ebenfalls zum Gebäude gehörenden Restaurant lecker essen, aufgrund der angenehmen Frühlingstemperaturen konnten wir in der Außengastronomie platznehmen. Wie so oft, wenn wir irgendwo spielen, steuerten wir auch diesmal eine Einheimischenkneipe vorm Gig an, um ein Gefühl für, äh, Land und Leute zu bekommen. Unsere Wahl fiel aufs „Zum Prösterchen“. Auf dem Hinweg ließ Urko wissen, Bock auf ‘nen Ouzo zu haben. Und was lief, als wir die Kneipentür öffneten und eintraten? „Ich trink Ouzo, was trinkst du so“. Ein Zeichen! Doch damit nicht genug. Bekannte von mir riefen mir aus der hinteren Ecke „Hey Günni!“ entgegen und entpuppten sich als regelmäßige Besucher dieses Etablissements, das sowohl mit HSV- als auch FCSP-Fahnen geschmückt ist und noch Teile der Weihnachtsdeko aufgebaut hatte. Ein paar trinkfreudige Freunde hatten sich uns angeschlossen und glühten mit uns vor.

Ich drang aber recht bald auf den Rückweg, da ich die COCK-UPS nicht verpassen wollte. Als wir losgegangen waren, war es auf dem Gelände aufgrund der parallelen Veranstaltungen bereits sehr voll, wobei sich langhaarige Metaller mit dem Punk- und traditionell eher kurzhaarigen Oi!-Publikum vermischten. Im Bambi hatten sich mittlerweile auch reichlich Interessierte zusammengefunden, die sich von den COCK-UPS aufwärmen ließen. Ein einzelner Typ hatte sofort Bock zu tanzen und versuchte mitunter derart ungestüm, andere zum Rempelpogo zu animieren, dass es mich ein bisschen wundert, dass er sich damit keine fing. Dafür sah seine Vorwärtsrolle sehr elegant aus und dauerte es auch nicht allzu lange, bis tatsächlich Bewegung in die Meute kam. Die COCK-UPS mit ihrem UK-’82-Sound hauten gut einen raus und wurden umso aufstachelnder, je entfesselter der Gitarrist den treibenden Groove und Punch der tighten Rhythmusfraktion um melodische Licks und Leads ergänzte. Sänger Sven shoutete und knurrte sich derweil durch die englischsprachigen Texte, übernahm die Kommunikation mit dem Publikum und hinterließ uns einen wunderbar aufgewärmten und -gelockerten, gut gefüllten Laden.

So herrschte dann auch von Beginn an beste Stimmung; es wurde getanzt, gejohlt und applaudiert, wie man es sich nach derart langer Bühnenabstinenz nur wünschen kann. Das übertrug sich natürlich zu uns auf die Bühne. Wir spielten ein zwölf Songs umfassendes Set von „Alcoholic Heart“ über „Where Is My Hope?“ bis „Total Escalation“, Jogi riss ‘ne Saite, hatte aber schon eine Ersatzklampfe bereitgestellt, auf der Bühne bildeten sich Lachen aus am Bühnenrand abgestellten, verschütteten Getränken, vor der Bühne gab’s Glasbruch (der dankenswerterweise sofort beseitigt wurde) und Christian quatschte mir in meine Ansagen rein und übte sich in schlechten Witzen, was offenbar als Entertainment aufgefasst wurde… Unser Bühnensound klang zwar irgendwie ganz anders als noch beim Soundcheck und zumindest unsere Frontmonitore bliesen uns regelrecht weg; sich derart gut selbst zu hören, war aber eine Wohltat. Urko und Jogi spielten das Material, als hätten sie nie etwas anderes gemacht, und waren im Vorfeld weitaus weniger aufgeregt als ich. Einstand geglückt, würde ich in aller Bescheidenheit behaupten wollen. Geil!

Vor der Tür herrschte inzwischen ein heilloses Gedrängel, so voll wie an diesem Abend hatte ich das Gelände noch nie erlebt. Anscheinend war das Death-Metal-Konzert bereits zu Ende, und wer die 40,- Öcken dafür abgedrückt hatte, durfte auch auf unsere 20-Euro-Veranstaltung – wodurch’s auch im Bambi noch voller und durchmischter wurde. Nun bliesen OI!STURM ASOZIAL mit Pauken und Posaunen zur Attacke und ihren auf bisher schon drei Alben erprobten Oi!-Punk ins Publikum. Dieses wirkte regelrecht ausgehungert nach diesem Sound, der mich wohlig ans deutsche Oi!-Revival erinnerte, das von den 1990ern bis weit in die 2000er hinein gefeiert wurde, dann aber irgendwann nachließ. Bands lösten sich auf oder änderten mal mehr, mal weniger radikal ihren Sound, die sog. Grauzone aus Bands, die den antifaschistischen Grundkonsens infragestellten oder, vermeintlich unpolitisch, die Szene wieder nach Rechtsaußen öffneten, bildete sich und wurde größer, und mit den grandiosen zweieinhalb EIGHT-BALLS-Alben war für mich in diesem Subgenre dann irgendwann eigentlich auch alles gesagt. Auf die weitere Verprollung der Szene hatte ich keinen Bock mehr und erweiterte meinen musikalischen Horizont, stellte aber irgendwann fest, dass meine Grenze bei Technical Death Metal und sowat überschritten ist, blieb also dem Punk letztlich treu. Jetzt bin ich kräftig abgeschweift – was hat das mit OI!STURM ASOZIAL zu tun? Nun, die klingen, als hätten sie sich nach dem Hören von SMEGMA- und PÖBEL-&-GESOCKS-Platten gegründet, brüllen einem inbrünstig und mit Arbeiterstolz ihre gleichermaßen von Saufen und Party, Selbstverständnis als Subkulturteil und Außenseiter, Gesellschaftskritik und nicht zuletzt Szeneschimpfe geprägten Texte entgegen, dass man sich in vergangene Zeiten zurückversetzt wähnt. Dabei erwecken sie nie den Anschein, hohle Bratzbirnen zu sein, sind, wie sich bei genauerem Hinhören offenbart, auch geistig im Hier und Jetzt unterwegs und wirken auf ihre ungestüm lospolternde Art erfrischend, sympathisch und prollig zugleich. Vor der Bühne ging’s dann auch richtig rund, ruckzuck wurde ‘ne oberkörperfreie Party Gesichtstätowierter daraus, wie sie in manchen spießigeren Kreisen ja seit einiger Zeit irgendwie in Verruf gekommen sind (die Partys, nicht die Gesichtstätowierten). Tatsächlich war das dann auch nicht unbedingt jedermanns Sache und ging’s auch schon mal etwas rüder zu. Ich postierte mich etwas abseits, schaute dem immer chaotischer werdenden Treiben zu und wurde glatt ein bisschen nostalgisch. Mindestens einer musste leider wegen einer scherbenbedingten Schnittwunde verarztet werden, mehr ist mir in dieser Hinsicht aber nicht bekannt. Noch ein bisschen was zum Musikalischen: Der Bassist spielt ‘nen sechssaitigen Angeberbass mit Kapodaster und ‘nem Picking-Ring (oder wie man so was nennt) am Finger – das sieht man auch nicht alle Tage. Die Band zockt mit zwei Gitarren, wobei der Sänger von seiner ab und zu ablässt, um zur Posaune zu greifen. Der Drummer hilft beim Gesang kräftig aus und röhrt von hinten seine kehligen Backgrounds. Der andere Gitarrist trägt u.a. ein KNOCHENFABRIK-Tattoo, von denen dann auch „Filmriss“ gecovert wurde. Ob bereits an diesem Abend (es sollte nämlich noch ein zweiter folgen, dazu später mehr) das geniale „74.000“ von GEWOHNHEITSTRINKER gespielt wurde, weiß ich nicht, da ich nicht permanent zugegen war, es hätte aber zu seinem zweiten Bandtattoo gepasst. So oder so: Hammer-Gig, der das Bambi zum Kochen brachte und bewies, dass nach dieser Musik auch in Hamburg eine hohe Nachfrage besteht! Gut, wenn sie von Bands wie den Thüringern bedient wird.

Danke ans Bambi und das großartige Team dort – als Gast eh einer meiner Lieblingsläden, jetzt auch als Affe auf der Bühne! Apropos Lieblingsläden: Dass zeitgleich im Monkeys ebenfalls ein Oi!-Punk-Abend stattfand und sich beide Clubs damit vermutlich gegenseitig einen Teil ihres Publikums weggenommen haben, ist etwas unglücklich. Mehr hab‘ ich aber auch nicht zu kritisieren.

Die Rückfahrt meiner Liebsten und mir geriet wegen der U-Bahn-Streckensperrung, aber auch meinem Durst und der einen oder anderen Raucherpause zur halben Odyssee, aber immerhin hatten wir Rolf und Jaybee (COCK-UPS) dabei. Zwei Stunden früher inne Heia wäre sicherlich nicht verkehrt gewesen, da es am frühen Nachmittag schon weiter nach Flensburg ging, wo wir für die leider kurzfristig ausgefallenen SPARTANICS eingesprungen sind. Dazu mehr in Kürze hier.

P.S.: Danke an meine Liebste für die Schnappschüsse unseres Auftritts!

22.03.2025, Indra Musikclub, Hamburg: THE MOVEMENT + FORNHORST + SASCHA UND DIE HERINGE

Dieses Konzert war ein willkommener Anlass, langsam mal die Winterpause zu beenden. Die dänischen THE MOVEMENT, eine der wenigen Bands, die überhaupt noch auf Mod machen, hielt ich auf Platte früher für verzichtbar, sollen sich, so hieß es, live aber immer lohnen. 2020 kam das Album „Future Freedom Time“ raus, das ich dann doch ziemlich geil fand, und FORNHORST, jene noch junge Band aus dem schleswig-holsteinischen Hamburger Umland, die sich ums ehemalige EU!-KRAMPF- und ASIDE!-Mitglied Normen gegründet hat, wollte ich mir eh schon länger mal live geben. Zudem war das Konzert für die Beteiligung einer nun nicht gerade unbekannten ausländischen Band als Headliner – und für heutige Zeiten – echt bezahlbar, was sicherlich nicht zuletzt an den sehr publikumsfreundlichen Kalkulationen des Indras lag.

Das dachten sich offenbar auch viele andere und erschienen zahlreich, wobei gerade Teile zu meinem Bekanntenkreis Zählender schon gut vorgetankt hatten und herrlich besoffen waren, bevor die erste Band überhaupt angefangen hatte. Bis dahin blieb auch einige Zeit, denn erst mit einer Stunde Verspätung ging’s los. Bei besagter erster Band handelte es sich um die Emdener Nachwuchscombo SASCHA UND DIE HERINGE (Eigenbezeichnung „fischige Rambazambatruppe“), die ohne Sascha, aber mit einigen Heringen angereist war. Nach einem humorigen KI-generierten Fake-News-Beitrag als Intro ließ mich gewollt witziger Midtempo-Funpunk mit Rocktendenz meine Stirn in Falten legen, der miese Sound mit die Klampfen übertönendem Schlagzeug und Klackerbass tat sein Übriges. Die Gunst des Publikums sicherte man sich mittels Gratis-Pfeffi, den man verteilte, und setzte verstärkt auf Show-Einlagen: Menschen mit Heringsmasken auf der Rübe und in Mönchskutten waren der Anfang, gefolgt von einer Schauspieleinlage mit falscher Polizistin bei „Verhaftet wegen Alkohol“ bis hin zu tanzenden Heringsmädels und einem unvermeidlichen Mitmachspielchen, für das alle mal auf die Knie gehen sollten. Nee, lass das mal lassen… Das selbst für ein Erste-Vorband-Set offenbar noch nicht ausreichende eigene Material wurde mit Coverversionen angereichert: Bei „Gotta Go“ (AGNOSTIC FRONT) sagte ich noch zu meinem Kumpel, dass das, ähnlich wie „Blitzkrieg Bop“, verboten weil totgedudelt sei. Diesbzgl. bin ich mir beim später gespielten „Filmriss“ noch unsicher, es kratzt aber mindestens hart an der Grenze. Und als unverlangte Zugabe, als hätte ich’s geahnt: „Blitzkrieg Bop“. Alter! Von „Gotta Go“ war einer immerhin so begeistert, dass er die Bühne erklomm und mitsingen wollte, doch der Sänger hielt ihm nicht mal für den Chor das Mikro vors Maul. HC geht anders. Ok, zugegeben: Der eine oder andere Song klang nicht verkehrt, z.B. ‘ne Anti-Rechtsextremismus-Nummer, und der Sänger hat grundsätzlich ein angenehm raues Organ. Der Sound wurde, wie so oft, im Laufe der Zeit besser und wat weiß ich überhaupt schon, denn die Stimmung vor der Bühne war die ganze Zeit über gut.

Wenn ich das richtig mitgeschnitten habe, begannen FORNHORST als eine Art Solo-Projekt, nachdem Bandkopf Normen aufs Dorf im hohen Norden der Republik gezogen war. Die ersten Songs landeten 2022 bei Bandcamp und machten Bock auf mehr. Nachschlag gab’s in Form der seinerzeit noch unter dem Namen SCHNELLER geschriebenen Songs auf einer weiteren EP und im letzten Jahr schließlich des Albums „Leben ohne Scheiß“. Das Vinyl hab‘ ich dann auch gleich mal eingesackt, denn das Zeug gefällt mir: Flott gespielter, melodischer Punkrock mit zeitgemäßen, durchdachten deutschsprachigen Texten über Gesellschaft, Szene und das Älterwerden in beidem inklusive kräftiger, pointierter Refrains. Normen, der zugleich die Rhythmusklampfe spielt, hat ‘ne gute, angeraute Stimme, und der Leadgitarrist im Grunge-Look zaubert eine geile Melodie nach der anderen auf die Akkorde. Kuriosum: Da bis auf den Basser anscheinend niemand Bock auf Background-Gesang hat, kommen FORNHORST kurzerhand mit ‘nem eigenen Background-Sänger auf die Bühne – der trotzdem wesentlich schneller aus der Puste ist als Normen mit seiner Doppelbelastung. Der P.A.-Sound stimmt jetzt, und im Laufe des um die 15 Songs umfassenden Sets gerate auch ich in Bewegung und feiere die Songs mit ihren überwiegend direkt ins Ohr gehenden, schnell mitsingkompatiblen Refrains. Hervorheben möchte ich neben dem kompromisslosen „Kein Vergeben, kein Vergessen“ die klug formulierte P.C.-Kritik „Tommi“ über jemanden, der im Großstadt-AZ wahrscheinlich Hausverbot hätte, sich in seiner ländlichen Heimat aber gegen Nazis gerademacht, sowie die aufrührerische Hymne „Leben ohne Scheiß“. Für mich eine der erfreulichsten jüngeren deutschsprachigen Bands und auch live geiler Scheiß. Ich hoffe, bald mal wieder!

THE MOVEMENT wurden als krönender Abschluss ihrem guten Ruf vollends gerecht. In Trio-Formation mit aufs Nötigste reduziertem Schlagzeug und dem Trainer von Mainz 05 am Bass spielte man sich durch die eingängigen, souligen, anpeitschenden Modpunk-Hits mit tiefem, kehligem Gesang, dem reinsten Bassporno, sozialistisch-revolutionärer Attitüde und ebenso unvermittelten Rockstar-Posingfiguren wie Akrobatikeinlagen und, äh, Beckenwechseln. Der völlig überdrehte Bassist hielt es nicht lange in seinem Anzug aus und entkleidete sich nach und nach, bis er irgendwann oberkörperfrei auf der Bühne stand (und im Publikum Nachahmer fand). Etwas überrascht war ich, dass doch so viele es aushielten, einfach dazustehen und die Band anzuglotzen, statt das Tanzbein zu schwingen. Eines der letzten Stücke (oder das letzte?) war „Control Your Temper“, einer der ersten THE-MOVEMENT-Songs, die ich kannte, und dürfte in meiner etwas verschwommenen Erinnerung dann auch der Stimmungshöhepunkt gewesen sein. Musikalisch vollauf befriedigt ließ ich mich noch zum Absacken im Monkeys (wo die „Tainted Love“-Wave-Disco stattfand) überreden, haute mein letztes Saufgeld auf den Kopp und stellte zu meinem Verhängnis fest, dass man am Tresen nun auch mit Karte zahlen kann… Papperlapapp, so schlimm wurd’s gar nicht. War ‘n geiler Abend!

25.02.2025, Uber-Arena, Berlin: CYNDI LAUPER + TRACY YOUNG

Meine Gebete waren erhört worden, mein Lieblings-‘80er-New-Wave/Synth-Pop-Schnuckel, die Sängerin, Menschenrechtsaktivistin, Schauspielerin und ehemalige Wrestling-Managerin CYNDI LAUPER, begab sich ein letztes Mal auf Monstertour und machte dabei einen Abstecher nach Deutschland. Zwar nicht nach Hamburg, aber Berlin ist ja nicht weit und meine wesentlich bessere Hälfte und ich konnten ein günstiges Hostel ganz in der Nähe der Arena in Friedrichshain beziehen. „Time After Time” war schon immer eines meiner Lieblingslieder, mich eingehender mit Laupers Alben beschäftigt hatte ich mich aber erst als Erwachsener – und war und bin immer noch insbesondere von ihrem ‘80er-Oevre begeistert. Später entdeckte sie den Jazz und den Blues für sich, wo ich musikalisch dann raus war (oder erst mal raus zu sein glaubte). Live gesehen hatte ich sie nie, aber gehofft, vielleicht doch noch einmal die Gelegenheit zu bekommen. Hier war sie!

Wir trafen uns mit einer Freundin meiner Liebsten und deren erwachsener Tochter, machten an ‘nem Imbiss Halt, glühten etwas vor und begaben uns dann in die Uber-Arena, einem dieser typischen seelenlosen Multifunktionsklötze, der aber nun einmal Platz für zigtausend Leute bietet. Der halbe Liter Veltins wird zu Champagnerpreisen (7,- EUR + 3,- EUR Pfand!) ausgeschenkt, aber damit hatte ich ebenso gerechnet wie mit T-Shirt-Preisen von 45,- EUR (mein älteres Cyndi-Shirt im Punk-Look, das ich mir übergestreift hatte, war wesentlich günstiger gewesen) und derlei Unwägbarkeiten. Alles nebensächlich an diesem Abend. Wir waren früh genug da, um im Innenraum nah genug an die Bühne zu kommen; und kamen wir uns anfänglich noch etwas verloren vor, füllte es sich zwischen 19:00 und 20:00 Uhr doch rasch. Ganz ausverkauft sei’s wohl nicht gewesen, meinten meine Begleiterinnen in Erfahrung gebracht zu haben, aber wohl kurz davor. Gut 12.000 Gäste sollen es gewesen sein.

Als Hintergrundmusik lief diverser jüngerer Pop ausschließlich weiblicher Interpreten; auf der Bühnenrückwand, die als Video-Screen diente, lief eine Animation mit Songtexten des einen oder anderen Lauper-Klassikers. Auf den beiden Bildschirmen links und rechts der Bühne wurde auf Laupers „Girls Just Wanna Have Fundamental Rights“-Stiftung hingewiesen. Mit einem Support-Act hatten wir nicht gerechnet, bekamen aber trotzdem einen: Techno-DJane TRACY YOUNG durfte eine knappe Dreiviertelstunde hinter ihrem Mischpult stehen und ihre Elektro-Tracks abfeuern. Das war schon arg genrefremd, aber immerhin meinte ich Techno-Laie Youngs Früh-‘90er-Verwurzelung anhand von House-Instrumentierung und Vocal-Sample-Lastigkeit herauszuhören, was die eine oder andere Nummer erträglich machte. Auf der Bühnenrückwand wurden bunte, psychedelische Animationen abgespult, während Young hinter ihrem Pult stehend ein paar Knöpfchen drehte. Es ist eben keine Live-Musik; und dass sie mit erhobenen, rhythmisch wedelnden Armen das Publikum anfeuerte und dafür auch immer mal wieder an den Bühnenrand schritt, sah bei ihr genauso albern aus wie bei anderen Techno-DJs. Naja, wenigstens wurde die P.A. nun endlich mal angeworfen und durchgepustet.

Nach der Umbaupause, während der u.a. das Percussion-Set und das Drumkit auf der schwarzlackiert geflieste Bühne enthüllt wurden und einen Hinweis darauf gaben, dass wir es nun bald tatsächlich mit handgemachter Musik zu tun bekommen würden, stimmte BLONDIEs „One Way Or Another“ aus der Konserve auf den Gig ein, in den Lauper direkt mit „She Bop“ einstieg und dessen Blockflötensolo höchstpersönlich zum Besten gab, gefolgt von einem meiner Alltime-Faves, „When You Were Mine“, der einst ein PRINCE-Song war – bevor Lauper ihn zu ihrem eigenen machte. Das Licht tauchte die Bühne in ein kräftiges Violett; die eine mintgrüne Perücke tragende Lauper bewegte sich im endcoolen Roboterstakkato zum unwiderstehliche Rhythmus des Songs und erhielt Szenenapplaus, als sie ihre Stimme in jene ungeahnten Höhen erhob, die zu einem ihrer vielen Markenzeichen zählen. Sie schien – wie so viele gerade – etwas erkältet gewesen zu sein, wobei ihre Hüsterchen verdeutlichten, dass eben auch der Gesang 100%ig live war. Ob mit oder ohne Atemwegsinfekt: Dass sie derart exzessiv wie früher das Hohe C suchen und treffen würde, hatte ich nicht erwartet und war auch nicht der Fall. Ihre „normale“ Gesangsstimme aber war nach wie vor voll da.

Und bunt war’s – sehr bunt! Jeder Song wurde anders illuminiert und mittels Videoanimationen auf der Bühnenrückwand illustriert, wenn nicht gerade Livebilder aufgegriffen und multipliziert dargestellt wurden. Lauper zog sich mehrmals um und wechselte die Perücken – einmal gar mitten auf der Bühne –, eines ihrer Outfits erinnerte an einen buntgefiederten Papagei. Zudem wurden im Laufe des Konzerts mehrere Konfetti- und Luftschlangenkanonen gezündet. Auch wenn es die „Girls Just Wanna Have Fun Farewell Tour“ ist, beschränkte sie sich bei der Songauswahl natürlich nicht auf ihr erstes und erfolgreichstes Album, wenngleich „True Colors“ und „A Night To Remember“ sehr kurz kommen. Überraschend waren für mich die Berücksichtigungen der Studioalben 4 und 5 („Hat Full of Stars“ und „Sisters of Avalon“) aus den 1990ern, die jeweils mit mehreren Songs zum Zuge kamen („Sally’s Pigeons“, „Who Let in the Rain“, „Fearless“ (a cappella vorgetragen!) und „Sisters Of Avalon“). Diese überwiegend sehr ruhigen, zurückgenommen Stücke sorgten in Verbindung mit den persönlichen Geschichten und Anekdoten, für die Lauper sich Zeit nahm, für eine sehr spezielle, fast schon intime Atmosphäre, die ich so nicht erwartet hatte und meinen Lauper-Horizont erweiterten.

Sehr gefreut habe ich mich über ihre „Funnel Of Love“-Coverversion vom 2016er-Album „Detour“. Etwaige weitere Deep Cuts wie z.B. Single-B-Seiten blieben aber ebenso aus wie der BLUE-ANGEL-Neo-Rockabilly-Klassiker „Maybe He’ll Know“ oder der „The Goonies“-Hit „Good Enough“. Die mittlerweile 71-Jährige gönnte sich viele Gesangspausen und füllte die Zeit mit ihren Geschichten oder auch einer ausführlichen Vorstellung der Mitglieder ihrer Band. Das sei ihr gegönnt. Vor „Sisters of Avalon“ begab sie sich hinter die Bühne, scheinbar in die Maske – jedenfalls zeigte ein komödiantischer Einspielfilm, wie sie dort übertrieben nachgeschminkt wurde und sie sich eine Gitarre umschnallte, mit der sie ihren eigenen Song daraufhin auf der Bühne begleitete. „Time After Time“, für das sie zum Einsatz der Smartphone-Taschenlampen aufrief, und das rockige BRAINS-Cover „Money Changes Everything” beendeten schließlich den regulären Teil des Sets, bevor „Shine“ den Zugabenblock einleitete, mir eine Gänsehaut bescherte und mir bewusst machte, welch Rabenfan ich bin, mich noch gar nicht ausreichend mit Laupers Spätwerk beschäftigt zu haben – denn diese Nummer zündete sofort, offenbar gibt’s da noch einiges zu entdecken. Für „True Colors“ wechselte sie auf eine Plattform im Publikumsbereich und ließ eine Regenbogenfahne im Wind flattern, und fürs große Finale, natürlich „Girls Just Wanna Have Fun“, betrat die Sängerin PEACHES als Überraschungsgast die Bühne, um diesen Evergreen zusammen mit Cyndi zu schmettern. Die kleine Panne, dass PEACHES‘ Mikro zunächst offenbar nicht eingeschaltet war, tat der Stimmung keinen Abbruch.

Das war’s dann. Zugegeben: Zu „All Through The Night“ hätte ich schon noch gern geschwoft! Trotzdem dankbar für dieses Konzerterlebnis nahm ich dann auch ohne groß mit der Wimper zu zucken Unannehmlichkeiten wie die Pfandrückgabe in Kauf (Getränkestand im Innenraum baute schon ab, musste daher an eine lange Schlange im Außenbereich – und dort gab’s auch kein Bargeld, sondern man bekam die Knete aufs Bankkonto gebucht) und verlor glatt meine Begleiterinnen, traf dafür aber die Kielerin Anna, die ich mal in einer Hamburg Punk-Spelunke kennengelernt hatte. Überhaupt, das Publikum: Teenies waren’s nun nicht sonderlich viele und wenn, dann in Begleitung eines Elternteils, aber bunt gemischt von Twens bis Ü50 war’s trotzdem, darunter Teile der LBGTQ+-Community, für die sich Lauper immer eingesetzt hat, und sogar vereinzelte Leute mit Metal-Shirts und ein paar Punks, einer davon, ein Altpunk, stilecht mit Iro und THE-EXPLOITED-Shirt. Meine Leute fand ich dann auch bald wieder und so ging’s noch auf ‘nen Absacker vom Hostel-Tresen, bevor wir ‘ne Mütze Schlaf nahmen und am nächsten Tag nach ‘nem Frühstück vor Ort die reibungslose Heimreise antraten.

Ich freue mich, an „CYNDI LAUPER mal live sehen“ ‘nen Haken machen zu können – nichts als Liebe und Respekt für diese kleine, aber ganz große Frau! Und jetzt werde mich mal mit ihren jüngeren Alben beschäftigen – versprochen…

08.02.2025, Lobusch, Hamburg: FATAL COLLAPSE + FREVEL + DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS

Nur wenige Monate, nachdem unser Basser Holler in der Lobusch mit einem Konzertabend seinen Geburtstag gefeiert hatte, standen wir dort wieder auf der Bühne, an der sogar noch unsere Setlist aus dem November hing. Mit einer Thrash-Metal- und zwei aggressiveren, eher riffbetonten HC-Punkbands ein, wie ich finde, ebenso interessantes wie stimmiges Line-Up. Aufgrund eines zeitgleich stattfindenden Punkkonzerts in den Fanräumen war ich etwas skeptisch, ob die Bude voll werden würde – aber das wurde sie. Von meiner Atemwegsinfektion war ich so weit genesen, dass die letzte Probe passabel hingehauen hatte und ich mir den Gig zutraute. FREVEL aus Schleswig-Holstein kannten wir bereits von einem gemeinsamen Gig im Indra und machten den Soundcheck, da sie diesmal als erste Band spielten. Den nahmen sie relativ genau und testeten mehrere Songs an – soll ja auch vernünftig ballern. Am Mischpult übrigens wieder Eisenkarl in Personalunion als P.A.-Beauftragter und unser Drummer.

Mit leichter Verzögerung öffneten sich auch offiziell die Pforten und um 21:40 Uhr legten FREVEL los. Die vierköpfige Band peitschte ihren wütenden Hardcore-Punk mit deutschen und englischen Texten durch, der von einer metallisch gespielten Gitarre veredelt wurde. Sänger Tim shoutete herrlich kehlig und pogte zwischenzeitlich mit dem Publikum, das vom ersten Song an voll dabei war und für Action vor der Bühne sorgte. Waren mir während des Indra-Gigs vor allem die Parallelen zu RAWSIDE aufgefallen, konzentrierte ich mich jetzt mehr auf die Unterschiede, zu denen z.B. von System- und Sozialkritik und generell „Polit-Punk“-Typischem abweichende, persönlichere Inhalte zählen. Und dass man beileibe keinen Stock im Arsch hat, bewies u.a. das GG-ALLIN-Cover „Bite It You Scum“. Zurecht wurden Zugaben verlangt, derer es zwei an der Zahl gab, darunter eine geile neue Nummer. Spitzen-Gig!

Im Anschluss zockten wir unser Set aus dem November noch mal durch, seitdem neu entstandene Songs müssen noch etwas im Proberaum nachreifen. Auch bei uns war gut was vor der Bühne los, was uns zusätzlich anheizte und manch Song schneller als üblich spielen ließ. Ich glaube, meine Stimme machte weitestgehend mit – unser Bühnensound war lauter als zuletzt, weshalb ich mich weniger selbst hörte –, besonders gegen Ende hin merkte ich aber deutlich, dass mir schon noch was auf den Bronchen lag und meine Kondition entsprechend nachließ. Und da ich Depp mir vor ein paar Wochen auch noch die Hand verstaucht hatte, was noch nicht vollständig abgeheilt war, macht sie noch nicht immer das, was sie soll – sodass mir das Mikro mitten im Song aus der Flosse ins Publikum flog. Es ist, wie es ist, und irgendwas ist immer! Als Zugabe gab’s „A.C.A.B.“ von PROJEKT PULVERTOASTMANN; auf die weiteren Rufe gingen wir aber nicht mehr ein, da ich um Luft japsend intervenierte und FATAL COLLAPSE schließlich auch noch auf die Bühne wollten.

Hamburgs D.I.Y.-Thrasher FATAL COLLAPSE teilen sich mit den THRASHING PUMPGUNS Gitarrist Buddy, und unser Bassist Holler spielt ebenfalls bei den PUMPGUNS – ein bisschen Hamburger Inzest also. FATAL COLLAPSE waren mir kürzlich erstmals über den Weg gelaufen, als sie im Kir für PIZZA DEATH eröffneten. Der Stimmung des wunderbar gemischten Publikums von jung bis alt, aber hauptsächlich punkiger, weniger metallischer Szenezugehörigkeit tat der nun deftig thrashende Sound keinerlei Abbruch, die Bewegungsfreunde blieb erhalten und die Band wurde abgefeiert. Und dies völlig zurecht, denn verglichen mit dem Kir-Gig wirkte das Quartett irgendwie befreiter, frischer und aggressiver auf mich. Vielleicht lag’s an der Energie im Raum, vielleicht am Sound, der Thrash-Riffs und -Rhythmik ebenso voll zur Geltung brachte wie Shouter Niklas‘ derbes Organ. Dieser berichtete zwischenzeitlich, seinen allerersten Gig mit dieser Band seinerzeit auf eben dieser Bühne gespielt zu haben, und führte durchs knackige Set, an das ebenfalls eine Zugabe angehängt werden musste. Toller Gig und krönender Abschluss eines rundum gelungenen Konzertabends, der mich in meiner Auffassung bestätigte, dass HC/HC-Punk und Thrash Metal prima zusammenpassen.

Danke an Jesus und das ganze Lobusch-Team, an FATAL COLLAPSE und FREVEL und an alle, die vorbeigekommen waren!

30.12.2024, Störtebeker, Hamburg: THRILLER + SABOTAGE + BRIEFBOMBE + FORTSCHRITT ZT 300

Im Störtebeker, jenem kleinen, legendären DIY-Konzertort im Hafenstraßenviertel, war ich absurd lange nicht mehr, und fast genauso absurd mutet es an, dass ich BRIEFBOMBE, jene einzig echte Postpunk-Band, trotz bereits zweijähriger Existenz noch nie live sah. Da ich „zwischen den Jahren“ frei hatte und mir nach der ganzen weihnachtlichen Besinnlichkeit irgendwie der Sinn nach einem HC-Punk-Konzert im kleineren Rahmen stand, drängte sich diese Veranstaltung geradezu auf. Und prompt traf ich vor Ort meinen Bandkollegen Holler und dessen Kumpel Sascha, was cool war, da ich mich mit niemandem verabredet hatte.

Noch während der ersten Band hieß es dann auch „Bude voll, ausverkauft!“. Es wurde also richtig gemütlich; ganz so, wie ich’s von den Konzerten hier in Erinnerung hatte. Jene erste Band war FORTSCHRITT ZT 300, ein lokales Quartett, das sich dem Agrarcore verschrieben und im Jahre 2023 ein Tape veröffentlicht hat. Der Bandname ist einem DDR-Traktorfabrikat entnommen und inhaltlich geht’s nur vorrangig um Landwirtschaft, in „Kartoffelernte“ beispielsweise geht’s „mit dem Mähdrescher durch Eppendorf“ und letztlich um Klassenkampf, andere Songs richten sich gegen Anthroposophie und „Junkerschweine“. Aggressiver Sound, zu dem die Sängerin gut was wegkrakeelt. Daumen hoch!

BRIEFBOMBE ist nach BRUTALE GRUPPE 5000 das aktuelle Konzeptband-Projekt des umtriebigen LOSER-YOUTH-Thommy. Postpunk steht hier nicht wie so oft für wavige Deprisounds, sondern für eine inhaltliche Ausrichtung, die sich mit einer Extraportion Spaß inne Backen den Zustelldiensten dieser Welt widmet. So geht’s um prekäre Arbeitsbedingungen („Weihnachtszeit-Überstunden fuck you!“), um „Urlaub in Porto“ (auf so einen Scheiß muss man erst mal kommen) und um Brieftaube G.I. Joe, um GLS, UPS und DPD sowie den Film „Cast Away – Verschollen“ mit seiner Schleichwerbung für FedEx, es geht contra Briefmarkensammeln und pro Brieffroindschaften zwischen Punks und Skins. Musikalisch ist das ein ziemlicher Expressversand aus zwischen häufig in Powerviolence eskalierenden, hektischen HC-Punk-Riffs und -Licks mit aggressivem Gekeife der (live häufig grinsen müssenden) Sängerin und Thommys hysterischem Gebrüll – bis auf besagter Brieffreundschaftssong: Der ist ‘ne astreine Oi!-Hymne. Zudem gab’s das beste „Mr. Postman“-Cover, das mir bisher zu Ohren kam. Schon erstaunlich, wie viel man aus einem solchen Themengerüst herausholen kann. Da hab‘ ich auch gleich mal die LP und die 7“ abgeernet (womit ich in den Duktus der ersten Band verfallen bin, sorry). Mit der teilt man sich übrigens den Basser.

SABOTAGE ist nun namenstechnisch sicher nicht der große Wurf – wie viele Bands gleichen Namens wird’s wohl geben? Musikalisch wird dafür schön aufs Mett geklopft:  Fette, böse Riffs und brutale Rhythmen, auf die sich das kranke Shouting der Sängerin legt. Einzige englischsprachige Band des Abends, deren Mitglieder aus Bielefeld und Münster stammen und einen mehr als ordentlichen Abriss fabrizierten – der wahrscheinlich nicht nur gefühlt aber recht kurz war, oder? Egal. Schönes Ding!

Schön auffe Schnauze gab’s dann auch bei THRILLER aus Leipzig, die nach einem „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“-Intro aus der Konserve eine explosive Mischung aus etwas modernerem, metallischem Hardcore und Grind/Powerviolence/Blast-Attacken ritten. Der Shouter kreischgrölbrüllte sich durch die deutschsprachigen Texte der einmal mehr kurzen Songs. Voller Einsatz auf allen Positionen, bis mir die Ohren klingelten. So muss das eben manchmal.

Während ich Fotos von BRIEFBOMBE machte, wies mich jemand darauf hin, dass es mittlerweile auch hier leider nicht mehr erwünscht sei, zu fotografieren, weshalb ich’s dann unterließ und die bis dahin von den ersten beiden Bands geschossenen Bilder hier auch nicht verwende. Ansonsten habe ich aber ausschließlich positive Eindrücke: Obwohl’s verdammt drängelig war und man zum Bierholen die gefürchtete Treppe runter und auch wieder rauf musste, wurd’s nie unangenehm. Alle nahmen Rücksicht aufeinander, was so weit ging, dass sich jemand bei mir entschuldigte, nachdem ich ihn versehentlich angerempelt hatte. Trotzdem blieb vor der Bühne Raum für Bewegung, der auch genutzt wurde. Neu ist, dass das Bier gut gekühlt ist, geblieben ist der schmale Kurs, zu dem’s angeboten wird. Alles nicht selbstverständlich, weder früher noch heute, und darum an dieser Stelle einfach mal ein Dankeschön.

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