Günnis Reviews

Autor: Günni (page 71 of 107)

VENERA – LEAN BACK IN ANGER CD

(www.concretejunglerecords.com) / (www.myspace.com/venerapunk.se)

Zu meiner Schande muss ich eingestehen, dass es sich bei VENERA anscheinend um eine weitere Band handelt, die ich in der Vergangenheit vollkommen zu Unrecht mit Ignoranz gestraft habe. Das neue Album der schwedischen Band um SATANIC-SURFERS-Drummer Rodrigo ist pfeilschneller melodischer Punkrock mit ganz starker HC-Kante, hat mit gefälligem, beliebigem Lala-Melodicore aber nicht viel zu tun. In teilweise arg kurzen, englischsprachigen Songs geht’s richtig gut zur Sache mit trotz der Beschränkung auf die Spielzeit ausgeklügeltem Songwriting mit abwechslungsreichen Arrangements, genialem Schlagzeugspiel und ganz viel Power. Zu letzterem trägt die astreine Produktion ihren entscheidenden Teil bei. Gefällt mir richtig gut! Die Texte liegen mir in meiner bookletlosen Vorabversion leider nicht vor, aber Songtitel wie „Wake Up! Smell The Napalm!“, „Meanwhile in Zimbabwe“ und „Government Subsidized Ghetto“ vermitteln einen Eindruck davon, wohin die Reise geht. Ein hyperaktives Album voller Spielfreude und kleiner, feiner Melodien, das sofort zündet und auch die Aggressivität nicht vernachlässigt – ganz im Gegenteil! Bei „Heads They Win, Tails You Lose“ wird übrigens aus „Skulls“ von den MISFITS zitiert. 16 Songs in nur knapp 30 Minuten, die wirken, wie ein vorbeibrettender D-Zug mit verrückten Schweden an Bord. Tipp! 2. Günni

MISSBRAUCH – VORHANG AUF CD

(www.aggressivepunkproduktionen.com) / (www.myspace.com/missbrauch)

Das fünfte Album der Weißwurst-Punks knüpft quasi beim letzten Album „Strafbar“ an und bietet flotten Punkrock mit Hardcore-Einflüssen und deutschem Gesang samt rollendem „r“, der engagierte, gesellschafts- und systemkritische Texte vorträgt, ab und an begleitet von einem Saxophon (obwohl, gab’s das vorher überhaupt auch schon?). In kurzen Songs wird die übliche Themenpalette, diesmal erweitert um das leidige „Grauzonen“-Thema und ein Liebeslied an Irland, serviert und abgefrühstückt, wobei manch Text mir diesmal ein wenig emotionaler als auf dem meines Erachtens zu biederen Vorgänger erscheint. Ein paar Melodien bleiben auch wohlig im Ohr. So richtig was gegen dieses Album sagen kann man eigentlich nicht, will ich auch gar nicht, aber mir persönlich ist das irgendwie zu überraschungsarm – das hat man alles schon woanders so oder so ähnlich gehört und dort mitunter auch aggressiver, rotziger oder wat weiß ich. Mir läuft die Platte zu glatt durch und klingt auch irgendwie ein wenig dünn. Sorry… Als ehrlicher „Deutschpunk“ aber sicherlich nicht verkehrt. Zur Aufmachung kann ich nix sagen, da mir nur eine Vorab-Version mit kopiertem Cover vorliegt. 14 Songs in 35 Minuten. 3-. Günni

VERBOTENE FRÜCHTE NR. 19

(www.verbotenefruechte.de.tl)

Im Hause NON CONFORM hat sich wieder einiges an Reviews, Konzerberichten, Interviews und anderem Zeug angesammelt, so dass nun die schon 19. Ausgabe des sympathischen, kostenlosen A6er-Fanzines vorliegt. Mit seinen Mitschreibern Aldi, Bexx und Frank hat Karsten Conform es wieder geschafft, eine kurzweilige, angenehme Lektüre zusammenzubasteln, die sich ganz unaufgeregt durch die Punkrock-Welt wühlt und mit einigen teilweise herrlichen Kolumnen (der Bielefelf-Fußball-Verschwörung z.B., in der ein Arminia-Fan sein Leid aufgrund der letzten Saison klagt und ein paar kritische und zum Nachdenken anregende Seitenhiebe in Richtung DFL verteilt) für eine zusätzliche persönliche Note sorgt. Hier wird weder die große Politik gemacht, noch in der Scheiße Anderer herumgestochert, dafür aber ein breiteres musikalisches Spektrum abgedeckt und ein netter Einblick in die Interessengebiete der Autoren gewährt, was z.B. auch „Die drei Fragenzeichen“-Reviews erklärt. Satirisch übertrieben und klischeebehaftet fiel die fiktive „Frauentausch“-Geschichte (ihr wisst schon, RTL2 und so, guckt ihr doch bestimmt alle) aus, die mich stellenweise köstlich amüsiert hat. Ein kurzes Interview gaben sowohl DEADLINE als auch Nolti vom New-Rose-Punkrock-Radio. Etwas gruselig wird’s allerdings bei einem Bericht über ein (dann doch nicht stattgefundenes) NON-CONFORM-Konzert 1997 (!) in Holland – das wäre eigentlich Stoff für die alte, leider nicht mehr existente Plastic-Bomb-Rubrik „Menschliche Zeitbomben“ gewesen… Das Heft ist mit über 100 Seiten prall gefüllt und aufgrund seiner Erscheinungsweise natürlich nicht sonderlich aktuell – daher von mir aus zukünftig gerne weniger Reviews und mehr persönliche Geschichten, aber auch so war’s unterhaltsamer Lesestoff für ein paar Berufspendelbahnfahrten. Günni

DÖDELHAIE – HAI ALARM!! CD

(www.doedelhaie.de) / (www.impact-records.com)

Etliche Jahre sind seit dem letzten DÖDELHAIE-Album “Schätzchen, ich habe das Land befreit” ins Land gezogen, aber endlich ist, pünktlich zum 25-jährigen (!) Bandjubiläum, das sechste Album da. Ich sage bewusst „endlich“, da ich die Band sehr schätze – aller sicherlich berechtigten Kritik zum Trotz, denn Sound, Texte und Auftreten der Band um den anscheinend immer gut gelaunten Sänger, Bassisten und Berufspunk Andy Kulosa sind nicht jedermanns Ding. Manchen sind die Duisburger zu pathetisch, klischeehaft, metallisch, albern oder „pseudo“, man stört sich am Gesang Andys oder an was auch immer. Ich persönlich mag aber sowohl das (in der Vergangenheit aber wesentlich stärker als auf diesem Album) metallisch angehauchte Spiel der zwei Gitarristen und die kämpferischen, pathetischen Texte als auch den typischen DÖDELHAIE-Humor und werde von „Hai Alarm!!“ nicht enttäuscht, im Gegenteil: es gefällt mir besser als der Vorgänger. Direkt der Eröffnungssong „Gedanken am Fluss“ knallt mir gleich einen prima eigenständigen, nachdenklichen Text an den Kopf („Willst du wirklich alles wissen? Willst du wirklich alles verstehen?“), der sich fast schon auf „Spiegelbild“-Niveau befindet, einem der größten Hits der Band. „Ändern können sich die anderen“ ist ein (im positiven Sinne, falls das geht) arrogant-ignoranter Mutmacher und kann gleichzeitig als eine Art Einstimmung und Rechtfertigung für das nun folgende Klischeebrett „Hätten wir euch heut’ erwartet, hätten wir Mollis da“ zu einer Sesamstraßen-Melodie betrachtet werden. Als würde man 16-jährig einen Song für einen „Schlachtrufe BRD“-Sampler schreiben, singt man naiv in der einen Zeile von Punks, in der nächsten schon vom schwarzen Block und davon, Nazis und Bullen mit Molotow-Cocktails zu begegnen. Hieran werden sich die Geister scheiden, denn ob die DÖDELHAIE sich tatsächlich an radikalen, gewalttätigen Auseinandersetzungen auf der Straße beteiligen, wie sie es in ihren Texten immer wieder thematisieren, sei mal dahingestellt. Die Kritik an so etwas kann ich gut nachvollziehen, muss aber auch konstatieren, dass der Song inkl. Keyboard-Intro und Offbeat so verdammt viel Spaß macht, dass ich darauf geflissentlich scheiße und lieber die muntere Melodei mitpfeife, die sich stundenlang im Ohr festsetzt. Der nächste Song „Golf-Hooligans“ ist schon vom Sunny-Bastards-Fußballsampler bekannt und wieder ein schönes Beispiel für den Bandhumor, der meinem nicht ganz unähnlich ist. „Die letzte Grenze“ ist eine Art Folk-/Punk-Crossover mit düsterem, kämpferischem Text und „Ein gutes Buch“, nunja – dass ich noch erleben darf, dass eine „Deutschpunk“-Band Werbung für Bücher macht… haha. Beides keine schlechten Songs. Etwas peinlich, dass der direkt danach einsetzende Hörspiel-Prolog zu „Ponyhof vs. Pferdebraterei 0:1“ als „Epilog“ in der Songliste steht, aber der Song ist schwarzer Humor vom feinsten und ein verdammter Hit! Erneut ihr Händchen für Coverversionen beweisen die Haie bei „Memmen“, das im Original „Memory“ heißt und aus dem tuntigen „Cats“-Musical entflohen ist. Das Intro wird von Eva gesungen, die auch schon beim Ponyhof-Song mit von der Partie war, und der Text trieft vor Pathos und Klischee, ist aber offensichtlich nicht ganz ernst gemeint und wird, wie so oft, mit einem Augenzwinkern vorgetragen. „Die Knute der Gerechtigkeit“, ein etwas selbstgerechter Song, der mit selbiger droht, ist der schnellste der Platte. „Der Kommandant“ ist Revolutionsromantik nach kubanischem Vorbild und bei „Haie im Siegerkranz“ feiert man mit einer genialen, hymnischen Melodie sich und Punkrock im Allgemeinen. Für den Rausschmeißer „Schwimm los, wenn du ein Haifisch bist“ bediente man sich wieder eines beliebten Gassenhauers, „Go West“ von den VILLA PEOPLE. Unterm Strich ist „Hai Alarm!!“ ein überraschend ausfallfreies Album mit einigen Hits geworden, das verdammt frisch klingt und über alle DÖDELHAIE-typischen Zutaten verfügt. Wer also mit den älteren Werken der Band etwas anfangen konnte, wird auch diese schwer unterhaltsame Platte mögen! Zusätzliche Unterstützung gab’s übrigens von Uwe und Micha, beide ex-DAILY TERROR. Das passend bebilderte Booklet bietet alle Texte und die limitierte Erstauflage kommt im schicken Pappschuber mit Aufkleber und einem Gutschein für ein kostenloses (!) Bandshirt. Eine auf nur 300 Exemplare limitierte Picture-Vinyl-Version gibt es auch, dieser liegt als Bonus eine CD-Version bei. Klasse! Liebe DÖDELHAIE, nun kommt doch bitte auch endlich einmal nach Hamburg, um die Platte zu promoten… 12 Songs + Intro + Hörspiel in 46 Minuten. 2. Günni

WORTMORD – WORTGEBURT CD

(www.sunnybastards.de) / (www.myspace.com/wortmord)

Peppi alias „Grave Violator“, ex-Gitarrist der deutschen Thrash-Metal-Legende SODOM, der die Kult-Mini-LP „In The Sign Of The Evil“ miteingespielt hat, meldet sich im aktiven Musikbusiness mit seiner neuen Band WORTMORD zurück, wo er ebenfalls in die sechs Saiten greift. Musikalisch klingt das weniger nach Oldschool-Thrash, sondern geht mit seinen tiefgestimmten Gitarren, der bollernden Doublebassdrum und dem brüllenden Sänger mehr in die Richtung von modernerem Zeug wie SOULFLY oder auch metallischeren BAFFDECKS-Stücken. Das Besondere an WORTMORD sind die deutschsprachigen Texte, die es im Metal-Bereich ja nach wie vor nicht allzu häufig gibt. Geschrieben von Peppi, handeln sie von persönlichen Abgründen, von Schwierigkeiten, im Leben Fuß zu fassen und klarzukommen, von Alkoholsucht, inneren Dämonen, gescheiterten Existenzen und von Lug, Betrug und Selbstzensur. Dabei verwendet er für die mitunter relativ langen Texte eine recht radikale, einfache Sprache, die trotzdem mitunter ins Poetische geht. Das hat durchaus Charme, auf peinlichen Pathos wurde weitestgehend verzichtet. Bei „Die Feile im Mund“ erhält Sänger Uli Unterstützung von KREATOR-Mille und bei „Bloody Corpse“ darf SODOM-Kopf Tom Angelripper ran. „Bloody Corpse“? Richtig, ein uralter SODOM-Song, der ursprünglich auf der ersten Platte hätte landen sollen, wurde von WORTMORD neu aufgenommen und stellt mit seinen Oldschool-Thrash-Riffs mein persönliches Highlight der Scheibe darf. Zwar ist die ganze Platte ein ganz schönes Brett, in seiner Ausrichtung mir aber etwas zu modern und monoton. Wer aber mit o.g. Bands etwas anfangen kann und keinen 1980er-Ruhrpott-Thrash-Sound erwartet, sollte WORTMORD auf jeden Fall eine Chance geben, denn aufgewärmter Scheißdreck von ein paar alten Männern ist das hier ganz sicher nicht. Warum man „Bloody Corpse“ aber gleich 2x auf die Platte packte, entzieht sich meiner Kenntnis. Im Booklet gibt’s poserfreie Fotos und Texte und die CD steckt in einem netten Digipak. Zwölf bzw. 13 Songs in 50 Minuten. Ohne Wertung. Günni

PLASTIC BOMB #72

(www.plastic-bomb.de)

Die neue Bombe trägt ihren Namen endlich mal wieder wirklich zurecht, denn bombig geworden isse, die aktuelle Ausgabe. Ich habe das Gefühl, dass man sich, wie es die letzte Ausgabe bereits erhoffen bzw. erahnen ließ, auf alte Stärken besann und vor allem wieder ein richtig engagiertes, festes Team hat, das an einem Strang zieht. Die internen Strukturänderungen nach dem Wegfall langjähriger Schreiber und Mitherausgeber scheinen abgeschlossen und man kann man frohen Mutes in die Zukunft blicken. Das wird am deutlichsten in den Vorworten, in denen sich endlich auch mal Leute wie Dirk und Ullah gleichberechtigt zu Wort melden. Micha freut sich über die vielen Reaktionen auf die letzte Bombe und wird ein paar ehrliche, längst überfällige Sätze zur höchst durchschnittlichen, seit Jahren anhaltenden Tonträgerveröffentlichungsflut los, Helge geht auf sein National“sozialismus“-Special in der „Anders le(s)en“-Rubrik ein, Ronja stellt all die relativ neuen Plastic-Bomber vor und plaudert auch ansonsten viel aus dem Nähkästchen, was sogar soweit geht, dass sie uns zuallererst darüber in Kenntnis setzt, nicht mehr mit ihrem Freund zusammen zu sein (was mich verwunderte, denn viel Persönliches gab sie in der Vergangenheit ja nicht unbedingt preis). Dirk geht auf verschiedene Punkfestivals ein, Ullah stellt sich ausführlich vor und erzählt von seiner Deutschpunk-Leidenschaft und auch Basti ergreift die Gelegenheit zu einer (späten) Vorstellung. Ein Highlight ist das kritische, aber sehr faire, interessante Interview mit SLIME-Sänger Dirk, das Ullah und Micha führten, Ronja war auf dem „Break The Silence“-Festival und schreibt einen sehr anschaulichen Bericht, Jay Bentley von BAD RELIGION stellt sich den Fragen von Micha und Philipp, was sich auch für Nicht-Fans der Bands informativ liest, außerdem wird der Fanziner-Kollege vom Useless-Zine ausgequetscht, der mit seinem Projekt neue Wege der Veröffentlichung ausprobiert. Andi führte ein ausführliches Gespräch mit der RIOT BRIGADE und zeigt sich zusammen mit Henni etwas enttäuscht von den Antworten der US-amerikanischen HC-Punkband SOCIAL CIRCKLE, die ich persönlich gar nicht als so nichtssagend empfand. Sehr detailliert wird es dann im Bericht vom schwedischen „Punk Illegal“-Festival, der humorvoll von gleich mehreren Leuten geschrieben wurde und anschließend im Interview mit einer der Organisatorinnen auch auf die politische Intention der Veranstaltung eingeht. Meines Erachtens ein weiterer Höhepunkt des Hefts. Bemerkenswert auch das Interview, das Ronja mit ANTITAINMENT führte, bei dem man zunächst nicht so recht warm miteinander wurde. Sehr enttäuscht war ich hingegen vom Gespräch Ronjas mit Thorsten von der Horrorpunkband THE OTHERS, der gleichzeitig das Label Fiendforce Rec. (von Ronja konsequent „Fienforce“ genannt) betreibt, Chefredakteur einer Porno-Postille und auch noch des Magazins „Kinkats“ ist, dem „Playboy für die Subkultur“, wie Thorsten es nennt und von dem ich mich frage, wer so etwas braucht?! Dieses Interview hätte soviel Raum und Anlass zur kritischen Auseinandersetzung geboten, aber Ronja macht leider nicht viel draus und lässt zum wiederholen Male trotz angeblicher Abneigung gegen sog. „Grauzonen-Bands“ etc. vollkommen unerwähnt, was für ein reaktionärer alter Sack Bibelrocker ALICE COOPER mittlerweile geworden ist. Sehr schade. Toxo und Henni unterhielten sich mit den RESTARTS und auch hier wurden für meinen Geschmack die richtigen Fragen gestellt, was zu einem lesenswerten Ergebnis führte. Für ein Kurzinterview knöpfte Basti sich die alten Antifa-Oi!-Recken von THE OPPRESSED bzw. deren Kopf Roddy Moreno vor und Henni nahm sich der seltsamen Berliner KOTZREIZ an, die einen unbändigen Spaß am Reproduzieren von Deutschpunk-Klischees zu haben scheinen und es als vergnügliches Abenteuer ansehen, durch die Gegend zu tingeln und all die Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen, die das Dasein als „kleine“ für Spritkohle in Jugendzentren spielende Band so mit sich bringen. Das klingt für mich alles irgendwie nach Hobby von ein paar gelangweilten Leuten, die eigentlich fest im bürgerlichen Leben stehen und wirkt auf mich ehrlich gesagt nicht ganz ernst gemeint. Ist das so’ne Art Verarschungsprojekt? An Bastis Interview mit den italienischen Skapunks TALCO gefallen mir besonders deren Antworten, die beispielsweise an ihren Landsleuten kein gutes Haar lassen und harsch die italienische Mentalität kritisieren. Björn besuchte ein ANGRY-SAMOANS-Konzert, war davon nicht sonderlich begeistert und unterhielt sich mit Bill, während Sänger „Metal Mike“ noch eine etwas wirr erscheinende E-Mail hinterherschickte. Zu guter Letzt wurden noch die Hannoveraner Lindenstraße-Freaks FRANZ WITTICH vors Mikro gezerrt, die ein paar ziemliche Plattitüden von sich geben und keine Lust aufs Force Attack und auf Oi! haben. Eine weitere Neuerung scheint mir zu sein, dass Stanley Head nun auch DVD rezensiert, was er ziemlich gut macht. Damit möchte ich noch auf die Rubriken eingehen, die diesmal ohne „Führerecke“, „Herstory“ und „Geschichten aus der Gruft“ auskommen müssen, aber dafür wieder eine brillante Kolumne von Chefsatiriker Chris Scholz beinhalten („Der arme Köhler. Der beste Bundespräsident, den wir je hatten. Keiner seiner Vorgänger konnte den Menschen in diesem unserem Lande bisher besser vermitteln, wie überflüssig so ein Bundespräsident ist.“). Stanley Heads Ska-Ecke darf natürlich ebenso wenig fehlen wie die Exoten-Punk-Reviews und Vascos großartige „Wunderbare Welt der Propganda“, in der er sich diesmal der augenwischenden Medienhysterie um die „Griechenland-Hilfen“ widmet. Im zweiten Teil des „Anders le(s)en“-Specials empfiehlt Helge weitere Bücher zum Thema National“sozialismus“ und tonnenweise Tonträger- und Fanzine-Kritiken sind natürlich ebenso obligatorisch wie die Termine und News, die diesmal auf ihrer ersten Seite leider irgendwie falsch gesetzt und daher die Zeilenanfänge abgeschnitten wurden. Das blieb aber zum Glück der einzige grobe Layoutpatzer dieser Ausgabe, die außerdem ein USA-Tourtagebuch der UPRIGHT CITIZENS aus dem Jahre 1985 (!) enthält, das einer Zeitreise gleicht und sich nicht nur wegen des großen zeitlichen Abstands hochinteressant liest. Gerne in Zukunft mehr solcher Schmankerl! Vielversprechend ist in jedem Falle auch Ullahs „Deutschpunk-Tribunal“, für das er sich jetzt regelmäßig hoffnungsvoller Krachcombos annehmen möchte – den Anfang machen FRONTEX. Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch Ronjas Top-Ten der Punkplatten mit Frauengesang, die natürlich schwer subjektiv ist, in deren Anbetracht ich mich aber frage, ob Ronja schon einmal etwas von den PLASMATICS gehört hat…? Puh, ich tipp mir hier die Finger wund, aber nicht ohne Grund: Die neue Bombe ist die beste seit langem, die neuen Teammitglieder bringen einen verdammt frischen Wind ins Heft, trotz einiger großer Namen bei den Interviews bleibt genügend Platz für den Underground und alles in allem wirkt sie wieder richtig rund und sympathisch. Auffallend ist das starke Engagement Ronjas, die (von o.g. Interview einmal abgesehen) immer besser wird und mir diesmal auch weniger von oben herab erschien. Weiter so – und am besten noch Rubriken wie „Menschliche Zeitbomben“ reanimieren! Kommt wie immer mit „Pay-To-Play“-CD und kostet in Deutschland 3,50 EUR. Günni

NEW DEVICE – TAKIN’ OVER CD

(www.poweragerecords.com) / (www.myspace.com/newdevice)

Die 2007 gegründeten Londoner NEW DEVICE wollen hoch hinaus – im Infowisch zum Debütalbum ist direkt von Stadionrock und großen Bühnen die Rede und immerhin haben sie auch schon für Bands wie BON JOVI und EUROPE eröffnet. Ja, ihr lest richtig – mit ihrem hochkommerziellen, glatt polierten Hardrock passen NEW DEVICE zu diesem Online-Fanzine wie Ottfried Fischer in einen Kleinwagen, nämlich GAR NICHT. Keine Ahnung, warum wir plötzlich mit so etwas beehrt werden. Hat man uns auf dem Weg in die Rockarenen dieser Welt so nötig? Haha. Bei aller Kalkulation erscheint die Platte jedenfalls recht abwechslungsreich, als wolle man ein möglichst breites (bzw. breitgefächertes, wir sind hier schließlich nicht bei den DIMPLE MINDS) Publikum ansprechen. Ein paar Songs rocken ganz ordentlich drauf los und würden anders produziert bzw. in einem anderen Kontext vielleicht tatsächlich die GUNS N’ ROSES- oder GLUECICOPTERS BABIES-Fraktion ansprechen. Auch ein paar passable Metalriffs haben sich unter das Gejaule des Sängers gemogelt. Andere Songs hingegen sind auf Radiotauglichkeit getrimmte Schmachtfetzen, die unglaublich klinisch klingen. Außerdem wird die Stimme des Sängers bei manch hohen Tönen ganz schön dünn. Fazit: Crazy-United-inkompatibler Kommerzrock, der auf mehreren Hochzeiten zu tanzen versucht und einen Spagat zwischen dem Stadion-Hardrock der 1980er und moderner klingenden Produktionen versucht. Professionell und langweilig. Die CD kommt im Pappschuber mit alternativem Cover, das Booklet enthält die Texte und ein Bandfoto. Zwölf Songs in 46 Minuten. Ohne Wertung. Günni

BRDIGUNG – TOT ABER LEBENDIG CD

(www.brdigung.com) / (www.antirockstar.de)

Kiek an, wat neues von der BRDIGUNG. Das Debütalbum vor zwei Jahren fand ich ja noch durchwachsen, konnte aber viele gute Ansätze erkennen. Und jetzt? Hat man fast alles richtig gemacht. Die Jungs spielen immer noch ihren treibenden Metal-Punk, aber die geniale Lead-Gitarre kommt noch geiler rüber und fiedelt sich einen ab, dass manche Metal-Band vor Neid erblassen dürfte. Der Gesang ist rauer geworden und die düsteren, ausschließlich in deutscher Sprache vorgetragenen Texte sind besser. Dabei wird ein breites Spektrum abgedeckt: Von persönlich bis kritisch, dabei oft voller Pathos und manchmal etwas ZU dick aufgetragen, aber nur noch selten holprig, dafür umso öfter richtig gut. Und glücklicherweise beließ man es bei einem einzigen selbstbeweihräucherndem Song der Frankfurter Schule. Kräftige Refrains zum Fäusteballen, ein paar Chöre zum Mitgrölen und eine fette Produktion machen das Vergnügen perfekt. Im alle Texte enthaltenden Booklet präsentiert man sich mit professioneller Gestaltung und ebensolchen Bandfotos stylisch ohne Ende. Für Punk-Puristen ist das sicherlich nichts; aufgeschlossenere Menschen, die bei den Begriffen „Metal“ oder „Streetrock“ nicht gleich panisch die Flucht ergreifen, sollten aber unbedingt mal reinhören. Wem bereits das Debüt zusagte, kann blind zugreifen. Eine beachtliche Steigerung – von dieser Band wird man noch viel hören. 14 Songs in 48 Minuten ohne einen einzigen Ausfall! 2. Günni

BORDERPAKI – 1362 CD

(www.borderpaki.de) / (www.sn-punx.de)

BORDERPAKI aus Schleswig-Holstein gibt es mittlerweile schon seit 15 Jahren, trotzdem ist das dritte Album das erste, das ich in Gänze zu hören bekomme – bisher kannte ich die Band nur von Sampler-Beiträgen. Zu deutschsprachigem Gesang wird flotter, gekonnter, aber recht überraschungsarmer Punkrock der melodischeren Form dargeboten, dessen Riffs immer mal wieder verdächtig an die anderer Bands erinnern – zumindest teilweise aber beabsichtigt. Rübis Gesang ist klar und die von ihm vorgetragenen Texte pendeln zwischen Klischee, Betroffenheitslyrik und nicht recht zünden wollendem Humor auf der einen und norddeutschen Themen wie Sturmfluten (daher auch der Titel), Seefahrerromantik und bissiger Systemkritik auf der anderen Seite. Lyrisch ist man sehr bemüht, was mal mehr, mal aber auch weniger fruchtet, z.B. wenn sich „Maybach“ auf „Reibach“ reimt o.ä… Produziert ist das recht ordentlich, der Gesang kommt gut rüber und ist verständlich. „1362“ ist für mich ein durchschnittliches „Deutschpunk“-Album mit einigen guten Ansätzen. Etwas mehr Eigenständigkeit würden BORDERPAKI aber gut zu Gesicht stehen. Vom Bodensatz ihres Ex-Labels „Nix Gut“ sind sie aber glücklicherweise viele Seemeilen entfernt. Das Booklet enthält alle Texte und wurde ansprechend in Schwarzweiß gestaltet. Warum allerdings der Promo-Wisch die Band anpreist wie Sauerbier und dabei keine noch so abgedroschene Phrase auslässt, will mir nicht in den Sinn. Das finde ich echt peinlich und möchte ich an dieser Stelle aber nicht speziell auf Band bzw. Label gemünzt verstanden wissen, sondern auf ALLE Bands und Labels, die sich einem nicht näher definierten Underground zugehörig fühlen, aber derartige Werbeschreiben verbrechen. Nix für ungut. Zwölf Songs in 42 Minuten. 3. Günni

DIE ARBEITSLOSEN BAUARBEITER – LIVE IM SO36 BERLIN CD

(www.diearbeitslosenbauarbeiter.de) / (www.pukemusic.de)

DIE ARBEITSLOSEN BAUARBEITER aus Karl-Marx-Stadt haben im Dezember 2009 ein Live-Album im Kreuzberger SO36 aufgenommen, das zu beurteilen mir schwer fällt, da ich bisher quasi nichts von der Band kannte. Musikalisch würde ich das als Funpunk mit ein wenig Asi-Charme à la LOKALMATADORE oder so einordnen. Der Live-Sound klingt sehr ordentlich und macht Laune, scheint eine gelungene Party gewesen zu sein. Ein paar Ohrwürmer sind ebenso dabei wie Coverversionen der TOTEN HOSEN („Auswärtsspiel“), von BLUR („Song 2“) und von J.B.O. („Ein Fest“). Die Platte hat viel Energie und verleitet zum hektischen Mitwippen und Biertrinken, was das gut zu hörende Publikum sicherlich auch tat. Dem tut auch der lispelnde Sänger keinen Abbruch. Ohne lange Ansagen oder Pausen folgt ein Song auf den nächsten, bis nach 18 an der Zahl nach 48 Minuten der Ofen aus ist. Für Freunde der Band bestimmt eine gute Wahl, zumal die Songs – obwohl ich die Originale gar nicht kenne – klingen, als würden sie um einiges flotter als auf den Studioalben vorgetragen werden. Als Bonus wurden noch drei Videos auf die CD gepresst, davon ein im Proberaum aufgenommener Clip sowie zwei Live-Clips vom Konzert. Ohne Wertung. Günni

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